Es war in den vergangenen Jahrzehnten nicht oft der Fall, dass Österreich mit Rüstungsvorhaben international (positive) Schlagzeilen gemacht hat. Die erst am Montag verkündete Beschaffung von 225 zusätzlichen Mannschaftstransportpanzern Pandur Evolution von Hersteller GDELS-Steyr war so ein seltenes Ausrufezeichen – nun folgt mit dem Kauf von Skyranger-Fliegerabwehrtürmen von Rheinmetall Air Defence gleich das nächste.
Der Auftrag ist deshalb so aufsehenerregend, weil Österreich als erste Nation überhaupt für den völlig neu entwickelten Fliegerabwehrturm unterschrieben hat, wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Rheinmetall Air Defence-CEO Oliver Dürr bei einer Pressekonferenz in Wien erklärten.
„Österreich erhält als erstes Land Europas die neuen Fliegerabwehrsysteme und übernimmt damit eine einzigartige Pionierrolle in der bodengebundenen Luftverteidigung.“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
„Österreich erhält als erstes Land Europas die neuen Fliegerabwehrsysteme und übernimmt damit eine einzigartige Pionierrolle in der bodengebundenen Luftverteidigung”, so die Verteidigungsministerin. „Mit der Firma Rheinmetall Air Defence haben wir einen kompetenten Partner gefunden, mit dem eine ausgezeichnete Zusammenarbeit möglich ist. Das ist ein Meilenstein bei der Abwehr von Bedrohungen aus der Luft und bei unserer ,Mission Vorwärts’. Damit gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt für den Erhalt der Sicherheit Österreichs!”
Am fehlenden internationalen Interesse an dem System lag Österreichs Pionierrolle jedenfalls nicht. So entschied sich Dänemark beispielswiese bereits im vergangenen Jahr für den Skyranger (ein Vertrag soll im zweiten Quartal unterschrieben werden) und beauftragte am 15. Dezember des Vorjahres Ungarn Rheinmetall Hungary mit der konzeptionellen Entwicklung des Skyranger für die zukünftige Flugabwehrvariante des Lynx KF41. Auch die Bundeswehr hat den Turm auf ihrer Einkaufsliste, der Vertragsabschluss für voraussichtlich 19 auf dem Radpanzer Boxer aufgebaute Systeme ist in Deutschland in der kommenden Woche geplant.
Österreich beschafft hingegen in einer ersten Tranche gleich 36 Skyranger-Türme, die von Unterauftragnehmer Rheinmetall Air Defence (der Auftragswert liegt laut Angaben des Unternehmens „in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrags”) produziert und dann von General Dynamics European Land Systems-Steyr im Werk in Wien Simmering auf einem Teil der neu bestellten Pandur Evolution aufgebaut werden. Im Rahmen einer im Vertrag verankerten Option auf 158 weitere Fahrzeuge könnten nochmals neun Pandur mit Skyranger-Turm beschafft werden und Österreich damit unter dem Strich in einigen Jahren über eine Flotte von 45 hochmobilen Fliegerabwehrtürmen verfügen. Dazu kommen dann rasch verlegbare 35-Millimeter-Fliegerabwehrkanonen, für die das Heer bereits im vergangenen Dezember Rheinmetall Air Defence mit der umfassenden Modernisierung seiner bestehenden Systeme beauftragt hat.
„Rheinmetall unterstreicht damit einmal mehr seine technologische Führungsposition in der Nahbereichsflugabwehr.“
Rheinmetall Air Defence-CEO Oliver Dürr
Rheinmetall Air Defence-CEO Oliver Dürr zeigte sich im Rahmen der Pressekonferenz zufrieden: „Rheinmetall unterstreicht damit einmal mehr seine technologische Führungsposition in der Nahbereichsflugabwehr.”
„Das durch Rheinmetall in der Schweiz entwickelte System leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Fähigkeiten in der Luftverteidigung – zunächst in Österreich, aber auch zeitnah in weiteren Ländern.“
Rheinmetall-Chef Armin Papperger
In einer aktuellen Aussendung wird auch Armin Papperger, der Vorstandsvorsitzende des Rheinmetall-Konzerns, zitiert: „Wir sind dankbar für das Vertrauen unserer Freunde und Partner in Österreich. Das durch Rheinmetall in der Schweiz entwickelte System leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Fähigkeiten in der Luftverteidigung – zunächst in Österreich, aber auch zeitnah in weiteren Ländern.”
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Das Bundesheer reagiert mit der Beschaffung auch auf die Erfahrungen im Ukraine-Krieg, in dem die Abwehr von Drohnen (-> siehe Beitrag „War of Dornes”) eine große Rolle spielt. Die nun bestellten Skyranger sollen bis 2030 zulaufen, erste Fahrzeuge bereits 2027 übergeben werden. Der Turm vereint eine Kanone mit einer Kadenz (Schußfolge) von mehr als 1.100 Schuss pro Minute, damit kann auch sogenannte Ahead-Munition abgeschossen werden. Dazu kommt eine Lenkwaffe vom Typ Mistral 3 (voraussichtlich können zwei Lenkflugkörper mitgeführt werden) und umfangreiche Sensorik, die das Fahrzeug auch auf sich gestellt unabhängig von einem übergeordneten Lagebild zum Feuerkampf befähigt.
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer zeigt sich vom Bundesheer-Neuzugang in einer Aussendung begeistert: „Es beginnt damit eine neue Zeit für das Österreichische Bundesheer. Unser Ziel, wie ich es auch im Österreichplan festgelegt habe, ist eine wehrhafte Neutralität zu leben, die die Bevölkerung auch vor Bedrohungen schützt. Mit der Anschaffung von 225 Radpanzern Pandur Evolution rüsten wir das Heer nach. Der auf den Panzern platzierte Skyranger wehrt Drohnen und ballistische Flugkörper ab. Diese Investition ist der erste Schritt in eine sichere Luftverteidigung und somit auch ein wichtiger Beitrag zum Raketenschutzschild Sky Shield (-> Österreich plant Teilnahme), wenn es darum geht, unser neutrales Land schützen zu können.”
„Diese Investition ist der erste Schritt in eine sichere Luftverteidigung und somit auch ein wichtiger Beitrag zum Raketenschutzschild Sky Shield, wenn es darum geht, unser neutrales Land schützen zu können.“
Bundeskanzler Karl Nehammer
Der Turm wurde übrigens von Rheinmetall Air Defence in enger Zusammenarbeit mit der Beschaffungs-Direktion des Verteidigungsministeriums und dort insbesondere mit Brigadier Georg Kollmann (-> siehe Interview in Militär Aktuell) weiterentwickelt und abgespeckt. Ursprünglich für größere und schwerere Fahrzeugklassen wie den Boxer konzipiert, konnte durch den Verzicht auf die mittig gelegene Luke, den Einsatz von Carbon, die Reduktion auf drei Radarpaneele und zahlreiche weitere Maßnahmen mehr als eine Tonne Gewicht eingespart und der Turm damit auch für den deutlich kleiner als den Boxer ausgelegten Pandur verwendungsfähig gemacht werden.
Zukünftig sollen die mobilen Fliegerabwehr-Fahrzeuge in allen Brigaden österreichweit stationiert werden.
Hier geht es zu weiteren Bundesheer-Meldungen, hier zu weiteren Meldungen von Rheinmetall und hier zu weiteren Meldungen rund um General Dynamics European Land Systems-Steyr.
