Oberstleutnant Claes Bernander verantwortet bei der schwedischen Armee den gesamten Bereich Military Flight Training Systems und Planung. Mit Militär Aktuell sprach der Offizier kürzlich am Rande der Military Flight Training Conference in London über seine eigene Zeit als Jagdpilot, über die Außerdienststellung der schwedischen SK60 und wie Schweden nun gemeinsam mit Dänemark, Norwegen und Finnland seine Pilotenausbildung auf neue Beine stellen möchte.

@Georg Mader
Schweden betrieb seine SK60 sogar noch länger als Österreich seine Saab-105OE. 106 der 150 gebauten SK60 wurden ab 1993 mit effizienteren Williams FJ44-1 Turbofantriebwerken nachgerüstet.

Herr Oberstleutnant, Sie erzählten kürzlich in Ihrem Vortrag auf der Military Flight Training Conference in London, wie sie als schwedischer Jagdpilot einst russischen Flugzeugen über der Ostsee begegnet sind. Damals war Schweden noch neutral, heute ist das Land Teil der NATO.
Ja, das war Ende der 1990er-Jahre bis 2005, ich flog den Viggen, später auch den Gripen. Damals trafen wir während unserer Missionen immer wieder auf Su-27 mit bis zu zehn mächtigen Lenkwaffen, wir hatten im Gegensatz dazu nur 120 Schuss in der Kanone, sonst nichts. Und dann haben wir die Russen im Rahmen einer Fliegerfreundschaft sogar besucht, in Sawaslejka. Das klingt heute unvorstellbar, oder? Genauso unvorstellbar war damals, dass Schweden jetzt wegen Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine in der NATO ist. Waren vor Kriegsbeginn in Umfragen regelmäßig 70 Prozent der Bevölkerung für die Beibehaltung der Neutralität, so wandelte sich die Volksmeinung innerhalb weniger Wochen hin zu einer Aufgabe der Neutralität und einem Beitritt zur NATO. Parallel dazu planen wir gemeinsam mit den drei anderen nordischen Ländern unsere Luftwaffenzukunft – und da darf ich mich im Bereich Flugtraining einbringen.

@Georg Mader
Während Norwegen, Finnland und Dänemark auf den F-35 setzen, vertraut Schweden weiterhin auf seine Gripen-Flotte – im Bild ein Gripen E beim Start.

Schweden flog wie Österreich lange die Saab-105, in Schweden als SK60 bezeichnet. Nach der Außerdienststellung in Österreich vor mehr als drei Jahren werden die Maschinen nun auch in der Flygvapnet ersatzlos abgestellt. Warum eigentlich? Nur wegen des Alters?
Das Alter war natürlich mitentscheidend, tatsächlich wurde die Abstellung aber aus gleich drei Gründen notwendig: So mangelt es aktuell an Instruktor-Piloten und an Fluglehrern, um das System seriös weiterbetreiben zu können. Wie in anderen Luftwaffen auch gehen in Schweden zahlreiche „Baby-Boomer-Piloten” fast gleichzeitig in Ruhestand und diese nachzubesetzen ist schwierig bis unmöglich. Dazu kommt, dass für den Weiterbetrieb des Systems nun beträchtliche Investitionen nötig wären und die SK60 – drittens – nicht mehr dem entspricht, was junge Piloten heute von einem modernen Ausbildungssystem erwarten. Die SK60 haben keine interaktiven Systeme, keine LVC-Trainingsumgebungen und -tools, wir hätten daher damit Pilotenanwärter nur mehr bis zur Phase-3 ausbilden können, aber nicht mehr bis zur Phase-4. Unter dem Strich kamen wir dann in Kombination all dieser Gründe zum Schluss, dass es sinnvoller ist, die Maschinen abzustellen, als sie weiterzubetrieben.

@Georg Mader
Oberstleutnant Claes Bernander im Gespräch mit Militär Aktuell-Autor Georg Mader.

Während Österreich nun verspätet doch noch einen Nachfolger für die Saab-105OE beschaffen möchte, geht Schweden bei der Pilotenausbildung andere Wege und kooperiert mit der International Flight Training School (IFTS) in Italien, oder?
Das ist korrekt, die Kooperation betrifft die Phasen-3 und -4 der Kampfjet-Piloten-Ausbildung. Für die Phasen-1 und -2 haben wir mit der Grob-120 eine sehr gute und ökonomische eigene Lösung, aber für danach wollten wir uns natürlich besser aufstellen als bislang mit der Sk60. Und so haben wir jetzt für zehn Jahre diese Vereinbarung mit Italien geschlossen und werden wir dort mit der T-346 üben (italienische Bezeichnung des M-346 von Leonardo). Wir haben jetzt zwar noch keine finale Bewertung des ersten Kurses, aber ich zweifle nicht am Erfolg. Generell ist das Konzept sehr modern und zukunftstauglich.

Allentsteig: Unbemannte ABC-Gefahrenerkennung

Ziel ist es, dass sich Schweden am Ende der zehn Jahre bei der IFTS einer gemeinsamen Trainingslösung aller nordischen Länder anschließt, oder?
Ja, das ist der Wunsch, weshalb wir uns die in Frage kommenden Plattformen genau ansehen werden, von der PC-21 bis hinauf zur M-346 und dessen weitere Entwicklung. Wir gewinnen mit dem Schritt nach Sardinien Zeit, aber auch Erfahrung und wir werden sehen, ob wir dann am Ende des Tages ein eigenes System beschaffen werden, oder wir gemeinsam eine Lösung finden.

@Georg Mader
Oberstleutnant Bernander informierte auf der Military Flight Training Conference in London kürzlich über die geplante Ausbildungskooperation der skandinavischen Länder.

Für eine solche Joint-Lösung gäbe es mehrere Möglichkeiten, oder?
Schon, aber man darf nicht vergessen, dass wir Piloten ausbilden wollen, die in drei Ländern des sogenannten „Northern Air Command” – die „Northern Fist” wie wir sagen – auf F-35 fliegen werden, wohingegen wir in Schweden weiter auf den Gripen E setzen. Ein neuer Trainer sollte daher schon ein Jet sein, zumindest in den Ländern, die auf den F-35 setzen. Aber bis dahin kann das natürlich sehr flexibel gehandhabt werden, so können auch auf dem Gripen D Zweisitzer Segmente aus Phase-3 und -4 „heruntergeladen” werden, weil das Modell klar ökonomischer ist als der F-35. Allerdings braucht es dafür ein ganzes Trainingssystem inklusive Echt- und Virtuellanteilen, und diese müssen für alle vier Länder passen. Das ist nicht einfach, aber wir sind dabei, die zehn Jahre in Italien zu nutzen, um so eine Lösung zu finden und zu prüfen, wie und unter welchen Voraussetzungen diese machbar wäre. Ziel ist es jedenfalls, dass in Zukunft die gesamte Ausbildung bei uns in der Region stattfindet. Wir verfügen dafür über ausreichend Lehr- und Übungsgelände und dann hoffentlich auch wieder über ausreichend Fluglehrer. Es gibt dafür aber keine Deadline, diese zehn Jahre Phase-3 und -4 auf T-346 in Deci sind nur unsere, schwedische „Atempause”.

Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.

Quelle@Georg Mader