Zahlreiche europäische Staaten planen gemeinsam den Aufbau eines neuen Luftverteidigungssystems. Die „European Sky Shield Initiative” soll Lücken im aktuellen Schutzschirm schließen – und stellt offensichtlich auch für Österreich eine interessante Option dar. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner kündigte nun eine Teilnahme Österreichs an der Initiative an.

„Es freuen sich alle sehr, dass Österreich mit dabei sein wird”, sagte Tanner gestern nach einem Gespräch mit ihrem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius am Rande eines EU-Treffens. Geht es nach der Ministerin, dann soll die Teilnahme bereits im Juli unter Dach und Fach gebracht werden. Bis dahin will Tanner jedenfalls eine unverbindliche Absichtserklärung („Letter of Intent”) „ganz genau überprüfen” und gegebenenfalls unterzeichnen. Das sei der „nächste wichtige Schritt”, so die Verteidigungsministerin.

„Es freuen sich alle sehr, dass österreich mit dabei sein wird.“

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner

Die Sky Shiel Initiative entstand aus dem Wunsch vieler europäischer Länder zur verstärkten Zusammenarbeit auf Sicherheits- und Militärebene heraus, lange Zeit wurden aber meist trotzdem weiter eigene Süppchen gekocht. Infolge von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist die Bereitschaft zur Kooperation aber deutlich gestiegen. Auf Initiative von Deutschland hin hat daher vor einigen Monaten mehr als ein Dutzend EU-Staaten eine Absichtserklärung zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Luftverteidigungssystems beschlossen.

Im Rahmen dieser „European Sky Shield Initiative” (kurz ESSI) gehe es darum, „politische, finanzielle und auch technologische Synergieeffekte zu erzielen”. Konkret sollen dabei gemeinsam neue Waffensysteme gekauft und aktuell bestehende Lücken im europäischen Schutzschirm geschlossen werden. Defizite gäbe es dabei aktuell vor allem bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern sowie Luftangriffen im Nahbereich, insbesondere aber auch im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen. Zudem soll der Fokus verstärkt auf Bedrohungen aus Russland ausgerichtet werden. Bis jetzt wurde bei der Raketenabwehr in Europa vor allem in Richtung Iran geblickt.

Für ein Bundesheer mit Zukunft

Laut Tanner sei Sky Shield eine „unbedingt notwendige, europäische Antwort, um unseren Luftraum zu schützen.” Für einzelne Staaten sei es „schwierig, das zu bewältigen und effektiv zu tun”, fügte sie hinzu. Österreich sei nicht zuletzt wegen seiner geografischen Lage interessant, es liege an einer Schnittstelle zwischen den Bedrohungen aus dem Osten und Süden.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz geht sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn könnte die Initiative – bei Realisierung – ein „Sicherheitsgewinn für ganz Europa” sein. Und das „kostengünstiger und leistungsfähiger”, als wenn jedes Land seine eigene Luftverteidigung aufbaue. Neben Deutschland, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Finnland, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, der Slowakei, Rumänien und Slowenien könnte Sky Shield auch für weitere Länder interessant sein – darunter auch Österreich. Laut Verteidigungsministerin Klaudia Tanner werde seit längerem eine Beteiligung Österreichs geprüft. „Verfassungsrechtlich gibt es durchaus Möglichkeiten zu einer engeren Zusammenarbeit, wir haben dazu einige Gutachten eingeholt. Österreich hat bereits viele Kooperationen mit Deutschland, das ja die Initiative für Sky Shield übernommen hat. Es würde Sinn machen, auch Investitionen bei der Luftabwehr gemeinsam zu tätigen. Was die Finanzierung einer österreichischen Beteiligung anbelangt, so wären dafür allerdings zusätzliche Budgetmittel notwendig und so weit sind wir noch nicht”, sagte die Ministerin Ende des vergangenen Jahres im Gespräch mit Militär Aktuell.

„Sky shield wird ein kostengünstiger und leistungsfähiger sicherheitsgewinn für ganz europa.“

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz

Die Neutralität würde laut Experten einem potenziellen Engagement jedenfalls nicht im Wege stehen. Die gemeinsame Beschaffung im Rahmen der Sky Shield Initiative entbinde „uns ja nicht davon, dass wir weiterhin unsere aktive Luftraumüberwachung auch selbstständig durchführen”, erklärte Tanner im Hinblick auf die Verfassung. Die Initiative sei eine Ergänzung dazu und werde indirekt den Schutz Österreichs verbessern.

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Der Moment für eine Beteiligung scheint jedenfalls günstig, plant das Bundesheer aktuell doch ohnehin die Beschaffung eines neuen Mittelstrecken-Flug- und Raketenabwehrsystems. Deutschland und die anderen „Sky-Shield-Länder” denken vor dem Hintergrund einer möglichst großen Interoperabilität vor allem an den Ankauf des israelischen Systems Arrow 3 sowie von Patriot- und Iris-T SLM-Systemen. Erste Ergebnisse und konkrete Umsetzungsstrategien sollen „zeitnah” präsentiert werden. Auf die Frage nach den Kosten erklärte Tanner: „Das ist auf jeden Fall ein Projekt, das budgetär dann einiges Zusätzliche erfordern würde”. Sie habe jedoch bereits mit dem Finanzminister dazu Gespräche geführt. Konkrete Zahlen nannte sie keine.

Ein Problem für eine mögliche österreichische Beteiligung könnte (siehe Bericht dazu) die geplante Integration aller Sky Shield Systeme in die Nato-Kommandostruktur, Integrated Air and Missile Defence (IAMD), der Nato werden. Die IAMD ist ein wichtiger Bestandteil der Deter­rence-and-Defence-Strategie des Bünd­nisses.

Quelle@Getty Images