Das Verteidigungsbudget wird in den nächsten Jahren deutlich aufgestockt. Was soll mit dem Geld konkret passieren? Welche Fahrzeuge und Geräte stehen auf der Einkaufsliste ganz oben? Und wie soll ausreichend Personal angeworben werden? Ein Gespräch mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger.
Frau Minister, Herr Generalstabschef, wie bewerten Sie die aktuelle Sicherheitslage in Europa und im Speziellen in Österreich?
Klaudia Tanner: Wir leben in einer Zeitenwende und der 24. Februar ist eine Zäsur in der europäischen Geschichte und besonders für die europäische und österreichische Sicherheitspolitik. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns alle schockiert. Damit ist der Krieg wieder nach Europa zurückgekehrt und Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr. Davor hat auch die Pandemie schon gezeigt – wir müssen in den kommenden Jahren verstärkt mit sicherheitspolitischen Herausforderungen rechnen.
Rudolf Striedinger: In der Tat hat sich die offensichtlich vor dem 24. Februar empfundene, scheinbare Sicherheit nicht bestätigt. Es gibt nun wie im Kalten Krieg wieder eine konfrontative Positionierung zwischen Ost und West, wobei Ost aktuell nur Russland ist und West die westliche Welt einschließlich der Vereinigten Staaten. Wir befinden uns damit in einer sehr gefährlichen Situation, in der von Sicherheit überhaupt gar keine Rede mehr sein kann – weder für Österreich noch für Europa.
Inwieweit ist Ihre Einschätzung auch von Vorfällen wie dem nach wie vor ungeklärten Anschlag auf die Ostsee-Pipeline und den möglicherweise bewusst herbeigeführten Ausfällen des deutschen Eisenbahnnetzes und zuletzt bei deutschen Telekomanbietern geprägt?
Striedinger: Seit Jahren warnen wir Militärs vor der hybriden Kriegsführung. Das, was Sie hier ansprechen, könnten Resultate genau jener Kriegsführung sein. Sie spielt sich unterhalb der offenen militärischen Konfrontation ab und soll dazu führen, Gesellschaften zu verunsichern, Schäden herbeizuführen, Politik gefügig zu machen und die Bevölkerung gegen die Regierenden aufzuwiegeln.
Auch weil ein Täter bei derartigen Vorfällen nur schwer zu überführen ist?
Striedinger: Genau. Bei derartigen Vorfällen ist es sehr schwer, Tätern tatsächlich etwas zuzuschreiben – und das gilt noch einmal verstärkt für den Cyberraum. Es ist indirekt aber schon sehr schlüssig und klar, dass der Osten hier versucht, destabilisierend in die westlichen Demokratien hineinzuwirken.
Gehen wir einen Schritt zurück: Wie hätten Sie die Sicherheitslage in Mittel- und Osteuropa vor einem Jahr auf einer Skala bewertet, die von 1 „friedlicher geht es nicht” bis 10 „eine kriegerische Eskalation steht unmittelbar bevor” reicht?
Striedinger: Ich möchte da gar keine konkrete Zahl nennen, aber es ist klar, dass wir aus heutiger Perspektive damals die Situation um die Ukraine nicht ausreichend detailliert beurteilt haben. Es wurde zwar immer vor einer Eskalation gewarnt, aber dass es tatsächlich zu einem konventionellen Angriff kommt, war außerhalb der Vorstellungskraft.
Tanner: Wie von General Striedinger angesprochen, werden bei uns jedes Jahr im Rahmen einer sicherheitspolitischen Jahresvorschau die möglichen und wahrscheinlichen Risiken der kommenden Jahre analysiert. Unsere Experten im Verteidigungsministerium haben dabei schon vieles vorhergesagt und potenzielle Risiken identifiziert. Neben einer globalen Pandemie und regionalen Kriegen und Konflikten spreche ich auch von Bedrohungen wie dem Klimawandel mit Naturkatastrophen, von Cyberangriffen, Terrorismus oder Blackouts. Vieles davon galt oder gilt heute noch als undenkbar, Vieles wurde aber trotzdem bittere Realität – der Ukrainekrieg ist ein Beispiel dafür.
Die Situation in der Ukraine hat gezeigt, wie schnell sich Sicherheitslagen fundamental ändern können. Könnte es sich Österreich vor diesem Hintergrund selbst bei einem Friedensschluss in der Ukraine leisten, wieder wie zuletzt jahrzehntelang Friedensdividenden einzufahren und das Heer auf absoluter Sparflamme zu halten? Oder müssen wir uns bewusst werden, dass es dauerhaft – also auch über 2032 hinaus – höhere Investitionen in die Streitkräfte braucht, um stets für alle Herausforderungen gewappnet zu sein?
Tanner: Eines ist klar: Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif! Nur ein modernes und gut ausgestattetes Bundesheer kann unser Land verteidigen und all seine Aufgaben erfüllen. Und das ist nur mit einem höheren Budget möglich. Daher freue ich mich, dass es uns auch gelungen ist, das Verteidigungsbudget deutlich zu erhöhen – das Landesverteidigungsressort wird in den kommenden vier Jahren insgesamt 16 Milliarden Euro bekommen, das ist doppelt so viel wie bisher. Außerdem haben wir mit der Schaffung des Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetzes erstmals eine legistische Grundlage, die die Finanzierung des Verteidigungsbudgets für die nächsten zehn Jahre sichert. Damit stärken wir das Österreichische Bundesheer weit über die Legislaturperiode hinaus.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Natürlich wird das Militär auch nach 2032 Geld brauchen, um alle Aufgaben wirkungsvoll erfüllen zu können.
„Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif! Nur ein modernes und gut ausgestattetes Bundesheer kann unser Land verteidigen und all seine Aufgaben erfüllen.“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
Zu den Aufgaben gehört auch die Abwehr weitreichender Bedrohungen aus der Luft, wie sie nun mit einer Beteiligung Österreichs am geplanten europäischen Schutzschirm „Sky Shield” sichergestellt werden könnte. Für wie sinnvoll und wahrscheinlich erachten Sie eine Beteiligung Österreichs?
Tanner: Verfassungsrechtlich gibt es durchaus Möglichkeiten zu einer engeren Zusammenarbeit, wir haben dazu einige Gutachten eingeholt. Österreich hat bereits viele Kooperationen mit Deutschland, das ja die Initiative für „Sky Shield” übernommen hat. Es würde Sinn machen, auch Investitionen bei der Luftabwehr gemeinsam zu tätigen. Was die Finanzierung einer österreichischen Beteiligung anbelangt, so wären dafür allerdings zusätzliche Budgetmittel notwendig und so weit sind wir noch nicht.
Striedinger: Wir sind derzeit in der Lage, mit unserer Fliegerabwehr einen Einsatzflugplatz zu sichern oder eine Kaserne zu verteidigen. Gegen ballistische Raketen haben wir überhaupt keine Abwehrmittel. Das ist natürlich nicht befriedigend. Wir sind schließlich dazu da, das ganze Land zu schützen, da sind eine Kaserne oder ein Flugplatz nur Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen im Bereich der Fliegerabwehr also unbedingt etwas machen und deswegen ist diese Initiative eine große Chance und Gelegenheit, uns vor allem im Bereich weitreichender Systeme deutlich besser aufzustellen. Das ändert aber nichts daran, dass wir uns verstärkt auch um die Abwehr von Bedrohungen im nahen und mittleren Bereich kümmern müssen.
Das inkludiert auch die Abwehr von Drohnen?
Striedinger: Wir sehen jetzt in der Ukraine einmal mehr, welche Gefahr von Drohnen ausgeht und wie rasant in diesem Bereich Entwicklungen passieren. Dementsprechend breit wollen wir uns daher aufstellen und dabei ganz genau analysieren, welche Möglichkeiten technischer und organisatorischer Natur hier von anderen Streitkräften wahrgenommen werden, um gegebenenfalls auch in Kooperationen zu gehen oder in der Forschung zusammenzuarbeiten.
Österreich ist von NATO-Ländern umringt. Könnte man nicht darauf spekulieren, dass diese Länder bei anfliegenden Bedrohungen aktiv Gegenmaßnahmen ergreifen und Österreich schützen, auch ohne dass sich Österreich an „Sky Shield” beteiligt?
Striedinger: Natürlich könnte man darauf spekulieren, aber eine Garantie hätten wir nicht. Bei ballistischen Raketen lässt sich sehr schnell errechnen, wo sie voraussichtlich einschlagen werden. Sie kommen aus großer Höhe und wer garantiert uns, dass ein Land tatsächlich Abwehrmaßnahmen ergreift, wenn es vorausberechnen kann, dass die Rakete das eigene Staatsgebiet nur überfliegen und in Österreich einschlagen wird?
Frau Minister, Sie haben zuvor das deutliche Budgetplus für das Heer ab dem kommenden Jahr angesprochen. Wie soll dieses Geld konkret investiert werden?
Tanner: Wir können damit nun viele Investitionen tätigen, die jahrelang auf der Strecke geblieben sind. Unsere Mission lautet daher jetzt „Vorwärts!”, denn wir wollen unser Bundesheer moderner und einsatzfähiger gestalten. Wir haben dazu einen zehnjährigen Aufbauplan erstellt. Investitionsschwerpunkte darin sind vor allem die Bereiche „Mobilität der Einsatzkräfte”, „Schutz der Soldatinnen und Soldaten” mit der Beschaffung von moderner Ausrüstung, Waffen und Gerät und die „Autarkie zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft”. Dafür brauchen wir autarke Kasernen mit einem hohem Schutzgrad, ausreichenden Versorgungsgütern und hochwertiger Sanitätsversorgung. Die Energie für die Infrastruktur soll zu einem hohen Anteil selbst erzeugt werden können.
Lassen Sie uns auch noch detaillierter auf andere Schwerpunktbereiche blicken. Was soll sich beispielsweise im Bereich der Mobilität tun?
Striedinger: Da gibt es zwei große Teilbereiche: Der eine umfasst die gehärtete Mobilität, da werden wir zusätzlich weitere geschützte Fahrzeuge vom Husar über den Pandur bis zum Hägglunds beschaffen, um die Standfestigkeit unserer infanteristischen Truppen zu erhöhen und auf einem Gefechtsfeld einen gesicherten Transport zu ermöglichen. Der zweite Bereich betrifft den ungeschützten Transport, wo schon bald neue Lkw und Bergefahrzeuge beschafft werden.
Sie haben Husar und Pandur erwähnt. Geht es bei den geplanten Beschaffungen im Mobilitätsbereich primär um die Aufstockung bereits eingeführter Systeme oder ist auch denkbar, dass neue Systeme dazukommen?
Striedinger: Derzeit geht es um eine Aufstockung der Flotten, die wir haben. Aber wenn es etwas Neues auf dem Markt gibt, dann werden wir uns das anschauen. Wir haben beispielsweise immer noch keine verbindliche Lösung für die Pinzgauer-Nachfolge.
Wie sieht es mit dem Luft-Transportbereich aus? Gerüchteweise soll die Option auf weitere AW169-Hubschrauber gezogen werden und ist sogar die Beschaffung weiterer Black Hawk-Hubschrauber ein Thema (Anmerkung: Das Gespräch fand noch vor Bekanntgabe der Beschaffung weiterer AW169-Hubschrauber statt).
Striedinger: Wir haben zuletzt die G2G-Beschaffung des Leonardo-Hubschraubers AW169 eingeleitet und der Vertrag bietet glücklicherweise eine Option für weitere 18 Hubschrauber, die – wenn wir sie ziehen – zu denselben finanziellen Bedingungen geliefert werden. Da wir mit dem Typ nicht nur die Alouette III ersetzen wollen, sondern mittelfristig auch unsere OH-58, werden wir diese Option ziehen. Auch die AB212 ist bereits in die Jahre gekommen und muss noch dieses Jahrzehnt ersetzt werden. Dabei denken wir an eine entsprechende Aufstockung der Black Hawk-Flotte …
… über die bereits kommunizierten drei zusätzlichen Maschinen hinaus?
Striedinger: Genau. Mit den drei Maschinen, die sich bereits in Beschaffung befinden, komplettieren wir unsere neun Stück zur Staffel. Dazu wollen wir eine weitere Staffel beschaffen, um unter dem Strich über dieselben Luftkapazitäten wie jetzt zu verfügen. Wir haben dann aber deutlich moderneres Gerät, was eine höhere Einsatzbereitschaft und einen höheren Klarstand zur Folge haben sollte.
„Wir haben dann aber deutlich moderneres Gerät, was eine höhere Einsatzbereitschaft
und einen höheren Klarstand zur Folge haben sollte.“Generalstabschef Rudolf Striedinger
Das Heer soll abseits der Hubschrauber auch bei der Hercules-Nachfolge bereits sehr weit sein.
Tanner: Das ist richtig. Unsere C-130 erreichen noch innerhalb dieses Jahrzehnts ihr Lebensende, weshalb ich bereits vor Längerem eine Nachfolgeplanung beauftragt habe. Da befinden wir uns mittlerweile in der finalen Phase der Beurteilung und im Wesentlichen auch bereits der Entscheidung, welches Flugzeug nachfolgen soll.
Kommen wir zur aktiven Luftraumüberwachung: Wie soll es da weitergehen? Das Heer will ja weiter auf den Eurofighter setzen, oder?
Striedinger: Wir werden den Eurofighter definitiv weiterfliegen und gewisse Nachrüstungserfordernisse realisieren, um die Luftraumsicherung auch in der Nacht durchführen zu können.
Ist daneben die Einführung eines zweiten Kampfjet-Typs denkbar?
Striedinger: Das ist aus meiner Sicht nicht vorstellbar. Mit den aktuell gesetzten Schritten können wir den Eurofighter bis Mitte der 2030er-Jahre betreiben, wir werden trotzdem schon bald ausreichend damit beschäftigt sein, uns über einen Nachfolger Gedanken zu machen …
Könnte dabei der F-35 zum Thema werden?
Striedinger: Sehr viele Länder in unserer Nachbarschaft kaufen momentan dieses Flugzeug, was nicht bedeutet, dass wir das auch tun müssen. Unter dem Strich werden bei der Entscheidung viele Aspekte eine Rolle spielen – nicht zuletzt logistische und die Möglichkeit von internationalen Kooperationen bis hin zur möglichen gemeinsamen Beschaffung.
Wie steht es um neue Trainingsjets als Nachfolger für die vor zwei Jahren abgestellten Saab-105Ö und um die mögliche Beschaffung von Eurofighter-Zweisitzern, um die kostspielige Ausbildung von Piloten wieder verstärkt selbst abbilden zu können?
Striedinger: Die Entscheidung rund um die Saab-105Ö waren der damaligen finanziellen Situation geschuldet. Nachdem sich diese geändert hat, wäre es zweckmäßig, einen Nachfolger zu besorgen und die Ausbildung im Inland zu forcieren. Dabei schauen wir uns aktuell einen Advanced Jet Trainer an, mit dem wir einerseits unsere Ausbildungswünsche abdecken und andererseits das Segment im Bereich der Luftraumsicherung und -überwachung ergänzen könnten. Wenn wir die Ausbildung komplett machen wollen, würden wir zudem auch Doppelsitzer benötigen. Das ist ein offener Punkt, den wir in absehbarer Zeit entscheiden werden.
„Die Entscheidung rund um die Saab-105Ö waren der damaligen finanziellen Situation geschuldet. Nachdem sich diese geändert hat, wäre es zweckmäßig, einen Nachfolger zu besorgen.“
Generalstabschef Rudolf Striedinger
Ein großer Teil der Investitionen soll auch in die Miliz fließen. Was ist in diesem Bereich geplant?
Tanner: Mit dem 200-Millionen-Euro-Sonderinvestitions-Milizpaket wollen wir auch die Soldaten und Soldatinnen der Miliz wieder einsatzfähiger machen. Das Milizpaket bringt viele Verbesserungen in den Bereichen Bewaffnung, Ausrüstung und Mobilität. Außerdem soll die Miliz wieder mehr zum Üben kommen, das heißt die Ausbildungs- und Übungstätigkeit der Milizverbände generell soll verbessert werden. Ich habe daher vor Kurzem angewiesen, dass wir 2024 eine Großübung machen werden. Das Ziel der Übung „Schutzschild 2024” ist, die militärischen Kernfähigkeiten der Soldatinnen und Soldaten durch praktische Anwendung auf der gefechtstechnischen und taktischen Ebene zu festigen und außerdem die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu evaluieren und weiterzuentwickeln.
Wie steht es um den Bereich der schweren Waffensysteme Artillerie und Panzer?
Striedinger: Bei den Panzern haben wir die Entscheidung getroffen, dass alle unsere mechanisierten Fahrzeuge – also im Wesentlichen der Leopard und der Ulan – einer Modernisierung zugeführt werden, damit wir sie bis in die 2040er-Jahre hinein nützen können. Es gibt zudem Überlegungen, die Mechanisierung breiter auszulegen, also neben den Kampffahrzeugen auch Einsatz-, Feuer- und Kampfunterstützungsfahrzeuge zu sichern und zu härten, beispielsweise also einen Granatwerfer auf einem Kettenfahrzeug zu betreiben. Dafür könnten wir zusätzliche Panzer kaufen und damit die Flotte aufstocken, ohne die Anzahl der Verbände zu erhöhen.
Und bei der Artillerie?
Striedinger: Die Zahl unserer Geschütze ist aktuell überschaubar, wir denken aber trotzdem weniger an neue Systeme als vielmehr an den Ankauf intelligenter Munition. Davon braucht man geringere Stückzahlen, man hat weniger Kollateralschäden und trifft die Ziele, die man treffen will, besser. Das ist aber natürlich auch deutlich teurer.
Abseits von modernem Gerät fehlt es dem Heer in vielen Bereichen quantitativ und qualitativ an Personal. Wie soll dieser Bedarf mittel- bis langfristig gedeckt werden?
Tanner: Es hilft uns die beste materielle Ausstattung nichts, wenn wir das Personal nicht haben, um das Gerät zu bedienen. Daher wollen wir einerseits durch eine verstärkte Personalwerbung versuchen, gutes Personal zu gewinnen. Und andererseits durch verschiedene Anreize wie Prämien und höhere Gehälter sowie durch spannende Kooperationen wie die Finanzierung eines Medizinstudiums zur Gewinnung von Militärärzten.
Striedinger: Bei den Personalzugängen und -abgängen spüren wir die zuletzt durch die Pandemie und den laufenden sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz sehr hohen Belastungen unseres Systems Bundesheer. Dem wollen wir nun massiv entgegenwirken und wie von der Frau Ministerin angesprochen mit zahlreichen Maßnahmen attraktiver am Arbeitsmarkt auftreten und verstärkt auch um Frauen werben.
Wie ist das mit der „Umfassenden Landesverteidigung” (ULV), die jetzt immer wieder in den Medien erwähnt wird? Wozu brauchen wir die, wenn es ohnehin das Bundesheer gibt?
Tanner: Viele Bedrohungsszenarien liegen eigentlich zunächst im zivilen Bereich. Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit, wenn wir dagegen vorgehen wollen. Wir müssen in Österreich daher auch die ULV wiederbeleben.
Dabei geht es neben der „militärischen Landesverteidigung” auch um die „zivile Landesverteidigung”, die „geistige Landesverteidigung”, die „wirtschaftliche Landesverteidigung” und die „ökologische Landesverteidigung”.
Tanner: Genau. Die militärische Landesverteidigung kümmert sich um den Schutz der Neutralität und um die Verteidigung der Souveränität mit militärischen Mitteln. Bei der zivilen Landesverteidigung geht es zum Beispiel darum, die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen zu gewährleisten, bei der wirtschaftlichen Landesverteidigung geht es um den Erhalt der Leistungsfähigkeit und Vermeidung von Störungen der Wirtschaft, die Stabilisierung des Arbeitsmarktes oder um die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern.
„Die Umfassende Landesverteidigungs ist essenziell für die ganzheitliche Sicherheit sowie für die Stärkung der Resilienz unseres Staates.“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
Also Sicherheit auf allen Ebenen?
Tanner: Die ULV ist essenziell für die ganzheitliche Sicherheit sowie für die Stärkung der Resilienz unseres Staates. Wir müssen die ULV daher wieder mehr ins Zentrum rücken, denn sie endet nicht am Kasernenzaun, sondern dort beginnt sie erst! Sie muss in Schulen, in Unternehmen und sogar in Familien stattfinden, um ein Bewusstsein zu schaffen.
Werfen wir abschließend einen Blick in die Zukunft: Wie soll das Bundesheer am Ende des nun definierten Aufbauplans dastehen? Was soll das Bundesheer im Jahr 2032 können, was es heute nicht kann?
Tanner: Das Ziel ist es, dass das Österreichische Bundesheer als moderne Armee so gut ausgestattet ist, dass es den Szenarien und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts effektiv begegnen und seine Aufgaben zum Schutz und zur Sicherheit der Bevölkerung erfüllen kann.