Dieser Tage hat das Bundesheer das Teilsystem „Command and Control Post (CCP)” für das „Military Air Surveillance and Acquisition Radar System” (MARS) ausgeschrieben. Der Hintergrund: Im Lichte der internationalen militärischen Entwicklung ist das Bundesheer dabei, seine Goldhaube-Luftraumüberwachung massiv auszubauen.

Durch Medienberichte ist die Goldhaube gut bekannt. Es handelt sich dabei um das niemals stillstehende Herz der österreichischen Luftraumüberwachung, angesiedelt im Regierungsbunker, gut versteckt tief in den Salzburger Bergen. Selbst eine Atombombe könnte dem Standort kaum etwas anhaben.

©Militär Aktuell

Ganz anders sieht es bei den ebenso bekannten großen Radaranlagen aus. Fest montiert und freistehend hoch auf den Bergen, sind die riesigen Antennenanlagen nur schwer zu schützen.

Das zweite Standbein der Luftraumüberwachung sind mobile Anlagen. Beweglichkeit ist ein Teil ihres Schutzes, dass sie an geeigneten Standorten binnen Minuten den Betrieb aufnehmen und diese Positionen ebenso schnell wieder verlassen können, ebenso.

Doch während die großen ortsfesten Radaranlagen durch den Abschluss des Vorhabens „Upgrade Long Range Radar” (LRR) inklusive dem „Deployable Air Defence Radar” (DADR) im Jahr 2022 bereits auf modernsten Stand gebracht wurden, warten die mobilen Anlagen noch auf diese Erneuerung.

Die sechs Tieffliegererfassungsradargeräte (TER) wurden 1995 gemeinsam mit den fast baugleichen 16 Zielzuweisungsradargeräten (ZZR) und der Mistral-Fliegerabwehr-Lenkwaffe beschafft. Im Zuge einer zwischenzeitlichen Grundüberholung wurde auf 16 nunmehr als „Aufklärungs- und Zielzuweisungsradar” (AZR) bezeichnete Geräte reduziert. Sie stehen am Ende ihrer Lebensdauer und entsprechen in Auslegung und Technik nicht mehr dem Stand der Zeit.

AZR – ©Bundesheer
Das AZR 3D-Radarsystem dient zur Erfassung von Luftzielen sowie zur Führung und Koordination des Feuerkampfes.

Neue Geräte ausgeschrieben

Mit dieser Reduzierung ist es nun vorbei. Die Vielzahl an Luftzielen in den laufenden heißen und kalten Konflikten – Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg), Israel, Taiwan – erfordert ein viel besseres, vor allem dichteres Luftlagebild.

Bereits 2022 hat das Bundesheer vor diesem Hintergrund eine Informationseinholung bei der Industrie durchgeführt. Angefragt wurden Rundsichtradargeräte im mittleren Erfassungsbereich (MBR/MRR – Medium Range Radar) von zirka 150 Kilometer bis maximal rund 250 Kilometer, Short Range Radare (SRR) mit vorzugsweise feststehenden, jedoch elektronisch schwenkbaren Antennen mit Reichweiten zwischen 60 Kilometer bis etwa 100 Kilometer, sowie die Steuerung der Anlagen von abgesetzten, davon getrennten Containern, Verlegbarkeit und Einsatzreferenzen.

2024 begannen nun die Ausschreibungen. Im Frühsommer wurden insgesamt 22 verlegbare und mobile Kurzstrecken-Radarsysteme ausgeschrieben. Bis Februar werden nun Angebote für vier Führungsinformationcontainer (CCP – Command and Control Post) mit netzunabhängiger Stromversorgung, Schnittstellen zu Radar-Sensoren, Schnittstellen zu übergeordneten Systemen sowie zu anderen MARS CCPs und Tarnsystemen eingeholt (-> Zur Ausschreibung).

Interview mit Markus Kopp von Will-Burt Germany

Ziel: Keine blinden Flecken mehr

Wenn man bedenkt, dass der mittlere Erfassungsbereich (MBR/MRR) für die Luftraumüberwachung noch nicht ausgeschrieben wurde und die geplanten acht Mittelstrecken-Raketensysteme, die im Rahmen der European Sky Shield Initiative (-> Österreich ist der Sky Shield Initiative beigetreten) für die Luftraumverteidigung beschafft werden sollen, ebenfalls jeweils ein MBR/MRR-Radargerät benötigen, wird rasch klar, wie dicht künftig der Luftraum über Österreich überwacht wird.

Trotzdem ist die Auswahl der Systeme keine einfache Aufgabe. So ist das Giraffe ABM von Saab bereits in das britische Sky Sabre-Mittelstrecken-Raketensystem mit der CAMM-Lenkwaffe integriert. Das Leonardo Kronos Grand Mobile HP steht in Italien mit dem SAMP/T-Mittelstrecken-Raketensystem in Verwendung. Das deutsche Hensoldt TRML-4D ist Teil des IRIS-T-Lenkwaffensystems mittlerer Reichweite von Diehl Defence. Das Ground Master 200 Radar von Thales (-> Zu Besuch in der größten Radarfabrik Europas) wird in den Niederlanden mit dem NASAMS Mittelstrecken-Raketensystem von Kongsberg in Dienst gestellt.

Als wäre das nicht genug, sind einige Radarsysteme auch als Multimissions-Systeme klassifiziert. Sie liefern nicht nur Daten für die Flugabwehr, sondern können in Zusammenarbeit mit der Artillerie auch gegnerische Geschütze und Granatwerferstandorte für das sogenannte „Counter-Battery”-Gegenfeuer lokalisieren – ein Beispiel dafür ist das Saab Giraffe A4. Der schwedische Konzern hat erst kürzlich von BAE Systems einen Auftrag zur Unterstützung der US-Luftstreitkräfte in Europa (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte) mit mehrere Giraffe 4A-Radarsysteme erhalten

Es liegt auf der Hand, dass durch die Zusammenarbeit mit Partnern und den hochgerechneten Eigenbedarf für die verschiedenen Teilbereiche schnell Skaleneffekte sowie logistische und Kostenvorteile erzielt werden können. Allerdings bringt die Integration neuer Radar-Lenkwaffen-Kombinationen auch entsprechende Integrationskosten mit sich – die unvermeidliche Kehrseite der Medaille.

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In Zukunft kommt die totale Vernetzung

Die wohl größte Herausforderung besteht letztlich darin, all diese Elemente in ein umfassendes Lagebild zu integrieren. Dies erfordert den ständigen Austausch der erfassten Kontaktdaten in Form von Datensätzen, sodass jeder Teilbereich die für seine jeweilige Aufgabe relevanten Informationen aus einer zentralen Datenwolke abrufen kann.

Zu diesen Elementen zählen die drei ortsfesten Langstrecken-Radaranlagen, eine verlegbare Langstrecken-Radaranlage vom Typ RAT-31DL/M, die künftigen Mittelstrecken-Radargeräte zur Luftraumüberwachung, die Mittelstrecken-Raketensysteme sowie die 22 im Juli ausgeschriebenen Kurzstrecken-Radarsysteme.

Nicht zu vergessen sind die sieben taktischen Einheiten des Rheinmetall Skyguard Next Generation 35-Millimeter-Fliegerabwehr-Kanonensystems, die das Bundesheer im Dezember 2023 bestellt hat (-> Das Bundesheer modernisiert seine Fliegerabwehr). Diese Systeme sind jeweils mit Multisensoreinheiten (Radar, Optik, Infrarot) ausgestattet, die eine präzise Zielerfassung, -identifikation und -verfolgung im Kurzstreckenbereich ermöglichen.

Auch die 36 Pandur Evolution-Radpanzer von General Dynamics European Land Systems-Steyr (GEDLS), die mit dem Rheinmetall Skyranger-Turm (-> Das Bundesheer setzt auf Skyranger-Türme) ausgestattet werden, tragen zur Verdichtung des Luftlagebilds bei. Diese Systeme sind mit denselben Multisensoreinheiten versehen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Luftüberwachung.

Skyranger-Fliegerabwehrturm auf Pandur Evolution – ©Martin Rosenkranz

Der Eurofighter, der sowohl Lieferant als auch Empfänger von Sensordaten ist, ist längst mit der Goldhaube verknüpft. Auch beim geplanten neuen Advance Jet Trainer ist die Fähigkeit, Sensoren zu integrieren und Daten auszutauschen, als zwingende Anforderung im Pflichtenheft festgelegt. Der fertige Vertrag ist zwar noch ausständig, das Verteidigungsministerium prüft aber seit Ende August ein italienisches Angebot zum Kauf von M-346FA von Hersteller Leonardo.

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Quelle©Bundesheer, Martin Rosenkranz, Thales, Hensoldt