Das technisch wie inhaltlich äußerst anspruchsvolle und reich bebilderte Fachbuch „Die PS-Schlacht des Zweiten Weltkriegs” von Autor Calum E. Douglas sorgt in Luftfahrtkreisen schon seit längerer Zeit für Aufsehen. Im Mittelpunkt steht das weitgehend unbekannte, aber entscheidende Wettrennen um die leistungsstärksten Kolbenmotoren für Jagdflugzeuge während der Jahre 1939 bis 1945 – ein Wettstreit, der maßgeblich den Verlauf des Zweiten Weltkriegs beeinflusste.
Im Verborgenen entwickelten deutsche und alliierte Ingenieure mit Hochdruck neue Triebwerke, deren Leistungsfähigkeit über den Ausgang der Luftkämpfe entscheiden sollte. Die Protagonisten – vielfach persönlich miteinander bekannt aus Vorkriegsmessen und Fachvorträgen – standen im ständigen technischen Wettbewerb, begleitet von intensiver geheimdienstlicher Tätigkeit auf beiden Seiten.

Obwohl bereits erste Düsentriebwerke entwickelt wurden, wurden alle strategisch relevanten Luftschlachten dieses globalen Konflikts mit Kolbenmotorflugzeugen ausgetragen. Wer die stärkeren, zuverlässigeren Triebwerke besaß, sicherte sich die Luftüberlegenheit – und beeinflusste damit entscheidend den weiteren Verlauf des Krieges.
Der Autor Calum E. Douglas
Dieses Buch erzählt erstmals die bislang unbekannte Geschichte eines Hightech-Wettlaufs, der hinter verschlossenen Türen von Konstruktionsbüros und Geheimdiensten stattfand – mit dem Ziel, den leistungsfähigsten Kolbenmotor des Zweiten Weltkriegs zu entwickeln.
Die Auseinandersetzung mit den außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die diesen Wettstreit prägten, verdeutlicht nicht nur die zentrale Rolle der ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenforschung, sondern zeigt auch, wie Forschung betrieben werden kann – und wie nicht. Gleichzeitig liefert das Werk neue, tiefgreifende Einblicke in den Luftkrieg über Europa und erweitert unser heutiges Verständnis dieses zentralen Aspekts des Zweiten Weltkriegs.

Basierend auf jahrelanger Recherche in internationalen Archiven und bislang unveröffentlichten Erinnerungen von Flugzeugkonstrukteuren zeichnet Calum E. Douglas – gelernter britischer Schweißer, Gießer und später Formel-1-Ingenieur – auf 496 Seiten das faszinierende Porträt eines erbitterten Wettstreits, der mal den Alliierten, mal der Achsenseite einen entscheidenden Vorsprung verschaffte.
Illustriert wird das Werk durch zahlreiche technische Zeichnungen, Diagramme und originale Fotografien, die das Geschehen nicht nur dokumentieren, sondern greifbar machen.
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Douglas dazu im Vorwort: „Die Hauptpersonen dieser Geschichte sind schon lange verstorben. Ausgleichend durfte ich jedoch Karl Kollmann in seinem Haus in Stuttgart interviewen. Als Sohn von Professor Karl Kollmann sen. († 1988) bewahrt er alle technischen Unterlagen seines Vaters, der Leiter der Konstruktionsabteilung bei Daimler-Benz war, sorgfältig auf. Ich erhielt Zugang zu diesen Dokumenten, um bislang unveröffentlichte Daten über die Daimler-Benz-Motorenprogramme und die Kompressor-Entwicklung einsehen zu können. Besonders nützlich waren die Memoiren seines Vaters, in denen er systematisch sein gesamtes Wissen über die Entwicklung von Kompressoren während des Krieges festgehalten hat. Niemand hat sich seither wissenschaftlich oder medial damit beschäftigt! Ohne diese Dokumente hätte ich nicht einmal versucht, dieses Buch zu schreiben.”
Der Autor weiter: „Ich bin auch dem Chef-Motorenmechaniker der Messerschmitt-Stiftung, Herrn Siegfried Knoll, zu Dank verpflichtet. Er erlaubte mir, sein Haus zu besuchen und nicht nur originale Kompressor-Komponenten zu fotografieren, sondern stellte mir zudem eine originale Daimler-Benz-Kupplung für den Kompressorantrieb zu Studienzwecken zur Verfügung – zusätzlich zu Kopien der originalen Benz-Motorhandbücher. Siegfried gehörte auch zu den wenigen, die die Messerschmitt Bf 109 G selbst geflogen haben. Dementsprechend war sein Rat unbezahlbar. Während der Arbeit an diesem Buch ist Herr Knoll leider verstorben.”
Leseproben:
MAP: „Bald werden wir einen Schrei nach Mustangs anstelle von Spitfire IXs haben!”
Bereits am 1. Juni 1942 hatten die Briten korrekt prognostiziert, dass die Höchstgeschwindigkeit der P-51 Mustang von 595 auf 692 km/h steigen würde, wenn man den Allison-V-1710-Motor durch den Merlin 61 ersetzte. Tatsächlich war das Ergebnis noch erstaunlicher: Die Mustang mit einem Merlin 61 war in 7.620 Metern Höhe fast 160 km/h schneller als mit dem Allison-V-1710-Motor.

Wenn dies für die Firma Allison bereits peinlich war, so galt das in gleichem Maße auch für Supermarine – denn bis zu einer Höhe von 9.100 Meter war die Mustang konstant 40 km/h schneller als die neue Mk. IX Spitfire.

Der Ruf von Rolls-Royce und des Merlin 61 erreichte einen historischen Höhepunkt. Das Triebwerk hatte die Leistung zweier der wichtigsten Jagdflugzeuge der Alliierten innerhalb eines Jahres grundlegend verändert. Zwischen dem MAP (Ministerium für Flugzeugproduktion, Anm.), dem RAE in Farnborough und der Firma North American kursierte eine Flut von Briefen und chiffrierten Nachrichten: Gab es einen Fehler? Ein Messfehler? Es konnte doch nicht sein, dass die Spitfire IX rundum geschlagen worden war. Doch es lag kein Fehler vor – und für den Rest des Krieges war die P-51 Mustang das beste alliierte Höhenjagdflugzeug in Bezug auf Reichweite und Geschwindigkeit.
Die Konzeption der Mustang und ihre daraus resultierende Leistung waren so herausragend, dass ihre Geschichte im Jahr 2010 vom US-Militär als offizielle Fallstudie zur Veranschaulichung erfolgreicher Beschaffungsstrategien künftiger Kampfflugzeuge herangezogen wurde.
Deutschland: „Das ist eine Katastrophe!”
Ein Mangel an hochwertigen Rohstoffen und Metallen belastete die exzellenten deutschen Motorenbauer zunehmend. So verursachten etwa nickelarme Ventile latente Klopfprobleme und führten zu einem Zielkonflikt aus steigender Leistung bei gleichzeitig sinkender Lebensdauer. Eine starke Verchromung – wie auf alliierter Seite, etwa beim Merlin – wäre die einzig richtige Lösung gewesen. Dies bestätigte auch die RLM-Sitzung vom 16. Mai 1942 unter Leitung von Generalluftzeugmeister Milch: „Das Triebwerk DB 605 hat in der Erprobung mit den Serienmotoren eine sehr ungenügende Betriebssicherheit ergeben. Die Herabsetzung des Nickelgehalts der Ventile von 15 Prozent auf 8 Prozent verursacht ein Durchbrennen der Kolben. Ein sofortiges Zurückgehen auf den alten Werkstoff ist zurzeit nicht möglich. Zwar sind seit April 1942 stärkere Kolben in die Serie eingeführt worden, die Leistung des Motors wird aber zunächst so weit begrenzt, dass die Me 109 G bis zur Volldruckhöhe die Leistung der Me 109 F-4 hat. Das ist eine Katastrophe!”

Das bedeutete nichts weniger, als dass die neue Me 109 G nur die gleiche Leistung hatte wie das Vorgängermodell Me 109 F. Die Auswirkungen dieses metallurgischen Rückschlags auf die operative Leistungsfähigkeit waren militärisch dramatisch – und zerstörten die Hoffnungen der Luftwaffe, technologische Vorteile im Luftkampf aufrechterhalten zu können.
Ein Beispiel für gewonnene Erkenntnisse aus den Recherchen des Autors:
Mit dem Selbstmord des Generalstabschefs der Luftwaffe Hans Jeschonnek (nach dem ersten schweren britischen Luftangriff auf Peenemünde in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943) und der Entlassung von Wolfram Eisenlohr als Generalingenieur bestand zumindest theoretisch die Chance auf einen Neuanfang in der deutschen Flugmotorenentwicklung und -produktion – doch es war eigentlich bereits zu spät.
Deutschlands beste verbleibende Chance wäre gewesen, sämtliche Anstrengungen auf die Weiterentwicklung des Jumo 213 zu konzentrieren. Doch schon die Entscheidung, in den späten 1930er-Jahren einen völlig neuen Motor mit 1.750 PS zu entwickeln und dabei trotzdem die Dreiventilanordnung beizubehalten, war rückblickend problematisch.

Die Daimler-Benz-Motoren (DB) waren besonders anfällig für minderwertige Materialien, Kraftstoffe und Öle. Im Gegensatz dazu hatte Jumo als erstes Unternehmen weltweit Systeme wie Kurbelwellennase-Ölzufuhr, Ölzentrifuge und Druckkühlung serienreif entwickelt.
Zwar nutzten Jumo- und DB-Motoren das gleiche Kühlkonzept – ein langes Rohr über die gesamte Motorgehäuselänge, das die einzelnen Kammern über Düsen mit Kühlflüssigkeit versorgt, ergänzt durch einen Sekundärstrom, der durch die Zylinderwände fließt. Doch der bei Jumo verwendete höhere Wasserdruck trug entscheidend dazu bei, dass das Kühlmittel in den Zylinderköpfen nicht verdampfte – ein Problem, das Daimler-Benz ebenfalls hätte vermeiden können.
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