Der Zweite Weltkrieg war der erste militärische Konflikt der Neuzeit, in dem Panzer als eigenständige Waffengattung eingesetzt wurden und eine neue Art der Kriegsführung etablierten – vor allem auf deutscher Seite. Denn die militärische Führung Deutschlands hatte das große Potenzial dieser neuen Waffengattung erkannt. Die Nazi-Propagandamaschinerie schaltete ebenfalls schnell und missbrauchte erfolgreiche Panzerkommandanten oder Richtschützen für ihre Berichterstattung. Bekannte Beispiele dafür sind unter anderem die Ritterkreuzträger Otto Carius (rund 150 bestätigte Abschüsse gegnerischer Panzer), der den Krieg überlebte und bis ins hohe Alter als Apotheker arbeitete, sowie der am 8. August 1944 in der Normandie gefallene Michael Wittmann (knapp 140 bestätigte zerstörte Feindpanzer).
Doch der erfolgreichste Panzersoldat der Welt war kein Offizier. Er erhielt vom verbrecherischen Nazi-Regime auch niemals besonders hohe Auszeichnungen. Denn sowohl dem Militarismus als auch den Nazi-Verbrechern stand er kritisch gegenüber. Er war der sprichwörtliche „Schütze Arsch”, der den Krieg einfach nur irgendwie überleben wollte – und doch kurz vor dessen Ende nahe seines Heimatdorfes ums Leben kam. Erst 2013 entdeckten tschechische Historiker sein Feldgrab. Militär Aktuell beleuchtet die tragische Geschichte von Feldwebel Kurt Knispel, der einer altösterreichischen deutsch-mährischen Familie entstammte.

Die Familie von Kurt Knispel lebte in Salisfeld (Tschechisch: Salisov), einem Ortsteil von Zuckmantel (Tschechisch: Zlaté Hory), in Nordostmähren, genauer gesagt in der Region Olmütz (Tschechisch: Olomoucký kraj). Bis zum Zerfall der k.u.k. Monarchie mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 waren die Knispels folglich österreichische Staatsbürger. Die wirtschaftlichen Zeiten waren schwer, die Armut vieler Menschen groß, die Kindersterblichkeit hoch.
Kurt Knispel erblickte drei Jahre nach dem Ende von Österreich-Ungarn, am 20. September 1921, in Salisfeld das Licht der Welt. Zu diesem Zeitpunkt gehörten Böhmen und Mähren bereits zur 1918 neu gegründeten Ersten Tschechoslowakischen Republik, in der rund 3,7 Millionen Altösterreicher deutscher Muttersprache lebten. Diese sogenannten Sudetendeutschen bildeten mit 28 Prozent Bevölkerungsanteil in dem neuen Vielvölkerstaat nach den Tschechen (48 Prozent) die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe, noch vor den Slowaken (14 Prozent). Erster Präsident der Tschechoslowakei war übrigens Tomáš Garrigue Masaryk, von dem einige Historiker glauben, dass er ein unehelicher Sohn des österreichischen Kaisers Franz Joseph war. Eine DNA-Analyse sollte 2017 Klarheit darüber schaffen, doch in letzter Sekunde wurde die Genanalyse von Masaryks Urenkelin Charlotta Kotík verweigert.
Über Kindheit und Jugend von Kurt Knispel ist leider nur wenig bekannt. Er besuchte die Volksschule und, soviel weiß man, liebte die Natur, pflanzte sogar stolz ein eigenes Bäumchen. Das ist überliefert. Als Teenager absolvierte der Bursche eine technische Lehre in einer Autofabrik, war mit seinem Beruf jedoch, so heißt es, nicht besonders zufrieden. Als sich die politische Lage in Europa zuspitzte und Nazi-Deutschland zunächst auf Grundlage des Münchner Abkommens ins Sudetenland (siehe auch das Buch: „Von Reichenberg bis Sydney – Erinnerungen eines Altösterreichers aus Böhmen an Krieg und Frieden”) einmarschierte und später die sogenannte „Rest-Tschechei” okkupierte (der slowakische Teil der Tschechoslowakei blieb formal ein eigener Staat, die dortige Regierung war jedoch nur eine Marionette des Nazi-Regimes in Berlin), war Knispel gerade 17 Jahre alt und wurde als Deutscher automatisch formal vom tschechoslowakischen zum deutschen Staatsbürger.
Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen und entfachte damit den Flächenbrand des Zweiten Weltkriegs. Noch war die Welt für den kurz darauf seinen 18. Geburtstag feiernden Kurt Knispel in Ordnung, er konnte sein Leben als Zivilist genießen. Doch der fortdauernde Eroberungskrieg von Nazi-Deutschland brachte es mit sich, dass die Wehrmacht immer neue Soldaten brauchte – und so erhielt auch Kurt Knispel am 6. September 1940, rund zwei Wochen vor seinem 19. Geburtstag, die Einberufung zum Militär. Da Knispel einen technischen Beruf erlernt hatte und für einen Mann eher klein war (etwa 165 Zentimeter), war er geradezu prädestiniert für den Einsatz bei der Panzerwaffe.
Er trat seinen Dienst bei der 4. Kompanie der Panzerersatz- und Ausbildungsabteilung 15 in Sagan an, wo er die Grundausbildung für Panzersoldaten am Panzerkampfwagen 1 durchlief, der zu diesem Zeitpunkt bereits als veraltet galt. Danach folgte die Schulung als Richtschütze. Im November 1940 wurde der 19-jährige Knispel zur 3. Kompanie des der 12. Panzer-Division unterstellten Panzerregiments 29 versetzt und dort sowohl als Lade- als auch als Richtschütze auf dem Panzer IV ausgebildet. Der Panzer IV, von dem insgesamt mehr als 8.500 Stück produziert wurden, war der Standardpanzer der Wehrmacht. Zu diesem Zeitpunkt bemerkten die Instruktoren erstmals auch, dass Knispel ein besonderes Gespür für Entfernungen hatte und sie sehr gut abschätzen konnte.
Nach der Ausbildung wurde es dann ernst. Knispels Abteilung nahm am deutschen Überfall auf die Sowjetunion teil. Während der Gegenoffensive der Roten Armee im Winter 1941/42 erlitt Knispels Division schwere Verluste und wurde nach Estland abgezogen, um aufgefrischt zu werden. Bei den Kämpfen bewährte sich Knispel, dem es als Richtschütze gelang, zahlreiche russische Panzer, Geschütze und Kraftfahrzeuge auszuschalten – womit er sein eigenes Überleben und das seiner Kameraden im Panzer sichern konnte. Für seine militärischen Verdienste erhielt Kurt Knispel am 4. November 1941 außerdem das Eiserne Kreuz II. Klasse, im Soldatenjargon salopp „EK zwo” genannt.

Im Frühjahr 1942 verlegte seine Einheit nach einigen Quellen nach Deutschland, um mit der neuen Version F2 des Panzers IV ausgerüstet zu werden. Andere Unterlagen sprechen davon, dass sie in diesem Zeitraum in Russland im Einsatz war. Fest steht: Ab August nahm Knispel als Angehöriger der III. Abteilung des Panzer-Regiments 4 der 13. Panzer-Division an der als „Fall Blau” bezeichneten Ende Juni begonnenen deutschen Sommeroffensive an der Ostfront teil. Die Operation wurde primär auf Woronesch angesetzt. Später zog sie sich über den Sewerski Donez bis zum Don-Bogen. Ihren Höhepunkt erreichte sie Mitte September 1942 mit dem deutschen Vorstoß in den Kaukasus und bis zur unteren Wolga.
Seine überragende Fähigkeit, Entfernungen enorm präzise einschätzen zu können, trat bei diesen Kämpfen abermals zu Tage und machte Knispel geradezu zum „Scharfschützen” unter den Panzermännern, der innerhalb kurzer Zeit zwölf sowjetische Panzer zerstören konnte. Etliche Abschüsse sollen ihm auf eine Entfernung von drei Kilometern gelungen sein. Es folgte die Beförderubng zum Obergefreiten – ein höherer Dienstgrad war auch mit mehr Sold verbunden.
Knispel wurde von seinen Kameraden als „selbstlos”, sinngemäß als „guter Kumpel” und als jemand „auf den man sich immer verlassen kann” beschrieben. Gleichzeitig hielt er, soweit aus den vorhandenen Unterlagen über ihn ersichtlich ist, nicht viel von militärischer Ordnung und der Nazi-Ideologie. Er trug für einen Soldaten ungewöhnlich langes Haar, war oft unrasiert und auch der optische Zustand seiner Uniform war ein sprichwörtlicher Graus für viele Offiziere. Lautstarke Diskussionen mit höheren Dienstgraden wegen seines flapsigen Auftretens und seines disziplinlosen Erscheinungsbildes sollen an der Tagesordnung gewesen sein. Mehrmals bewahrten ihn nur wohlwollende unmittelbare Vorgesetzte vor einem Kriegsgerichtsverfahren, die angesichts der Erfolge von Knispel beide Augen zudrückten und über sein Auftreten hinwegsahen.
Knispel war ohne Zweifel ein Nonkonformist, der bestimmt lieber daheim in Mähren durch die Natur gestreift wäre, als im Dienste eines kriminellen Regimes jeden Tag dem Tod ins Auge blicken und ums eigene Überleben kämpfen zu müssen. Der deutsche Journalist Florian Stark von der linksliberalen „Zeit” schrieb über ihn einmal: „Mit seinem zerknautschtem Hemd, seinem Ziegenbärtchen und seinem langen Haar wirkte Kurt Knispel eher wie ein Hippie, der es irgendwie nicht geschafft hatte, Ende der 1970er-Jahre die Prüfung zur Wehrdienstverweigerung zu bestehen. Aber diese Alternative gab es zu seiner Zeit gar nicht.” Eine ziemlich zutreffende Beschreibung. Viele Fotos zeigen Knispel als Inbegriff eines abgekämpften „Frontschweins”.
In Krakau verprügelte Knipsel einmal einen Nazi als er sah, wie der SS-Mann einen wehrlosen Mann (manche Quellen sprechen von einem KZ-Häftling, andere von einem sowjetischen Kriegsgefangenen) misshandelte. Das hätte schwerwiegende kriegsgerichtliche Konsequenzen bis zur Todesstrafe für Knispel haben können, doch seine Vorgesetzten verweigerten seine Herausgabe an die wutentbrannten SS-Schergen. Eines von mehreren Beispielen für Knispels eigenwilligen Charakter, der offenbar auch von einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn geprägt war.
Mit seinem aktenkundigen auffällig „unsoldatischen” Verhalten hatte sich Knispel allerdings jede Aussicht auf eine Offizierslaufbahn verbaut. Während andere ebenfalls militärisch erfolgreiche Panzersoldaten wie Michael Wittmann oder Otto Carius die Karriereleiter innerhalb des Militärs hinaufstiegen, bald Offizier wurden und Auszeichnung um Auszeichnung erhielten, blieb Knispel stets ein einfacher Soldat. Angeblich (hier widersprechen sich die verfügbaren Dokumente) sollen seine Vorgesetzten Knispel insgesamt viermal für das Ritterkreuz, eine der höchsten deutschen Auszeichnungen, vorgeschlagen haben – die Nazi-Führung habe es ihm allerdings immer verweigert, was Knipsel selbst wohl ziemlich egal gewesen sein dürfte, ebenso wie sein niederer Dienstgrad.
Während die meisten Soldaten, die längere Zeit an der Front dienten mehrfach und zum Teil schwerst verwundet wurden, blieb Knispel das Glück während all der Jahre im Kampf hold. Kein einziges Mal erlitt er bei Gefechten eine Verletzung, die einen stationären Krankenhausaufenthalt erforderlich gemacht hätte. Trotzdem musste er im November 1942 länger ins Lazarett – allerdings wegen einer Erkrankung.

Nach seiner Genesung schulte Knispel als Richtschütze auf den neuen Panzerkampfwagen VI, den legendären und bei den Gegnern gefürchteten „Tiger”, um. Ab April 1943 kämpfte er in der 1. Kompanie der Schweren Panzer-Abteilung 503 an der Ostfront in Südrussland. Während des Unternehmens Zitadelle schoss Knispel im Kursker Bogen nicht weniger als 27 Panzer der Roten Armee ab. Dafür wurde ihm am 24. Juli 1943 das Eiserne Kreuz I. Klasse („EK eins”) verliehen, das an der linken Brustseite der Uniformbluse zu tragen war – und durch den 1977 gedrehten Film „Steiner – das Eiserne Kreuz” mit James Coburn als „Feldwebel Steiner” international bei einem breiten Publikum Bekanntheit erlangte. Auch in der Folgezeit stand Knispel mit seinen Kameraden weiter im Fronteinsatz.
Im Frühjahr 1944 zerstörte Knispel seinen 100. Feindpanzer, eine Zahl, die bis dahin weltweit nur wenige andere Panzersoldaten erreicht hatten. Am 25. April 1944 wurde sein Name daher sogar im Wehrmachtsbericht erwähnt: „Der Unteroffizier Knispel in einer schweren Panzerabteilung im Osten schoß in der Zeit von Juli 1942 bis März 1944 101 Panzer ab.” Es sollte das einzige Mal bleiben, dass die Nazi-Propaganda den Namen des bei der Führung so unbeliebten Soldaten für ihre Zwecke nutzte. Denn es ist auch bezeichnend, dass Nazi-Propagandaminister Josef Goebbels zwar andere erfolgreiche Soldaten in seinen Aufzeichnungen lobend erwähnte, über Kurt Knispel jedoch kein Wort verlor.
Im Juni des gleichen Jahres erhielt der kampferfahrene Knispel das Kommando über einen brandneuen Panzerkampfwagen VI Tiger II, besser bekannt als Königstiger. Der Königstiger war zwar technisch betrachtet ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, mit einem Preis von über 300.000 Reichsmark jedoch ausgesprochen teuer und aufwendig in der Produktion sowie der Instandhaltung. Von November 1943 bis März 1945 wurden daher nur knapp 500 Exemplare des Tiger II gebaut. Das britische Panzermuseum in Bovington schreibt über den Königstiger auf seiner Homepage dennoch: „Obwohl der Tiger II zahlenmäßig unterlegen und aufgrund seiner Größe und seines Gewichts anfällig für mechanische und Probleme bei der Mobilität war, machte ihn die Kombination aus verheerender Feuerkraft und dicker schräger Panzerung in den seltenen Fällen, in denen er auf dem Schlachtfeld anzutreffen war, zu einem ernstzunehmenden Gegner für die alliierten Streitkräfte.” Das Panzermuseum Bovington besitzt außerdem den weltweit einzigen fahrtauglichen Tiger I. Dieser Tiger I wurde sogar für die Dreharbeiten des 2014 erschienenen Kriegsfilms „Herz aus Stahl” mit Brad Pitt genutzt.
Doch zurück zu Kurt Knispel. Über seinen Einsatz als Kommandant des Königstigers gibt es unterschiedliche Angaben. Laut den Unterlagen der „Deutschen Dienststelle WASt” war Knispels Einheit (die 1. Kompanie der Panzer-Abteilung 503) weiterhin an der Ostfront im Einsatz, während Thomas Hauser in seinem Beitrag „Feldwebel Kurt Knispel. Der Unbequeme. Militär & Geschichte Nr. 5, 2022” schreibt, dass Knispel im Sommer 1944 an der Westfront gegen die Alliierten kämpfte. Gesichert ist jedenfalls, dass die Einheit im Dezember 1944 in das Panzer-Korps „Feldherrnhalle” eingegliedert wurde und im Jänner/Februar 1945 an den schweren Rückzugsgefechten der Wehrmacht in Ungarn und der Slowakei teilnahm.
Einer seiner Vorgesetzten, Alfred Rubbel – selbst mit etwa 60 bestätigten Panzerabschüssen im Zweiten Weltkrieg –, der es später in der westdeutschen Bundeswehr bis zum Oberstleutnant brachte, beschrieb Knispel als einen Mann, der auch in scheinbar aussichtslosen Situationen niemals aufgab.
Irgendwann im April 1945 (laut „Deutscher Dienststelle WASt” ist kein exaktes Datum bekannt, in anderen Quellen wird dagegen mehrfach der 27. April 1945 als Beförderungszeitpunkt genannt) wurde Kurt Knispel noch vom Obergefreiten zum Feldwebel befördert. Zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Verbände an allen Fronten auf dem Rückzug, viele Soldaten kämpften nur noch ums nackte Überleben. Kurt Knispels Königstiger und einige weitere Panzer standen nun in Südmähren, genauer gesagt in der Region Znaim (Tschechisch: Znojmo), heute bekannt für ihre guten Weine und die wunderschöne Natur.
Am 28. April 1945 traf Knispel bei Wostitz (Tschechisch: Vlasatice), etwa 14 Kilometer von der heutigen österreichischen Grenze entfernt, auf Panzer der Roten Armee. Die genauen Todesumstände sind nicht exakt geklärt, es gilt jedoch nach den vorliegenden Augenzeugenberichten und den forensischen Befunden an seinen sterblichen Überresten als sehr wahrscheinlich, dass Feldwebel Kurt Knispel zunächst von russischen MG-Geschossen in die Brust getroffen wurde, als er in der offenen Kommandantenluke seines Königstigers stand. Er sackte sofort mit schmerzerfülltem Gesicht zusammen. Kameraden bargen den blutüberströmten Knispel inmitten des Gefechts aus dem Panzer, während rundherum die MG-Salven hallten, der Geruch von Pulverdampf in der Luft lag und gleichzeitig ständig weitere Granaten explodierten, deren Splitter für die Soldaten eine tödliche Gefahr darstellten.
Eines dieser Schrapnelle war es dann auch, von dem Kurt Knispel, nach den bereits zugefügten Schussverletzungen durch MG-Feuer, schwer getroffen wurde. Seinen Männern gelang es zwar noch, den beliebten Kameraden in ein provisorisches Feldlazarett ins knapp 40 Kilometer entfernte Urbau (Tschechisch: Vrbovec) zu transportieren, doch es war zu spät. In diesem in der 1906/1907 erbauten Volksschule eingerichteten Notspital vis a vis der malerischen Pfarrkirche Johannes’ Enthauptung wurde Knispel offiziell für tot erklärt und danach gemeinsam mit anderen tödlich verwundeten deutschen Soldaten in einem Feldgrab nahe dem regulären Friedhof des Ortes beigesetzt. Er wurde nur 23 Jahre alt und starb gerade einmal rund 240 Kilometer von seinem Geburtsdorf entfernt.

Bis zu seinem Tod hatte Kurt Knispel 168 bestätigte Abschüsse gegnerischer Panzer – 126 davon als Richtschütze, 42 als Kommandant. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch noch deutlich höher bei etwa 200 gelegen haben, denn überlebende Veteranen sagten später aus, dass er einige seiner eigenen Abschüsse jüngeren Kameraden gutgeschrieben habe, um deren Selbstvertrauen zu stärken.
Nur wenige Tage nach dem Tod von Knispel, am 7. Mai 1945, endete der Krieg in Europa. Das Feldgrab von Kurt Knispel sowie die letzten Ruhestätten vieler deutschen Soldaten auf dem Gebiet der Tschechoslowakei gerieten in Vergessenheit, wurden in der Folgezeit teilweise vorsätzlich zerstört. Denn die neue tschechoslowakische Regierung unter Edvard Beneš nutzte die Gunst des Sieges über Nazi-Deutschland und die Befreiung ihres Landes um ihre schon seit 1918 existierende Pläne zur Vertreibung aller deutschsprachigen Altösterreicher aus Böhmen und Mähren in die Tat umzusetzen. „Werft die Deutschen aus ihren Wohnungen und macht den unsrigen Platz! Alle Deutschen müssen verschwinden! Was wir im Jahre 1918 schon durchführen wollten, erledigen wir jetzt! Damals schon wollten wir alle Deutschen abschieben. Deutschland war aber noch nicht vernichtet und England hielt uns die Hände, jetzt aber muss alles erledigt werden!”, brüllte Beneš am 3. Juni 1945 beispielsweise in der südböhmischen Stadt Tábor einer frenetisch jubelnden Menge zu. Von den in die Tat umgesetzten Vertreibungsphantasien des nationalistischen Beneš war übrigens auch die ungarische Minderheit in der Tschechoslowakei betroffen. 2013 sagte der damalige tschechische Präsidentschaftskandidat Karel Schwarzenberg (1937-2023) öffentlich, dass Beneš sich nach modernen Maßstäben für seine damaligen Taten heute wohl vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten müsste.

Zwischen 1945 und 1946 wurden rund drei Millionen der sogenannten Sudetendeutschen entschädigungslos enteignet und anschließend teils brutal aus der Tschechoslowakei vertrieben. Laut Angaben der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich verloren dabei 241.000 Menschen, zumeist Alte, Frauen und Kinder, ihr Leben durch Misshandlungen, Hunger und Krankheiten oder wurden von tschechischen Partisanen ermordet. Diese Zahl deckt sich auch mit den Angaben von Laurence Steinhardt, von 1945 bis 1948 US-Botschafter in Prag, der die Zahl 240.000 nannte. Das offizielle Tschechien geht dagegen lediglich von maximal 30.000 Toten infolge der Vertreibung, die auf tschechisch „Odsun” bezeichnet wird, aus. Unter den Opfern der Vertreibung war auch die Familie von Kurt Knispel.
Doch auch wenn die Beneš-Dekrete, mit denen die Vertreibung juristisch legitimiert wurde, formal bis heute Gültigkeit haben, hat sich das Klima erfreulicherweise in eines der Völkerverständigung und der gegenseitigen Wertschätzung geändert. Im Laufe der Jahrzehnte, vor allem aber nach dem Fall des Eisernen Vorhanges Ende der 1980er-Jahre, entstanden enge Kontakte zwischen Tschechen und heimatvertriebenen Sudetendeutschen beziehungsweise deren Nachkommen, auch Freundschaften wurden geschlossen. Seither wurden und werden nicht nur Kriegerdenkmäler aus dem Ersten Weltkrieg in den einst von Sudetendeutschen besiedelten Gebieten Tschechiens renoviert, teils aus Kellern und Lagerhallen geholt und wieder aufgestellt, sondern auch gezielt Soldatengräber des Zweiten Weltkrieges lokalisiert sowie versucht, die darin Bestatteten zu identifizieren, um ihren Familien und Nachkommen nach Jahrzehnten der Ungewissheit endlich Gewissheit zu geben. Der Autor selbst durfte vor über 20 Jahren eine solche deutsch-österreichisch-tschechische Exhumierungsaktion (bei der leider an der angegebenen Stelle keine Überreste gefunden wurden) in Südmähren begleiten.
Im Jahr 2013 gelang es dann einer Gruppe tschechischer Historiker das Feldgrab von Kurt Knispel, in dem sich auch die Gebeine weiterer gefallener Deutscher befanden, ausfindig zu machen. Große Verdienste erwarb sich dabei der leider 2020 im Alter von nur 58 Jahren viel zu früh verstorbene tschechische Historiker, Restaurator und Buchautor Vlastimil Schildberger vom Mährischen Museum in Brünn (Tschechisch: Brno), der auch aktives Mitglied des Militärhistorischen Vereins Brünn sowie Gründer und Kommandant des Brünner Schützenkorps war.
Mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge war es Schildberger, der zwischen dem 8. und dem 10. April 2013 die Exhumierung von Kurt Knispel und mehreren weiteren deutschen Soldaten durchführte. Während deutsche und österreichische Medien davon kaum Notiz nahmen, berichteten tschechische Journalisten ausführlich über den als sensationell bezeichneten Fund des Grabes des erfolgreichsten Panzersoldaten der Weltgeschichte.
Bei Kurt Knispel wurde auch die Erkennungsmarke gefunden und die Identifizierung anhand physischer Merkmale wie seiner geringen Körpergröße zweifelsfrei bestätigt. Anschließend erfolgte eine Umbettung der Überreste auf den deutschen Soldatenfriedhof am Zentralfriedhof der Stadt Brünn. An seinem Grabkreuz brachten Besucher ein Bild von Knispel an und dekorierten es mit Panzermodellen. Die seit 2013 nunmehr allerletzte Ruhestätte von Kurt Knispel wird auch regelmäßig von Soldaten aus aller Welt besucht, die dem erfolgreichsten Panzersoldaten der Geschichte auf diese Art und Weise Respekt zollen – von Soldat zu Soldat.
Im Jahr 2016 beispielsweise besuchte der ehemalige Major der US-Armee, Neil Morisson (damals 72 Jahre alt), Brünn anlässlich einer Gedenkveranstaltung der Schlacht bei Austerlitz (1805). Morisson hat schottische Vorfahren und betätigt sich in seiner Freizeit in einem Traditionsverband der Scots Guards. In dieser Uniform besuchte er gemeinsam mit mehreren Kameraden das Grab von Kurt Knispel und salutierte dort, wie auf einer tschechischen Webseite nachzulesen und mit Bildern belegt ist. Auch tschechische Medien und Hobbyhistoriker widmen sich bis heute immer wieder der Person Kurt Knispel, die in dunklen Zeiten Mensch geblieben ist und den sein Schicksal nur wenige Tage vor Kriegsende doch noch auf so tragische Art und Weise ereilt hat.

Sein Freund und Kamerad Alfred Rubbel (1921-2013) sagte nach Knispels Tod einmal über diesen jungen Mann: „Als Mensch war Kurt Knispel bereit, selbstlos zu helfen. Er teilte sein Essen und Trinken mit seinen Kameraden und, wenn nötig, sogar sein letztes Hemd. Wir alle, die wir ihn kannten, fühlten uns im Angriff oder in der Verteidigung sicher, egal ob Knispel vor oder hinter uns stand. Er hat nie jemanden außen vor gelassen, egal in welcher Situation.”
Schade, dass es diesem charismatischen Soldaten nicht vergönnt war, den Krieg zu überleben und der Nachwelt von der enormen Bedeutung des Friedens zu berichten, der in Europa aktuell so stark bedroht ist wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Der Autor dankt dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für die Unterstützung bei seinen Recherchen. Ebenso ergeht ein herzlichster Dank an den Bürgermeister von Urbau/Vrbovec in Südmähren, Herrn Jiří Písař, der Informationen und Bildmaterial zur Verfügung gestellt hat – děkuji vám za podporu, pane starosto.