Vor knapp einem Jahr hatte Northrop Grumman im kalifornischen Palmdale mit dem B-21 Raider Amerikas Tarnkappenbomber der Zukunft präsentiert. Nun gaben der Hersteller und die US Air Force (USAF) weitere Details und Fotos zum weltweit ersten Kampfflugzeug der 6. Generation bekannt.

@AFA
General Duke Richardson ist Kommandeur des USAF Material Command.

So wurden beispielsweise während einer von der Air and Space Force Association (AFA) veranstalteten Konferenz in National Harbor in Maryland bislang unbekannte Infos zum Design und zu den Abmessungen des neuen Superbombers öffentlich. In einem von General Duke Richardson, Kommandeur des USAF Materiel Command, präsentierten Video war etwa zu sehen, dass sich das erste Flugzeug bereits in einem sehr fortgeschrittenen Fertigstellungsstadium befindet und dass die Triebwerksstandläufe im Northrop Grumman-Werk in Palmdale schon im Gange sind. Zudem wurde eine genauere Schätzung der Abmessungen des B-21 möglich, mit einer Flügelspannweite von etwa 40 Metern im Vergleich zu den 52 Metern des Vorgängs B-2 Spirit.

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Auf Basis dieser Informationen erstellte „The Cutaway Company” anschließend eine detaillierte interaktive Grafik mit allen bekannten Merkmalen des B-21.

@Giuseppe Picarella/TheCutawayCompany.com

Mehr als ein klassischer Prototyp
Zudem wurde betont, dass der künftige Tarnkappenbomber vom sogenannten Rapid Capabilities Office (RCO) der USAF und vom Hersteller mit Blick auf effektives Programmmanagement, Produktionsbereitschaft und frühzeitige Integration von Nachhaltigkeitselementen als Grundlage für die effektive Bereitstellung der Einsatzfähigkeit ausgelegt ist. Als weiterer Meilenstein‘wurde genannt, dass man beim B-21 einen schon für die Produktion repräsentativen ersten Testartikel erstellt. Anstelle eines Prototyps wurde bereits das erste Flugzeug mit strengen Produktionsverfahren auf derselben Fertigungslinie und mit denselben Werkzeugen gebaut, die für die kommende Produktion der B-21-Flotte verwendet werden. Es handelt sich dabei also um keinen reinen Prototypen, sondern bereits um eine mit primären Missionssystemen wie Kommunikation und Navigation ausgestattete Maschine. Diese Entscheidung, also gleich ein äußerst repräsentatives Testgerät zu bauen, soll es Northrop Grumman und der USAF ermöglichen, ab dem noch für heuer geplanten Erstflug (wohl zur Testbasis Edwards, deren Kürzel die Maschine bereits trägt) eine robuste Flugtestkampagne durchzuführen die von Anfang an mit der langfristigen Umsetzungsstrategie des Programms übereinstimmt.

@USAF
Der B-21 sieht dem B-2 sehr ähnlich, ist aber doch deutlich kleiner und kommt mit nur zwei statt vier Triebwerken daher.

Design-Merkmale und ihre Herkunft
Das RCO orientierte sich bei seinem Ansatz für den 2015 erstmals erwähnten „Long-Range Strike-Bomber” (LRS-B) an der Vorgangsweise beim F-117 Nighthawk von Lockheed Martin, wo ausgereifte Subsysteme in einer neuen Plattform entwickelt wurden, sodass sich das Programm auf die Anwendung neuer Technologien konzentrieren konnte. Der nunmehrige B-21 kann als Beweis dafür gelten, dass diese Grundsätze eingehalten wurden. Generell kann man punkto Stealth (= Schwer-Erkennbarkeit) einen konservativen Ansatz feststellen. Die Ähnlichkeit der B-21 mit dem ursprünglichen Design von Northrop’s B-2-Bomber ist groß, es handelt sich jedoch um ein klar kleineres Flugzeug mit zwei statt vier Triebwerken und einem etwa halb so großen Leergewicht. Auch sind Anlehnungen an das firmeneigene X-47B UCAV erkennbar. Das war jene Nurflügeldrohne mit etlichen Trägerlandungen und -starts im Rahmen des später eingestellten Navy-Programm UCLASS. Jenes Merkmal ergibt sich aus der Notwendigkeit durchgehend scharfer Vorderkanten, jedoch mit einer nach unten gebogenen Nase, um die Strömungsabrisseigenschaften zu verbessern.

„Mission Vorwärts“ bei der Leistungsschau in Wien

Wie bei der B-2 ist jedoch das Höhenprofil mit einer geradlinigen Grundrissform abgestimmt, um verbleibende Radarreflexionen – reduziert durch radarabsorbierendes Material (RAM) – in der kleinstmöglichen Anzahl von Spitzen oder Ecken zu konzentrieren. Die Grundrissform selbst basiert auf der Notwendigkeit, komplexe Ein- und Auslässe sowie einen großen Waffenschacht innerhalb des Nurflügelprofils unterzubringen und gleichzeitig ein maximales Verhältnis von Dicke zu Flügeltiefe einzuhalten, das mit einem effizienten Flug über Mach 0,8 kompatibel ist. Die Quer- und Längskontrolle wird durch acht Flächen an einer Hinterkante mit nur zwei scharfen Winkel gewährleistet, die wie beim B-2 (jener hat vier) durch Differenzschub verstärkt werden.

@Giuseppe Picarella/TheCutawayCompany.comModerne Computerpower erleichterte die Entwicklung
Seit der Konstrutkion der B-2 in den 1980er-Jahren sind viele Technologiegenerationen ins Land gezogen. Das Design des neuen B-21 profitiert daher stark von den Fortschritten in der Simulation- und Computertechnik sowie bei der Rechnerleistung. Der B-2 wurde mit Hilfe der frühen 2D-Computational Fluid Dynamics (CFD) entworfen, aber die Luftströmungen auf einer gemischten Flügelkörperform sind stark dreidimensional, wobei sich die Effekte vom Mittelkörper nach außen ausbreiten. Neuere Designs mit 3D-CFD sind da wesentlich effizienter. Computergestützte Elektromagnetik ermöglicht bessere Radar-Rückstrahl-Formen (RCS, Low Radar Cross Section), eine effizientere Nutzung des RAM und eliminiert einen Großteil der empirischen Versuchsmethoden, wie sie in früheren Programmen verwendet wurden.

@Giuseppe Picarella/TheCutawayCompany.comDer B-21 ist damit das erste bekannte große US-Militärflugzeugprogramm, das vollständig auf einem digitalen Thread entworfen wurde, wobei nicht nur die Form, sondern auch die physikalischen Eigenschaften jedes Teils in einen digitalen Prototyp integriert wurden. Dies ermöglichte es laut Programmverantwortlichen, Fehler frühzeitig zu erkennen und die Integration aller Kernsysteme in das erste Flugzeug digital vorzunehmen. Auf Grund all dieser Fortschritte hat Northrop Grumman 2011 auch seinen analogen RCS-Außentestbereich in Tejon Ranch, Kalifornien, geschlossen. Beim B-21 dürfte man nun bei einem Radarquerschnitt von 0,0001 Quadratmeter angelangt sein.

Airpower-Projektleiter Brigadier Prieler im Gespräch

Triebwerke
Noch wurde nicht bekannt gegeben, welche Triebwerke der B-21 verwendet. Wahrscheinlich werden es aber ein Paar nicht nachverbrennende Turbofans in der Klasse der F135-Triebwerke des F-35 sein. Mit einigen Optimierungen, wie beispielsweise einem erhöhten Bypass-Verhältnis (mehr Kaltluft, die außen an der Turbine vorbeifließt), könnte eine Version des F135 möglicherweise mehr als 133 Kilonewton (kN) erzeugen und 266 kN Schub sollten für einen hocheffizienten Nurflügler, der etwas kleiner als der B-2 ist und vom Fehlen einer Tieffluganforderung profitiert, mehr als ausreichend sein. Der Mittelkörperabschnitt des B-21 lässt auf stark schlangenförmige Einlässe schließen, die mit einem Motor mit zumindest mittlerem Bypass verbunden sind. Beim B-2 wurden vier GE F118 mit niedrigem Bypass ausgewählt, da es angeblich zu riskant war, einen Triebling mit höherem Bypass, der empfindlich auf Strömungsverzerrungen reagiert, hinter den gekrümmten und RAM-behandelten Einlasskanälen zu platzieren. Diese sind aber erforderlich um die Lüfterfläche gegen Radar zu verbergen. Mit Hilfe der heute ausgefeilten Computational Fluid Dynamics (CFD) kann dieses Problem jedoch beseitigt werden. Ein höheres Bypass-Verhältnis sorgt für einen viel besseren spezifischen Treibstoffverbrauch als beim B-2, verbessert die Reichweite und würde einen kühleren Abgasausstoß mit niedrigerer Geschwindigkeit ermöglichen, was nicht nur die Infrarotsignatur des B-21 verringert, sondern auch die thermomechanische Belastung.

@USAF
Noch gibt es nicht viele Ansichten und Motive des neuen B-21 – einige Ableitungen lassen sich daraus aber trotzdem treffen.

Avionik und Kampfsysteme
Auch hier ist noch nichts Genaues bekannt, aber in seinem Inneren nutzt der B-21 offenbar viele bewährte Systeme. Auf der Konferenz stellte Doug Young, Vizepräsident und General Manager für Angriffssysteme bei Northrop Grumman, jedenfalls fest, dass das Unternehmen, wo immer möglich, kommerzielle Komponenten und Systeme einsetzt, um einerseits Kosten zu senken und andererseits die Vorteile langlebiger kommerzieller Versorgungsnetze zu nutzen. Das wichtigste Merkmal der Avionik ist eine offene Missionssystemarchitektur. Der B-21 verfüge demnach über Standardschnittstellen und eine partitionierte Architektur, in der Änderungen an den Missionssystemen keine Auswirkungen auf flugkritische Funktionen haben. Laut Young umfasst das Programm eine eigene „Softwarefabrik”, die bereits Fähigkeiten entwickelt, welche über die Basislinie für den Serviceeintritt hinausgehen. Im Rahmen des „Spirit Realm”-Programms wird zudem eine unterteilte Architektur für die künftige B-21-Flotte entwickelt und zu Beginn des Programms gab ein Washingtoner Berater mit engen Verbindungen zu BAE Systems bekannt, dass das elektronische Kriegsführungssystem der B-21 eng mit dem ASQ-239 der Lockheed Martin F-35 verwandt sein wird. Seine Waffenschächte werden wohl alle neuen Abstandswaffen/Marschflugkörper unterbringen, wie beispielsweise AGM-158A JASSM oder deren (mit eigenem Triebwerk) reichweitengesteigerte AGM-158B JASSM-ER – mit konventionellem wie nuklearem Gefechtskopf. Sowie Waffen, die über die erwartbare Nutzungsdauer von etlichen Jahrzehnten sicher noch entwickelt werden.

Fun Fact: Noch bevor der B-21 Raider erstmals geflogen ist, verlangte die „Strategic Posture Commission” des US-Kongresses zuletzt bereits eine Aufstockung der geplanten Beschaffung von 100 Stück. Wie zuletzt bekannt wurde, starte der Prototyp des Nurflüglers kürzlich in Palmdale auch mit ersten Rolltests.

Quelle@USAF, AFA, Giuseppe Picarella/TheCutawayCompany.com