Giancarlo Mezzanatto ist seit 1. Mai Chief Executive Officer der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH und äußerte sich auf der Paris Air Show gegenüber Militär Aktuell und einer kleinen Runde internationaler Fachjournalisten optimistisch zur Zukunft des Programms. Er rechnet in den kommenden Jahren mit substanziellen Neuverkäufen des Kampfjets.
Herr Mezzanatto, Sie hatten jetzt knappe sieben Wochen in Ihrer neuen Funktion: Wie ist Ihr erster Eindruck von der Situation und Position des doch größten europäischen Kampfflugzeugprogamms?
Ich bin zwar erst einige Wochen hier, aber ich kenne das Unternehmen und das Programm natürlich bereits aus früheren Verwendungen, ich war auch bereits in dieser Firma tätig (Anmerkung: Mezzanatto fungierte bereits zwei Jahre lang als COOP der Eurofighter GmbH). Ohne in die Details zu gehen, blickt das Unternehmen heute viel optimistischer in die Zukunft, als noch vor einigen Jahren.
Warum?
Natürlich – wie im gesamten Sektor – hatte die Situation in der Ukraine und die Invasion dieses souveränen europäischen Staates durch den russischen Präsidenten Putin im Februar 2022 enorme Auswirkungen. Das hat die europäischen Länder dazu veranlasst, nochmals und rasant zu prüfen, welche Fähigkeiten sie für ihre Streitkräfte als angemessen erachten. Dadurch haben sie außerdem ihre Einstellung zu Verteidigungsexporten überdacht.
Da hat sich wirklich etwas substanziell verändert?
Sehen Sie sich nur Deutschland an, wo unsere Firma sitzt. Die frühere Weigerung der Regierung in Berlin Exportlizenzen für weitere Eurofighter-Verkäufe nach Saudi-Arabien zu genehmigen (Anmerkung: eine Haltung in Folge der Ermordung des US-saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul im Oktober 2018 und der Beteiligung Riads am Krieg im Jemen) hat angesichts des Ukraine-Krieges nachgelassen. Erst Ende 2022 ist ein dreijähriger Ersatzteil- und Reparaturvertrag für Riads bestehende Flotte unterzeichnet worden, unter der aktuellen deutschen Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Das politische Szenario hat sich also ziemlich dramatisch verändert, Deutschland ist jetzt viel engagierter als zuvor. Ich bin optimistisch, dass die Entwicklung in diese Richtung weitergeht und auch das Vereinigte Königreich – als führende Nation für Saudi-Arabien – ist bereits sehr aktiv in diese Richtung. Ein zukünftiger Eurofighter-Auftrag für Saudi-Arabien, das derzeit 72 Maschinen betreibt, könnte umfangreich sein und mindestens 48, oder möglicherweise sogar 72 Maschinen umfassen. Und das sind nicht die einzigen positiven Aussichten.
Wo sehen Sie sonst noch Potenziale?
Das werde ich Ihnen mit Rücksicht auf verschiedene Bemühungen in diversen möglichen Kundenländern hier jetzt leider nicht im Detail enthüllen können, aber lassen Sie mich festhalten: Ich sehe Möglichkeiten, in den nächsten zwei Jahren weitere 150 bis 200 neue Eurofighter zu verkaufen.
„Ich sehe Möglichkeiten, in den nächsten zwei Jahren weitere 150 bis 200 neue Eurofighter zu verkaufen.“
Eurofighter-CEO Giancarlo Mezzanatto
Sind in dieser Prognose mögliche Aufträge bestehender Kundenländer, wie beispielsweise die zusätzlichen Maschinen für Deutschland, bereits eingerechnet?
Teilweise ja, teilweise nicht. Ein Auftrag über weitere 15 Eurofighter könnte in Form von Varianten der elektronischen Kriegsführung für Deutschland erfolgen (Anmerkung: dort werden diese Nachfolger des ECR-Tornado EK-Varianten genannt). Wir hoffen, dass es sich bei diesen um neu gebaute Tranche-4 beziehungsweise P4E-Flugzeuge handelt, obwohl es immer noch möglich ist, dass Deutschland sich dazu entschließt, sie in seinen Projekt-Quadriga-Auftrag aufzunehmen, der die Anschaffung von 38 Eurofightern als Ersatz für Tranche-1 umfasst und im November 2020 unterzeichnet wurde. Bis dato wurde von der Luftwaffe das Araxis EW-System von Saab für die Eurofighter EK-Varianten präferiert, es gab jedoch bis wenige Tage vor Beginn der Paris Air Show keinen Vertrag, beziehungsweise hat Saab nicht detailliert, welche Araxis-Lösung diese Spezialversion erhalten würde. Deren System soll entweder vollständig in das Flugzeug integriert sein oder in Form eines beziehungweise von zwei missionierten Pods realisiert werden – wir sind da aber flexibel. Jedenfalls wird erwartet, dass die erste Einsatzfähigkeit im Zeitraum 2028 bis 2029 bereitgestellt wird.
Und wie sieht es in Spanien, wird es dort ein Halcon-II-Programm geben?
Ja. Nach den ersten 20 Stück im Rahmen des Halcon-I-Programms gehe ich davon aus, dass Spanien bald 25 neue Flugzeuge als Halcon-II bestellen wird. Damit dürften die EF-18 Hornets ersetzen werden, die in Torrejon und Zaragoza betrieben werden. Spanien hat definitiv einen operativen Bedarf, seine Hornets zu ersetzen, eine Entscheidung kann sich aber durch die spanischen Nationalwahlen im Juli verzögern.
Auf der Paris Air Show (-> hier geht es zu den Highlights) haben polnische Kollegen auch vom Interesse Warschaus am Typhoon erzählt. Was ist an diesen Gerüchten dran?
Ja, das ist interessant. Ich denke, der Eurofighter ist für Polen eine sehr interessante Sache. Die polnische Luftwaffe ist mit dem Eurofighter durch den Einsatz dieses Typs auf dem Luftwaffenstützpunkt Malbork in Polen im Rahmen der verstärkten Luftpolizei der NATO jedenfalls sehr vertraut geworden.
Aber Polen hat sich doch bereits 2020 für die Beschaffung von 32 F-35 entschieden und 2022 insgesamt 48 leichte Kampfflugzeuge vom koreanischen Typ KAI FA-50 bestellt. Wären da zusätzlich auch noch Eurofighter nicht ein wenig zuviel des Guten?
Naja, die Polen haben einen Teil ihrer MiG-29 der Ukraine überlassen, weitere Maschinen werden bald ausgeschieden. Wir haben große Hoffnungen, Polen als Exportkunden für den Typhoon zu gewinnen, weil das vor allem auf der Luftüberlegenheit des Flugzeugs beruht. Wir sehen es als perfekte Ergänzung für Polen an, da der Typ für die Heimatverteidigung nach der russischen Invasion in der benachbarten Ukraine perfekt geeignet ist. Ich habe gestern die Delegation aus Polen getroffen, wir kennen ihre Anforderungen und wir sind bereit, sie bei ihrer Suche nach genügend Luftüberlegenheit zu unterstützen.
„Wir haben große Hoffnungen, Polen als Exportkunden für den Typhoon zu gewinnen.“
Eurofighter-CEO Giancarlo Mezzanatto
Jetzt haben wir doch ein paar Absatzmärkte durchbesprochen.
Stimmt, ein paar. Lassen Sie mich noch auf die Türkei verweisen, wo Großbritannien eine Verkaufskampagne für den Eurofighter leitet, nachdem das Land 2019 aus dem F-35-Programm ausgeschlossen wurde (Anmerkung: Zum Ausschluss kam es nach dem kauf des russischen Luftverteidigungssystems S-400). Ihre F-16 werden alt und obwohl Turkish Aerospace den heimischen Kaan-Jäger der 5. Generation entwickelt, muss der erst mal fliegen und dann dauert es weitere zehn Jahre bis zur Einsetzbarkeit.
Was passiert eigentlich mit Blick auf ältere Flotten wie der Tranche-1 der Österreicher oder Italiener? Und was ist mit der Langfrist-Logistikunterstützung der diversen Konfigurationen?
Beide Länder wollen Tranche-1 weiternutzen und für beide ist ein Aufwertungsprogramm eingeleitet und sind die Lebensdauer verlängernde Schritte in Vorbereitung. Darüber hinaus strebe ich aber generell eine Rationalisierung und Harmonisierung der Modernisierung der verschiedenen nationalen Flotten an. Die Partnerunternehmen (Anmerkung: Airbus Defence & Space, BAE Systems und Leonardo) haben bisher 589 Flugzeuge an neun Nationen ausgeliefert, bei einem aktuellen Gesamtauftragsbestand von 680. Eines meiner Ziele ist es daher, die Konfigurationen unserer Kunden so weit wie möglich anzupassen. Das wird angesichts der Unterschiede zwischen den Nutzernationen und auch mit Blick auf ihre Ziele und Budgets eine ziemliche Herausforderung. Immerhin ist der Eurofighter bereits 2003 in Dienst gegangen, aber er wird voraussichtlich bis 2060 an vorderster Front im Einsatz sein. Nach einem Drittel ihres Lebens sind die in den ersten Jahren ausgelieferten Maschinen also immer noch sehr jung und daher ist erst im März von den Verteidigungsministern der Partnerländer ein 10-Jahres-Plan gebilligt worden, der zwischen den Kernnationen und uns dokumentiert, wo wir stehen und welche langfristigen Adaptionen und Entwicklungsmöglichkeiten wir sehen – und welche wir auch realisieren wollen.
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