Jerome Starkey, Defence Editor der britischen Boulevardzeitung „The Sun”, bezeichnet in einem Artikel mit dem Titel „Air Farce” den Leonardo M-346 Jet Trainer provokant als „russisches Flugzeug”. Die für ihre reißerischen Schlagzeilen bekannte Zeitung wittert offenbar Gefahr: Der italienische Jet Trainer könnte in wenigen Jahren die BAE Hawk im legendären Kunstflugteam der Royal Air Force, den „Red Arrows”, ablösen.

Laut Starkey herrsche bei den „Tories” – gemeint ist die Konservative Partei – Empörung darüber, dass ein in Russland entworfener und von Putin geschätzter Jet als Nachfolger infrage komme. Denn die offizielle Aufgabe der Red Arrows sei es, die britische Industrie zu repräsentieren und „den Ruf des Vereinigten Königreichs zu stärken”.

Jak-130D – ©Archiv
Der Stein des Anstoßes: die Jak-130D. Der Erprobungsträger absolvierte zwischen 1996 und 2002 rund 450 Testflüge. Aermacchi (heute Leonardo) stieg 1999 aus dem gemeinsamen Entwicklungsprogramm mit Jakowlew aus und nutzte die gewonnenen Daten zur eigenständigen Weiterentwicklung – daraus entstand die heutige M-346.

Red Arrows brauchen dringend neuen Jet

Das Problem: Die BAE Hawk T1 des Kunstflugteams sind veraltet und müssen bis 2030 ausgemustert werden. Zwar wäre es möglich, das Team mit den neueren Hawk T2 auszustatten – diese Maschinen werden jedoch dringend für die Pilotenausbildung benötigt und sind zudem von Motorproblemen geplagt. Der neue Chief of the Air Staff, Air Chief Marshal Sir Rich Knighton, sagte deshalb im November: „Ich möchte die Hawk T2 so schnell wie möglich ersetzen.”

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Da die britische Industrie aktuell jedoch keinen modernen Jet Trainer anbieten kann, sind als mögliche Nachfolgemodelle die Boeing/Saab T-7, der koreanische KAI T-50 Golden Eagle und eben der auch vom Österreichischen Bundesheer ausgewählte Leonardo M-346 im Gespräch (-> Das Bundesheer entscheidet sich für den M-346FA).

Die Diskussion in Großbritannien scheint jedenfalls zunehmend die Ebene der Rationalität zu verlassen und wird immer stärker von Nationalstolz bestimmt. Alles andere als ein britisches Flugzeug zu kaufen – insbesondere der Leonardo M-346 – „wäre fast schon Hochverrat”, heißt es.

©Militär Aktuell

Wie abstrakt diese Sichtweise ist, zeigt sich allein daran, dass Leonardo in Großbritannien über 8.500 Mitarbeiter beschäftigt.

Die M-346 ist kein „Rebranding”

Starkey bezeichnet die Leonardo M-346 in seinem Artikel als ein „Rebranding”. Seiner Darstellung nach handelt es sich bei der M-346 lediglich um eine neue Markenbezeichnung für ein und dasselbe Flugzeug aus Russland.

Richtig ist daran lediglich, dass die Ursprünge der M-346 in einer Partnerschaft zwischen Jakowlew und Aermacchi (heute Leonardo) liegen. Als Resultat dieser Zusammenarbeit entstanden jedoch drei äußerlich auf den ersten Blick ähnliche, technisch aber völlig unterschiedliche Flugzeuge.

M-346 im Flug – ©Archiv
In der M-346 findet sich weder eine russische Niete noch eine russisch designte Niete. Äußerliche Ähnlichkeiten sind das einzige Überbleibsel des russisch-italienischen Gemeinschaftsprogramms der 1990er-Jahre.

Leonardo antwortet

Leonardo UK ist mit über 8.500 Beschäftigten im Vereinigten Königreich eines der führenden Luft- und Raumfahrtunternehmen des Landes. Und als einer der größten Lieferanten von Verteidigungs- und Sicherheitsausrüstung für das britische Verteidigungsministerium lässt Leonardo die Kritik auch nicht unbeantwortet.

„Die M-346 wurde in Europa nach den strengsten NATO-Standards entworfen, entwickelt und produziert”, lautet die Antwort des Unternehmens. Zudem verweist Leonardo darauf, dass Piloten aus ganz Europa – darunter auch aus Großbritannien – bereits in Italien mit dem Jet trainiert haben.

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Paolo Mezzanotte, ehemals Mitarbeiter bei Aermacchi, wird in einem Artikel von Tom Kington auf Defensenews.com mit folgenden Worten zitiert: „Die Fertigungstechnologie, die allgemeinen Systeme, die Missionssysteme, der Antrieb und das Flugsteuerungssystem der M-346 sind völlig anders als in der Jak-130. Italien hat zwar die Jakowlew-Dokumentation über das Flugzeug erhalten, es dann aber komplett neu konstruiert.”

Militär Aktuell plant Serie zur Geschichte der M-346

Welche Rolle diese Partnerschaft spielte und in welche Flugzeugtypen sie mündete, hat Militär Aktuell umfassend recherchiert – die Ergebnisse werden in einer mehrteiligen Online-Serie veröffentlicht.

RA-43130 – ©Archiv
Die Erprobungen mit der RA-43130 sind der Ursprung eines russischen, eines italienischen und eines chinesischen Jettrainers, die sich ein ähnliches äußeres Erscheinungsbild teilen.

Leonardo und Textron wollen M-346N an US Navy liefern

Die US Navy (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte) sucht nach einem Ersatz für ihre in die Jahre gekommenen T-45-Goshawk-Jettrainer. In The War Zone berichtet Thomas Newdick nun, dass „der Flugzeugträger nicht mehr direkter Bestandteil der realen Flugausbildung sein wird”. Trägeranflüge sollen künftig auf Landbasen und im Simulator geübt werden.

M-346 – ©Textron
Textron bewirbt die M-346 als ein Trainerprogramm mit niedrigem Risiko und ohne Drama. Die M-346 unterlag im Auswahlverfahren für den Jettrainer der US Air Force der Boeing T-7 Red Hawk. Das T-7-Programm ist derzeit um mindestens drei Jahre verzögert.

In Partnerschaft mit Leonardo bietet Textron Aviation Defense eine navy-spezifische Version der M-346 an. Das Flugzeug ist dabei Bestandteil eines vollständig integrierten Trainingssystems. Die US Navy plant die Beschaffung von mindestens 145 Maschinen. Eine Entscheidung über den Goshawk-Nachfolger wird in etwa zwei Jahren erwartet.

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Leonardo.

Quelle©Archiv, Textron, The Sun