Erinnern Sie sich? „Alternativlos” war das geflügelte Wort, mit dem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor Jahren den Weg der Rettung in der griechischen Finanz- und Haushaltskrise bvorgab. Das waren Zeiten, da waren Wahlen in Griechenland etwas Aufregendes. In den langen Jahren der Krise schaute ganz Europa darauf, wer in Athen regierte und was das für den Kontinent bedeutete. Die Regierungen in Athen wechselten häufig, das Land und seine Menschen waren knapp am Kollaps.
Diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. Die neuerliche Wahl Ende Juni – die zweite innerhalb eines Monats weil beim ersten Durchgang keine Partei eine Regierung bilden konnte – endete, wie die meisten Beobachter es vorausgesagt hatten: Der neue Premier ist auch der alte. Kyriakos Mitsotakis, seit 2019 im Amt, ist für weitere vier Jahre gewählt. Seine konservative Nea Dimokratia (ND) gewann die absolute Mehrheit, wobei bei der Neuwahl erstmals ein von Mitsotakis eingebrachtes neues Wahlgesetz galt, wonach die stärkste Partei bis zu 50 Bonussitze im Parlament bekommt. Allerdings schnitt Mitsotakis etwas weniger stark ab als erwartet, was vor allem an einigen Kleinparteien am rechten Rand lag, die es ins Parlament schafften. Jedenfalls versprach er das Gegenteil von Aufregung: Keine Experimente.
In diesem Sinne hat die griechische Regierung nun vor wenigen Tagen offiziell zugesagt, dass das milliardenschwere Modernisierungsprogramm für ihre Streitkräfte fortgesetzt wird. Das Land auf der Balkanhalbinsel hat sich dabei zum Ziel gesetzt, „zum Schutz Griechenlands” insbesondere seine Kampfflugzeugflotte aufzurüsten. Dies sei – da war das Wort wieder – „alternativlos”, erklärte der wiederbestätigte Regierungschef. Griechenland investiere nun 3,54 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung. Dies ist der höchste Wert aller NATO-Mitgliedstaaten. Nur Griechenland, Polen, Litauen, Lettland, Estland und das Vereinigte Königreich haben zurzeit Verteidigungsausgaben von mehr als 2 Prozent des BIP. Der Premier erklärte auch, er werde am 11. und 12. Juli beim NATO-Gipfel in Vilnius mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammentreffen, die hohen Verteidigungsausgaben würden aber trotz einer möglichen und lang erwarteten Entspannung mit der Türkei nicht sinken.
Nach den aktualisierten Plänen kauft Griechenland – in Modifikation der Vorhaben von vor mehr als zwei Jahren – nun 24 Dassault Rafále (statt ursprünglich geplant 18), rüstet von insgesamt 170 Stück alle 58 jüngeren F-16 Block-50/52(M)+ (statt 34) auf Block-70 nach und will sogar bis zu 48 F-35 Lightning II Stealth-Jabos von Lockheed Martin kaufen. Der mögliche Verkauf von zuerst 20 und dann nochmals 28 könnte durch die USA nach eben jenem NATO-Gipfel in Vilnius genehmigt werden, das griechische Verteidigungsministerium äußerte bereits die Erwartung, dass jene im benachbarten Italien (Cameri) montiert würden und ab in etwa fünf Jahren zulaufen könnten.
Problemnachbar Türkei setzt sich zeitgleich allmählich mit der Realität auseinander, dass die griechische Luftwaffe (HAF oder Elleniki Aeroporia) schon in wenigen Jahren eine technologisch fortschrittlichere Kampfflugzeugflotte als die türkische operieren könnte. Speziell nach dem Rauswurf von 2019 aus dem F-35-Programm (100 Stück, signifikanter Zulieferer) wegen der Beschaffung der russischen S-400 Luftabwehr. „Wenn unser TAI-Projekt zur Modernisierung der F-16-Flugzeuge scheitert, während Griechenland seine Projekte realisieren kann, wird die griechische Seite 2025 die Oberhand bei Kampfflugzeugen gewinnen”, so der ehemalige Kommandeur der türkischen Luftwaffe, General Abidin Unal. „Daher ist unser Programm zur Beschaffung von 40 neuen F-16 Block-70 und zur Modernisierung von bis zu 80 F-16 von entscheidender Bedeutung.” Athen verzeichnet – bis heute und abseits an- und abschwellender politischer bilateraler Kontakte – an manchen Tagen bis zu 20 Luftraumverletzungen sowie Einflüge türkischer Jets in die Flight-Information-Region Athen. Die Türkei erkennt diese nicht an, weil sie praktisch die ganze Ägäis abdeckt.
Zuletzt wurde bekannt, dass während Präsident Erdoğan dieser Tage beim NATO-Gipfel Vilnius mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in Sachen Abtäusche für die Zustimmung zu Schwedens NATO-Beitritt verhandelte, sein Außenminister Hakan Fidan mit seinem US-Amtskollegen Anthony Blinken telefonierte. Dabei ging es explizit um jene bisher im US-Senat blockierte Lieferung von 40 neuen F-16/Block-70-Kampfflugzeugen und entsprechenden Modernisierungspaketen für bereits vorhandene ältere Blocks. Für jene hatte Turkish Aerospace bereits ein alternatives hauseigenes Upgrade namens Özgür begonnen, der Testträger flog zuletzt auch bereits bei der Luftraumübung Anatolian Eagle. US-Präsident Biden hat sich offenbar dazu durchgerungen, dem östlichen Mittelmeer und dem Schwarzen Meer unter Einbeziehung der Türkei wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Nach einem Telefonat am Sonntag vor dem Gipfel mit Erdoğan sagte er, die USA wollten versuchen, die Verteidigung der Türkei, Griechenlands und der Ukraine insgesamt zu verbessern.