Wie bereits Mitte September angekündigt (siehe Bericht), haben die Verhandlungen zwischen Paris und Athen über die Beschaffung von 18 neuen Rafále-Kampfjets von Hersteller Dassault Aviation angesichts der nach wie vor angespannten Lage zwischen Griechenland und der Türkei nicht allzu lange gedauert. Dabei hat sich Athen mit seinem Wunsch nach Stückelung der Lieferung durchgesetzt, das Gesamtpaket kommt nun allerdings deutlich teurer als ursprünglich angenommen.
Die beiden Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos und Florence Parly haben am 25. Jänner in Athen der Vertragsunterzeichnung von Theodoros Lagios (Generaldirektor für Rüstung und Investitionen im griechischen Verteidigungsministerium) und Eric Trappier (Vorsitzender und CEO von Dassault Aviation) beigewohnt, schon zuvor hatte das griechische Parlament am 14. Jänner die als vordringlich bezeichnete Beschaffung auch innenpolitisch abgesegnet. Der Auftrag umfasst nun sechs neu gebaute Einsitzer sowie zwölf gebrauchte Rafále aus dem Inventar der französischen Luftwaffe, darunter zwei Zweisitzer. Für die logistische Unterstützung und Verfügbarkeit des Systems über die ersten viereinhalb Jahre wurde ein zweiter Vertrag unterzeichnet.
Der Kaufpreis gilt als wichtiger Indikator für alle Länden (speziell innerhalb der EU), die gerade derartige Beschaffungen vorbereiten oder überlegen, wobei Details natürlich immer länderspezifisch zu regeln sind und deutlich abweichen können (siehe auch Info am Textende). Nach Angaben des Athener Verteidigungsministeriums beträgt das Auftragsvolumen für die insgesamt 18 Maschinen jedenfalls 2,32 Milliarden Euro, davon werden 1,92 Milliarden Euro für die Flugzeuge und 400 Millionen Euro für das Waffenpaket aus Meteor-Langstrecken-Luft-Luft-Raketen, Scalp-Marschflugkörpern und Exocet-Anti-Schiffsraketen fällig. Teils sind diese Waffen – ebenso wie radargelenkte Mica Luft-Luft-Raketen – bereits für die Mirage-2000/5 im Inventar der Hellenic Airforce (HAF), sie werden nun aber auf Databus und Software der Rafále angepasst.
Da Griechenland wegen der jahrzehntelangen und nun wieder aktuellen Spannungen mit der Türkei auf schnellstmögliche Lieferung der Maschinen drängt, soll die Übergabe der ersten sechs gebrauchten Flugzeuge – darunter wohl die beiden Zweisitzer – voraussichtlich schon sechs Monate nach Vertragsunterzeichnung beginnen. Ab Juni 2021 könnte dann monatlich eine Maschine zulaufen. Ab dem 20. Monat nach der Übergabe der ersten sechs gebrauchten Flugzeuge (also etwa Herbst 2022), beginnt dann die Auslieferung der neuen Rafáles ebenfalls mit einer Maschine monatlich. 26 Monate nach Vertragsunterzeichnung (also etwa im Sommer 2023) dürften dann die letzten sechs gebrauchten Flugzeuge folgen. Die ersten vier HAF-Piloten (Fluglehrer) gehen schon in den nächsten Tagen nach Frankreich zum Training, der Wert des gesamten virtuellen und Live-Trainings für die HAF wird auf rund 100 Millionen Euro geschätzt.
Nach der Unterzeichnungszeremonie brachte die französische Verteidigungsministerin Florence Parly ihre Freude zum Ausdruck, „dass Griechenland eine europäische Wahl getroffen hat und damit Dassaults erster europäischer Exportkunde wird.” Zuvor gingen Exporte – eigentlich erst spät in der Programmgeschichte – nach Ägypten, Katar (Bericht) und Indien (Bericht). Parly und Dassault-CEO Eric Trappier betonten anschließend „die besondere Partnerschaft zwischen Frankreich und Griechenland, die vor allem im Mittelmeerraum in den vergangenen Monaten in bilateralen und multilateralen Übungen sichtbar wurde” und erinnerten anschließend an die Mirage-2000 als „Rückgrat der hellenischen Luftwaffe”. Bereits 1974 hatte Griechenland bei Dassault 40 Mirage-F.1 bestellt, 1985 folgten 40 Mirage-2000 (von denen nun zehn Maschinen auf den Standard 2000-5 modernisiert werden) und im Jahr 2000 dann weitere 15 Mirage 2000-5.
Als Konsequenz des nunmehr fixierten griechisch-französischen Deals fordete die Armée de l’Air neue Rafále als Ersatz für die zwölf Maschinen, welche nun unerwartet aus ihrem Inventar abgehen. Ministerin Florence Parly ließ sich jedenfalls nicht lange bitten und verkündete bereits kurz nach der Vertragsunterzeichnung in Athen als Ersatz zwölf neue Rafále des aktuellen Standards F3R – das entspricht rund einer Jahresfertigung bei Dassault. Die neuen Maschinen werden bis 2025 zulaufen, was die Erneuerung der Flotte der Armée de l’Air inklusive der im Beschaffungsgesetz 2019-2025 enthaltenen und ab Dezember 2022 zulaufenden 28 F3R-Flugzeuge komplettiert.
Bei Griechenlands Dauerrivale Türkei ist der Dassault-Deal natürlich beobachtet und verärgert zur Kenntnis genommen worden. Ankara’s Verteidigungsminister Hulusi Akar: „Sie können so viele Flugzeuge, U-Boote und Schiffe kaufen, wie sie möchten – es wird nicht genug sein.” Er fügte noch an, dass der Zustand der griechischen Wirtschaft so schrecklich sei, dass derartig hohe Verteidigungsausgaben die griechischen Bürger ihre Gehälter, das Essen auf ihren Tellern und die Kleidung an ihren Körpern kosten würden.
In einem Leitartikel der griechischen Zeitung Kathimerini wurde in Folge amüsiert konstatiert, dass „die Beschaffung dem obersten Verteidigungsbeamten unseres Nachbarn offenbar Sorge bereitet. Warum sollte er sonst eine solche bizarre Erklärung abgeben? Wenn solche Worte vom Verteidigungsminister eines Landes kommen, das direkt oder indirekt an so vielen militärischen Operationen von Libyen bis Aserbaidschan beteiligt ist, und das so oft seine Entschlossenheit zum Ausdruck bringt, seine betonten souveränen Rechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeerraum auch mit Militär zu untermauern, bedeuten sie nur eines – Frustration!” Weiters: „Er hat 233 teils im Land hergestellte F-16, aber er bekommt keine F-35. Nun ist er offenbar genervt, dass hier eine Luftwaffe mit 18 modernen Rafale-Jets und 84 modernisierten F-16V präsent ist, zusätzlich zu weiteren 38 F-16 und 24 Mirages. Das ist keineswegs eine vernachlässigbare Verteidigungsentwicklung.”
Kathimerini weiter: „Sein Kommentar kommt zur gleichen Zeit, in der die New York Times – nicht einige böswillige Griechen – vor dem Zustand der türkischen Wirtschaft und einer an ihre Grenzen gedrängten Gesellschaft warnt, in der viele Bürger die Aussicht auf Hunger haben und sogar über Selbstmord nachdenken und in die Höhe schnellende Inflation und eine stetig sinkende türkische Lira – und dass alles vor dem Aufkommen der Pandemie. Das Volk ist natürlich unglücklich über diese Situation und wendet sich immer mehr gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan, was teilweise dessen Kompensation durch außenpolitische Aggression in den vergangenen Jahren erklärt. Natürlich gehen Rüstungsbeschaffungen zweifellos zu Lasten anderer Bedürfnisse. Diese selbstverständliche Wahrheit scheint jedoch den türkischen Präsidenten nicht zu behindern, der neben seinen neo-osmanischen Ambitionen auch Kriege und Konflikte mit und in anderen Ländern führt, um die inländische öffentliche Meinung von ihren alltäglich steigenden Schwierigkeiten abzulenken.”
Zum Vergleich aktuelle US-Preise: 2017 wurden Kroatien zwölf neue F-16C/D V-Block-70/72 um umgerechnet 1,25 Milliarden Euro angeboten. Im Dezember 2019 unterschrieb die Slowakei für 14 neue F-16C/D V70/72 um 1,31 Milliarden Euro (entspricht 94 Millionen Euro pro Maschine, allerdings inklusive Training für 22 Piloten und 160 Techniker sowie zwei Jahre Logistik-Support von Lockheed-Martin) und im Juli 2019 ließ sich mit Bulgarien acht F-16/70/72 insgesamt 1,11 Milliarden Euro (113 Millionen Euro pro Stück) kosten.
Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Rafále-Hersteller Dassault Aviation.