Während in den vergangenen Tagen die Präsentation des US-amerikanischen NGAD-Demonstrators F-47 von Boeing für internationale Schlagzeilen sorgte, zieht auch China mit seinem eigenen 6.-Generation-Projekt weiter nach: Der Ende 2024 erstmals gesichtete J-36 absolvierte nun offenbar bereits seinen dritten Testflug – womöglich sogar zwei Flüge an einem Tag.
Wie schon beim Erstflug Ende Dezember fand der jüngste Aufstieg erneut über dem Werk des Herstellers CAC (Chengdu Aircraft Corporation) statt – mitten im dicht besiedelten Chengdu. Zahlreiche Handyfotos und Videos auf Plattformen wie Weibo, unter anderem vom bekannten Spotter 小潇, legen nahe, dass diese öffentlichen Sichtungen nicht zufällig sind, sondern gezielt als Zeichen technologischer Stärke in Richtung potenzieller Gegner gesetzt werden.
Auffällige Konfiguration – und erstmals Nachbrenner sichtbar
Die Flugsichtungen bestätigen erste Schätzungen aus dem alten Jahr: Der massige J-36 verfügt über eine Nurflügel-Doppel-Delta-Konfiguration ohne vertikale Stabilisierungsflächen, wie sie weltweit für 6.-Generation-Entwürfe typisch ist. Die Länge des Jets dürfte rund 22 Meter, die Spannweite mehr als 20 Meter betragen.
Besonders auffällig war beim zweiten Flug am 19. März der Einsatz von drei Triebwerken, deren Nachbrenner kurzzeitig sichtbar wurden. Laut chinesischen Quellen könnte es sich dabei nun um das lang erwartete WS-15-Triebwerk handeln – ein Indiz für die angestrebte Supercruise-Fähigkeit, also Überschallflug ohne Nachbrenner. Videos davon kursieren unter anderem auf X/Twitter.

Fahrwerk, Treibstoff und ein zweites Flugzeug?
Weitere neue Beobachtungen: In einem Video auf Bilibili ist erstmals zu sehen, wie das vordere, doppelt bereifte Tandemfahrwerk eingefahren wird. Ebenso wurde das Ablassen von Treibstoff dokumentiert – ein Manöver, das typischerweise im Zusammenhang mit Systemtests oder Sicherheitsmaßnahmen steht.
Zudem kursiert das Gerücht, dass bereits zwei Prototypen des J-36 im Einsatz seien und die bisher bekannten Sichtungen auf mehr als ein Fluggerät zurückgehen könnten.
Politisches Momentum – und Spott über den F-47
In chinesischen Foren wird unterdessen der kürzlich in den USA enthüllte F-47 NGAD-Demonstrator teils als „Phantom” verspottet. Dass dieser bisher nicht öffentlich geflogen sei, deute auf fehlende Substanz hin – im Gegensatz zum „Ginko Leaf”, wie der J-36 dort auch genannt wird. Zwar hatte Washington betont, dass bereits zwei bis drei NGAD-Demonstratoren über Jahre erprobt wurden, doch in chinesischen Kommentaren heißt es, die eigene Industrie sei „schon weiter”.
Ein hoher chinesischer Militärvertreter behauptete jüngst in einem YouTube-Interview, der J-36 könnte innerhalb von zwei bis drei Jahren in Serienproduktion gehen. Der Tenor: „Wir haben das technische Fundament, den politischen Rückhalt und die strategische Dringlichkeit, um die Entwicklung massiv zu beschleunigen.” Das ermögliche es, dass ein zweiter Jet der 6. Generation – vermutlich der kleinere J-50 – „sich in Ruhe Zeit lassen kann, um aus den Erkenntnissen der schnellen Entwicklung des J-36 zu lernen”.