In einem Interview mit der Tageszeitung Presse stellte Generalleutnant Bruno Hofbauer, Planungschef des Bundesheeres, klar, dass Flugabwehrsysteme mittlerer Reichweite nicht zur Abwehr von Raketen geeignet seien. „Das ist kein Vorhaben, das wir im Rahmen von Sky Shield umsetzen”, so Hofbauer (-> Interview mit Militär Aktuell).
Auf die Frage, ob es irreführend sei, Sky Shield als Raketenabwehrsystem darzustellen, antwortete er: „Aus militärischer Perspektive werden Begriffe derzeit nicht korrekt kommuniziert.”

Und Hofbauer sieht die Mittelstrecken-Fliegerabwehr nicht nur als Rüstungsgut. Das Bundesheer hatte ein solches System noch nie – es brauche daher einen verlässlichen militärischen Partner. Mit der Mittelstrecke lassen sich laut Hofbauer Marschflugkörper, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen bekämpfen. Der Schutz gegen ballistische Raketen sei hingegen erst mit Langstreckensystemen möglich.
Den aktuellen Schutz der Republik vor Bedrohungen bewertet Hofbauer als „auf das Kleinstmögliche reduziert”. Ein Teil der 35-Millimeter-Flugabwehrkanonen ist bereits in der Umrüstung. Erst 2028 werden alle Geräte – dann allerdings auf dem letzten Stand der Technik – wieder in Österreich einsatzbereit sein.
Ebenfalls auf dem Weg der Modernisierung befindet sich die leichte Flugabwehrlenkwaffe Mistral. Österreich hat im Jahr 2022 insgesamt 24 Starter und 200 Raketen der neuesten Generation Mistral-3 vom Hersteller MBDA bestellt.
Gerade noch rechtzeitig – denn der letzte Rest der alten Mistral-2-Raketen des Bundesheeres erreicht in Kürze sein Ablaufdatum. Sie müssen entweder bei Übungen verschossen oder kostenintensiv als Sondermüll entsorgt werden.
Prioritäten setzen

Zurück zu Sky Shield und der Mittelstrecken-Fliegerabwehr: Die Experten des Bundesheeres stehen vor komplexen Entscheidungen – denn die eine Rakete, die jedes Ziel abfängt, und den einen Sensor, der alles sieht, gibt es schlichtweg nicht.
Zum besseren Verständnis: Zieldarstellungsdrohnen, die von der Industrie für Übungsschießen eingesetzt werden, müssen häufig mit Radarreflektoren oder zusätzlichen Wärmequellen ausgestattet werden, damit sie überhaupt zuverlässig erfasst und aufgeschaltet werden können.
Das Grundproblem: Moderne Abstandswaffen wie Drohnen und Marschflugkörper verfügen über sehr geringe Signaturen – sowohl im Radar- als auch im Infrarotbereich. Ihre Detektion und Bekämpfung stellt daher eine enorme Herausforderung für jede Flugabwehr dar.
Für Erfassung, Verfolgung, Identifizierung und Bekämpfung von Luftzielen steht eine Vielzahl an Radarsystemen zur Verfügung, die unterschiedliche Frequenzbänder nutzen.
Vom L-Band bis zum X- und Ku-Band
Die Radargeräte des Typs RAT-31DL/M („Goldhaube”) arbeiten im L-Band bei 1,2 bis 1,4 GHz. Diese Wellenlängen sind weitgehend unempfindlich gegenüber Witterungseinflüssen und eignen sich gut für die großräumige Luftraumüberwachung.

Feuerleitradargeräte für die Mittelstrecken-Flugabwehr operieren im S-Band bei 4 bis 6 GHz. Auch in diesem Bereich ist die atmosphärische Dämpfung gering, was eine zuverlässige Zielverfolgung ermöglicht.
Radargeräte für die Langstrecken- und Raketenabwehr, ebenso wie Bordradare von Kampfflugzeugen und die Suchköpfe moderner Lenkwaffen, nutzen hingegen das X- und Ku-Band im Bereich von 8 bis 18 GHz. In diesen hohen Frequenzen sind extrem kurze Impulse möglich, mit denen sich nicht nur die Entfernung sehr präzise bestimmen lässt – auch die Konturen von Objekten können aufgelöst und zur Zielidentifikation herangezogen werden.
Allerdings beginnt hier der physikalische Kompromiss: Die Atmosphäre absorbiert in den höheren Frequenzbereichen zunehmend einen Teil der Sendeenergie. Boden- und flugzeuggestützte Radargeräte können diesen Verlust durch höhere Sendeleistung und größere Antennenflächen kompensieren. Bei Raketen hingegen ist das deutlich schwieriger – dem Suchkopf und der Energieversorgung sind enge physikalische und bauliche Grenzen gesetzt. Die Reichweite bleibt dadurch begrenzt.
Noch problematischer wird es im Infrarotbereich: Wasserdampf in der Atmosphäre blockiert weite Teile des Spektrums. Nur vergleichsweise schmale „transparente Fenster” zwischen den breiten Absorptionslinien bleiben übrig – genau dort müssen die Infrarotsuchköpfe hindurchblicken.
Herausfordernde Rahmenbedingungen
Ein zentrales Element moderner Raketenabwehr ist der sogenannte Datenlink: Während der Annäherung sendet das Feuerleitradar über einen Richtfunkstrahl laufend aktualisierte Zielkoordinaten an die Rakete. Diese Führung bleibt aktiv, bis der Suchkopf das Ziel selbstständig erfassen kann. Alternativ kann der Datenlink auch unterbrochen werden – etwa durch Geländeabschattung – dann muss die Rakete autonom handeln, berechnet den voraussichtlichen Abfangpunkt und beginnt dort mit der eigenen Zielsuche.

Die Herausforderung dabei: Drohnen und Marschflugkörper besitzen extrem kleine Signaturen im Radar- und Infrarotbereich und sind daher schwer zu detektieren. Hinzu kommt die komplexe Topografie Österreichs – mit Hügeln, Tälern und Bergen –, die die Sichtlinien für bodennahe Datenverbindungen erheblich einschränkt.
Die optimale Systemauslegung für den österreichischen Beitrag zu Sky Shield ist somit alles andere als trivial – und lässt sich mit simplen „Quartettkarten”-Argumenten nicht erfassen.
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