Kaum ein europäisches Land blickt auf eine so schmerzhafte Geschichte zurück wie Polen: das wiederholte Verschwinden von der Landkarte, die Wiedergeburt 1918 und der unmittelbar folgende Abwehrkampf gegen die Sowjetunion, nur um zwei Jahrzehnte später erneut zerrissen zu werden – diesmal zwischen Nazi-Deutschland und eben jener UdSSR („Katyn”).

Diese historische Erfahrung prägt das sicherheitspolitische Denken Warschaus bis heute. Vor dem Hintergrund der wiedererstarkten Bedrohung aus dem Osten nimmt kaum ein NATO-Staat die russische Gefahr so ernst wie Polen.

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Deshalb investiert das Land seit Jahren massiv in seine Streitkräfte – mit dem erklärten Ziel, zur stärksten Landmacht Europas aufzusteigen. Und daran scheint sich auch unter Premier Donald Tusk nichts zu ändern: „Europa muss aufrüsten!”, fordert er zuletzt eindringlich.

Verdoppelung der Truppen, 5 Prozent vom BIP und Schießtraining in der Schule

Warschau untermauert seine Zielsetzungen mit einem beispiellosen Aufrüstungsprogramm: Kern des Plans ist eine massive Truppenaufstockung: Die derzeit rund 128.000 aktiven Soldaten der Berufsarmee sowie 36.000 Mitglieder der Territorialverteidigung sollen bis 2035 auf insgesamt 300.000 anwachsen – davon 250.000 aktive Soldaten und 50.000 in der Territorialreserve. Damit würden Polens Streitkräfte größer als die deutschen und französischen Armeen zusammen und innerhalb der NATO hinter den USA (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte) und der Türkei auf Platz drei rücken.

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Auch finanziell setzt das Land Maßstäbe: Schon jetzt beträgt der Verteidigungshaushalt 3,9 Prozent des BIP – das sind rund 27 Milliarden Euro – und damit mehr als der US-amerikanische Anteil von 3,49 Prozent. Langfristig soll der Anteil auf 5 Prozent des BIP steigen, was etwa 39 Milliarden Euro jährlich entspräche. Zusätzlich ist ein 31-Milliarden-Euro-Sonderfonds geplant (vergleichbar dem deutschen „Sondervermögen”), finanziert über Leasingmodelle, Anleihen und Kredite – ausschließlich zur Beschaffung neuen Materials.

Doch Polens Sicherheitsstrategie endet nicht beim Militärhaushalt. Auch der Wehrwille in der Bevölkerung soll gestärkt werden. Seit dem laufenden Schuljahr ist an den 16.000 Schulen des Landes ein verpflichtender Schießunterricht mittels Simulatoren für alle Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klassen eingeführt worden. Das ist Teil eines umfassenden Konzepts zur zivil-militärischen Landesverteidigung – und Ausdruck eines sicherheitspolitischen Ernstes, wie er in kaum einem anderen europäischen Land zu finden ist.

Polnischer F-16-Kampfjet – ©Georg Mader
Aktuell bilden F-16-Kampfjets das Rückgrat der polnischen Luftwaffe. Die Flotte soll nun umfassend modernisiert werden.

Polens Luftwaffe: Modernisierung auf breiter Front

Die polnische Luftwaffe (Wojska Lotnicze i Powietrzne, WLP) zählt rund 16.400 aktive Soldaten und betreibt auf zehn Luftwaffenbasen etwa 475 Fluggeräte, darunter 88 Kampfflugzeuge.

Zum heutigen Arsenal gehören noch 23 MiG-29A/UB und 18 Su-22M4/-UM3 – Relikte aus sowjetischer Produktion, die jedoch bald vollständig ausgemustert werden sollen. Hauptstütze der Kampfflugzeugflotte sind derzeit 48 F-16C/D Block 52 (-> 50 Jahre F-16 und kein Ende in Sicht), die sukzessive auf den neuesten technischen Stand gebracht werden.

Polen kauft F-35-Kampfjets – ©MoD Poland
Polen stärkt seine Luftstreitkräfte mit insgesamt 32 F-35-Kampfjets.

Zur weiteren Modernisierung beschafft Polen außerdem:

Die FA-50PL sollen die verbleibenden MiG-29 und Su-22 ersetzen – viele davon wurden bereits an die Ukraine abgegeben (darunter Maschinen aus Beständen der ehemaligen DDR, BRD und Tschechien). Laut Planungen der WLP wird jedoch ein Bedarf von insgesamt 160 Mehrzweckkampfflugzeugen gesehen. Für die noch fehlenden 32 Jets wird derzeit zwischen der F-15EX und dem Eurofighter abgewogen.

M-346 der polnischen Luftwaffe – ©MoD Poland
Polen hatte zunächst zwölf M-346 beschafft und später den Vertrag um weitere vier Maschinen aufgestockt.

Im unbemannten Bereich plant Polen eine Flotte von 1.200 Drohnen, darunter 1.000 bewaffnete Systeme (UCAV) – überwiegend taktische Drohnen, Aufklärungssysteme und Loitering Munitions. Ergänzend sind 24 Bayraktar TB2 des türkischen Herstellers Baykar bestellt sowie eine noch nicht festgelegte Anzahl an MQ-9B Reaper von General Atomics.

Die Aufklärungsfähigkeiten sollen ebenfalls deutlich erweitert werden: Zwei gebrauchte Saab 340 AEW&C-Flugzeuge (vormals aus den Emiraten) wurden überholt (-> Saab übergibt erstes 340 AEW&C-Flugzeug an Polen), zudem plant Polen den Start von zwei eigenen S-950-Erdbeobachtungssatelliten von Airbus Defence & Space im Jahr 2027.

Auch in der Luftbetankung und im Lufttransport wird aufgestockt: Bis Ende 2024 sollen drei C-130H Hercules von Lockheed Martin beschafft werden – als Ersatz für zwei veraltete C-130E und Ergänzung der bereits vorhandenen C-130H. In den 2030er-Jahren ist die Anschaffung von zwei Airbus A330 MRTT sowie von fünf neuen taktischen Transportflugzeugen geplant – potenzielle Kandidaten: Embraer C-390 Millennium (-> Das Bundesheer entscheidet sich für die C-390M) oder Lockheed C-130J Super Hercules.

Polnisches Saab 340 AEW&C-Flugzeug – ©MoD Poland
Alles im Blick: Polen hat bei Saab zwei 340 AEW&C-Flugzeuge in Auftrag gegeben.

Schwerpunkt beim Heer: Polens Landstreitkräfte im Fokus

Das Zentrum der polnischen Aufrüstung bildet klar das Heer (Wojska Lądowe). Mit derzeit rund 63.000 Soldaten ist es in vier Divisionen und 14 Kampfbrigaden gegliedert – zwei weitere Divisionen sind bereits in Planung.

Allerdings kämpfen viele Einheiten mit Personalengpässen: Eine Division sollte eigentlich rund 15.000 Soldatenumfassen, faktisch sind es oft nur etwa 10.000. Im Ernstfall sollen diese Einheiten durch Reservisten aufgefüllt werden.

Saab Barracuda: Tarnkappen für das Bundesheer

Nach vollständiger Umsetzung des Aufwuchsprogramms wird erwartet, dass das polnische Heer auf etwa 200.000 Soldaten anwächst – einschließlich aktiver Kräfte und Reservisten. Damit würde Polen über eine der größten Heeresstreitkräfte Mitteleuropas verfügen – und vor allem auch im Bereich der Panzerabwehr gewaltige Fähigkeiten aufbauen. So werden beispielsweise beim schwedischen Rüstungshersteller Saab neue Carl-Gustaf M4-Panzerabwehrwaffen im Wert von mehr als 1,1 Milliarden Euro beschafft. Der Auftrag beinhaltet neben den Waffen auch mehrere Hunderttausend Schuss Munition und Ausbildungsausrüstung.

Bemerkenswert ist nicht nur die geplante Größe, sondern auch die geplante Modernität der Ausrüstung: In einem Ausmaß und einer Quantität, die Streitkräfte anderer europäischer Länder – etwa Österreich, wenngleich in ganz anderer sicherheitspolitischer Lage – eher wie symbolische Übungskontingente erscheinen lassen.

Carl-Gustaf-Auftrag für Saab aus Polen endgültig fixiert – ©Saab
Warschau beschafft bei Saab neue Carl-Gustaf M4-Panzerabwehrwaffen im Wert von mehr als 1,1 Milliarden Euro.

Kampfpanzer: Polen setzt auf Masse und Modernität

Aktuell verfügt Polen über rund 638 Kampfpanzer, darunter Leopard 2A4 und 2A5, PT-91 sowie ältere T-72 sowjetischer Bauart. Letztere sollen rasch ausgemustert werden – etwa 300 Stück wurden bereits an die Ukraine abgegeben. Auch die Leopard-2-Modelle sollen perspektivisch in die Reserve überführt und durch moderne Systeme ersetzt werden.

Im Fokus der Neuausrüstung stehen zwei Modelle:

  • Der K2 Black Panther aus Südkorea und
  • M1A2 SEPv3 Abrams aus den USA.

Von den K2 plant Polen insgesamt bis zu 1.000 Stück zu beschaffen. Aktuell wurden 180 Panzer für knapp 3 Milliarden Euro fest bestellt (-> Lieferung der K2-Panzer läuft auf Hochtouren). Die übrigen 820 sollen im Rahmen eines zweiten Loses als K2PL in Polen produziert und auch das erste Los entsprechend aufgerüstet werden.

Europa modernisiert seine Kampfpanzerflotten

Die Abrams-Beschaffung gliedert sich ebenfalls in zwei Chargen: Zunächst werden 116 gebrauchte M1A1 FEP aus Beständen des US Marine Corps übernommen und später auf den SEPv3-Standard gebracht. Weitere 250 Panzer sollen direkt im modernsten Konfigurationsstand geliefert werden – insgesamt für rund 5 Milliarden Euro.

Im Endausbau sollen die Wojska Lądowe über 1.366 moderne Kampfpanzer verfügen. Geplant sind 29 Panzerbataillone mit jeweils 58 Fahrzeugen – das entspricht sogar einem theoretischen Bedarf von 1.682 Panzern.

Polen setzt damit nicht nur auf Qualität, sondern auch auf schiere Masse – und könnte künftig über die schlagkräftigsten Panzerkräfte Europas verfügen.

Polnische K2-Panzer und K9-Artillerie – ©MoD Poland
Polen rüstet seine Landstreitkräfte mit K2-Kampfpanzern und K9-Artillerie auf.

Schützenpanzer: Tausende neue Fahrzeuge für die Infanterie

Für die geplanten 53 mechanisierten und motorisierten Bataillone der polnischen Landstreitkräfte ergibt sich bei einer Sollgröße von 58 Fahrzeugen pro Einheit ein rechnerischer Bedarf von 3.074 Schützen- und Transportpanzern – eine Dimension, die in Europa einzigartig ist.

Laut dem adaptierten KSE-Vertrag von 1999 (A-KSE) dürfte Polen eigentlich nicht mehr als 2.150 Gefechtsfahrzeuge dieser Kategorie betreiben. Doch der Vertrag wurde von den NATO-Staaten nie ratifiziert und ist nach der Kündigung durch Russland im Jahr 2023 de facto ausgesetzt.

©Militär Aktuell

Die Modernisierung läuft bereits auf Hochtouren:

  • 1.400 schwimmfähige Schützenpanzer vom Typ Borsuk (Dachs) wurden bestellt – als Ersatz für die stark veralteten BWP-1 aus dem Jahr 1973. Die Serienproduktion bei Huta Stalowa Wola ist bereits angelaufen. Das Auftragsvolumen liegt bei rund 10 Milliarden Euro.
  • Im laufenden Jahr beginnt zudem die Zulieferung von 700 schweren Schützenpanzern des Typs CBWP. Diese Fahrzeuge kombinieren das Fahrgestell der Haubitze KRAB mit einem ferngesteuerten ZSSW-Turmsystem, das auch mit Panzerabwehrlenkwaffen ausgestattet ist.
  • Ergänzend werden 400 gepanzerte 4×4-Mehrzweckfahrzeuge vom Typ LPR Legwan beschafft – eine in Polen gefertigte Version des südkoreanischen KIA Light Tactical Vehicle (KLTV). Diese Fahrzeuge sind für Aufklärung und vielseitige Unterstützungsaufgaben vorgesehen.
Himars-Raketenwerfer für Polen – ©Lockheed Martin
Polen stockt seine Artillerie-Kapazitäten auch mit HIMARS-Raketenwerfern von Lockheed Martin auf.

Rohr- und Raketenartillerie: Feuerkraft im industriellen Maßstab

Moderne Gefechtsfahrzeuge benötigen zur erfolgreichen Gefechtsführung umfassende Feuerunterstützung – sei es zur vorbereitenden Zerschlagung gegnerischer Stellungen oder im Gegenfeuer. Die Erfahrung aus dem Ukraine-Krieg unterstreicht die zentrale Rolle von Artillerie im Hochintensitätskonflikt.

Polen zieht daraus Konsequenzen: Geplant ist der Aufbau von 42 Rohr- und 36 Raketenartilleriebataillonen – auch in diesem Bereich ein in Europa einmaliges Vorhaben.

Allein für die Rohrartillerie werden rund 1.000 Panzerhaubitzen benötigt. Bereits bestellt sind 648 155-Millimeter-Panzerhaubitzen des Typs K9 Thunder aus Südkorea. Vertraglich fixiert und ausgeliefert wurden bislang 48 Stück – der Großteil soll ab diesem Jahr folgen, mit zunehmender Einbindung der polnischen Rüstungsindustrie. Langfristig sollen sämtliche Systeme auf den polnischen K9PL-Standard aufgerüstet werden. Ergänzend sind 48 weitere Exemplare der inländischen AHS Krab im Zulauf.

Niederländische F-35 fangen russische Kampfjets ab

Auch im Bereich der Raketenartillerie setzt Polen auf Masse und Reichweite:

  • 20 M142 HIMARS aus den USA sind bereits bestellt, inklusive 1.667 GMLRS-Raketen und 30 ATACMS-Raketen. Eine Option auf bis zu 200 weitere Systeme besteht.
  • Parallel dazu wurden 288 südkoreanische K239 Chunmoo des Rüstungskonzerns Hanwha geordert. Beide Systeme werden seit 2024 sukzessive ausgeliefert.

Bodengestützte Luftabwehr: Mehrschichtiger Schutzschild für Polen

Angesichts der Bedrohung durch ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen (-> Zum Militär Aktuell Drohnen-Themenschwerpunkt) treibt Polen den Aufbau eines mehrschichtigen Luftverteidigungssystems mit Hochdruck voran – eines der ambitioniertesten Programme Europas.

Für den mittleren bis großen Entfernungsbereich wurden Systeme vom Typ MIM-104 Patriot beschafft. Der Vertrag im Wert von 13,8 Milliarden Euro umfasst:

  • 48 M903-Startgeräte,
  • 12 moderne LTAMDS-Radare,
  • 12 mobile Stromversorgungsanlagen und
  • bis zu 640 PAC-3 MSE-Lenkflugkörper.
MIM-104 Patriot – ©Raytheon
Polen hat sechs Batterien mit insgesamt 48 M903-Raketenwerfern des Systems MIM-104 Patriot bestellt.

Für den Bereich der kurzen bis mittleren Reichweite wurde 2023 die Einführung des Systems Narew beschlossen – einer polnischen Variante des britischen Sky Sabre. Der Vertrag (Lieferzeitraum 2026 bis 2035) sieht vor:

Narew soll insbesondere dem Schutz kritischer militärischer und ziviler Infrastruktur dienen. Die Gesamtkosten des Programms werden auf 11 bis 16 Milliarden Euro geschätzt.

Im Nah- und Nächstbereichsschutz (VSHORAD) setzt Polen auf das PSR-A Pilica+-System, das bis zu 15 Einheiten umfassen soll. Diese bestehen aus:

  • 23-Millimeter-Maschinenkanonen sowie
  • GROM- und Piorun-Lenkwaffen – beides tragbare MANPADS (-> Kleinstraketen mit großer Wirkung), die sich bereits im Ukraine-Krieg bewährt haben.

Die Auslieferung der ersten Pilica+-Systeme soll noch 2025 beginnen und den unteren Bereich des Luftverteidigungsschirms schließen.

AH-64E Apache Guardian – ©Wolfgang Jarisch
Polen erhält die größte Apache-Kampfhubschrauberflotte außerhalb der USA.

Heeresflieger: Polen erhält größte Apache-Flotte außerhalb der USA

Auch die Heeresfliegerkräfte Polens werden im Rahmen der militärischen Neuausrichtung umfassend modernisiert. Im Zentrum steht dabei das KRUK-Programm zur Beschaffung neuer Angriffshubschrauber, das die noch im Dienst befindlichen 30 Mi-24 Hind vollständig ersetzen soll.

Bestellt wurden 96 AH-64E Apache Guardian – womit Polen künftig über die größte Apache-Flotte außerhalb der USA verfügen wird. Das Paket im Wert von knapp 12 Milliarden Euro umfasst außerdem:

  • 1.844 AGM-114 Hellfire-Raketen,
  • 460 AGM-179A JAGM (Joint Air-to-Ground Missiles),
  • 508 Stinger-Flugabwehrraketen und
  • 7.650 APKWS-II (WGU-59/B) für präzisionsgelenkte 70-Millimeter-Raketen.

In einer Übergangslösung werden zunächst acht AH-64 geleast, bis die Serienauslieferungen anlaufen.

 

Wartung, Logistik und technische Unterstützung erfolgen weitgehend durch die polnische Rüstungsindustrie im Rahmen eines umfassenden Offset-Abkommens. Dieses umfasst auch Schulungsprogramme, die Einrichtung eines Verbundstofflabors sowie den gezielten Aufbau von Instandhaltungs- und Entwicklungskapazitäten. Ziel ist es, hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen und technologische Souveränität zu fördern.

Als Blaupause für diese Herangehensweise gilt die Black-Hawk-Beschaffung: Der Transporthubschrauber S-70i Black Hawk von Sikorsky (Tochterunternehmen von Lockheed Martin) wird bei PZL Mielec in Polen gefertigt – nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch für den Export. Im November 2023 wurde dort bereits die Fertigstellung des hundertsten S-70i gefeiert.

Zur Ablöse der veralteten Mi-8/-17-Transporthubschrauber hat Polen außerdem 32 AW149 von Leonardo bestellt (-> Polen erhält ersten AW169) – ein vielseitiger Mehrzweckhubschrauber, vorgesehen für Kampfunterstützung, Ausbildung, Führungsaufgaben, Aufklärung und elektronische Kampfführung.

AW149 der polnischen Armee – ©MoD Poland
Polen plant mit insgesamt 32 AW149-Helikoptern seine bestehende Mi-8/-17-Flotte zu ersetzen.

Marine: Funktionale Kräfte für die Ostsee

Im Vergleich zur massiven Aufrüstung von Heer und Luftwaffe bleibt die polnische Marine auch künftig eine eher untergeordnete Teilstreitkraft – was vor allem der begrenzten geostrategischen Reichweite in der Ostsee geschuldet ist.

Für die rund 12.000 Soldaten der Marine mit derzeit 46 Wasserfahrzeugen sind langfristig Investitionen von etwa drei Milliarden Euro vorgesehen. Diese beinhalten auch bereits begonnene Programme, darunter die geplante Beschaffung von 22 neuen Schiffen – inklusive solcher, die seit 2013 in Dienst gestellt wurden.

Kernprojekte sind:

  • Drei neue Fregatten vom Typ Arrowhead 140, deren Auslieferung für 2028, 2029 und 2031 vorgesehen ist (-> Rolls Royce liefert die benötigten Antriebssysteme) sowie
  • der Ersatz beziehungsweise die Ergänzung des letzten verbliebenen U-Boots der Kilo-Klasse durch drei neue U-Boote – mutmaßlich vom Typ KSS-III „Orca“ des südkoreanischen Herstellers Hanwha. Die Entscheidung wird noch 2025 erwartet.
Schiffe der polnischen Marine – ©Georg Mader
Zwar im Vergleich zum Heer und zur Luftwaffe unterdotiert, durchläuft aber auch die polnische Marine eine tiefgreifende Modernisierung.

Zur Verbesserung der Aufklärungs- und elektronischen Fähigkeiten beschafft Polen zudem:

  • Zwei SIGINT-Schiffe (Signals Intelligence) vom schwedischen Hersteller Saab für insgesamt 620 Millionen Euro, Auslieferung 2027 (-> Kiellegung von polnischem SIGINT-Schiff),
  • 36 Saab RBS-15 Mk3 Seezielflugkörper für die Marine sowie
  • 74 Kongsberg Naval Strike Missiles (NSM) für vier landgestützte Küstenverteidigungsbatterien.

Auch die Marinefliegerkräfte werden modernisiert: Für U-Boot-Jagd (ASW) und Search-and-Rescue-Missionen (SAR) wurden vier AW101 von Leonardo bestellt, weitere vier sind derzeit vorgesehen.

Insgesamt positioniert sich Polens Marine als kompakte, aber modernisierte Küsten- und Abschreckungskraft – fokussiert auf Verteidigung, Aufklärung und den Schutz maritimer Infrastruktur in der Ostsee.

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Die nukleare Komponente: Noch hypothetisch – aber zunehmend Thema

Polen verfügt derzeit über keine eigenen Nuklearwaffen – doch das Thema wird zunehmend politisch diskutiert. Zuletzt forderte Präsident Andrzej Duda, die USA sollten ihre in Europa stationierten Atomsprengköpfe nach Polen verlegen, um die Abschreckung gegenüber Russland zu verstärken.

In einem Interview mit der Financial Times erklärte Duda, es sei „offensichtlich”, dass die Vereinigten Staaten ihre nuklearen Kapazitäten in Europa näher an die Ostflanke der NATO heranführen sollten – sprich: nach Polen. Auf die Frage, ob dies nicht ein gefährliches Signal an Moskau sende, entgegnete Duda: „Russland hat 2023 ebenfalls Atomwaffen nach Belarus verlegt – ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen. Sie haben keine Sekunde gezögert.”

Die Reaktion aus Washington fiel bislang zurückhaltend aus: US-Vizepräsident J. D. Vance erteilte der Forderung eine erste Absage. Er habe zwar noch nicht mit Donald Trump darüber gesprochen, „aber ich wäre schockiert, wenn er eine Ausweitung von Atomwaffen nach Europa befürworten würde”.

Diehl: Iris-T bewährt sich in der Ukraine

Allerdings könnte es sich dabei um ein Missverständnis handeln: Duda forderte wohl nicht die Stationierung zusätzlicher US-Atomwaffen, sondern vielmehr die Verlegung bestehender – etwa aus Büchel (Deutschland), Aviano (Italien) oder İncirlik (Türkei). Vor allem in Deutschland wird die sogenannte nukleare Teilhabe seit Jahren kontrovers diskutiert – Dudas Vorstoß zielt offenbar auch auf diese innenpolitische Debatte.

Fakt ist: Die nukleare Komponente ist für Polen derzeit kein realer Faktor, aber sie gewinnt als strategisches Druckmittel und Signal innerhalb der NATO zunehmend an Bedeutung.

Fazit: Polen rüstet auf – aber um welchen Preis?

Abschließend sei betont: Bei den meisten der genannten Großprojekte handelt es sich um Rahmenverträge – also um Absichtserklärungen mit flexibler Abrufmenge. Es ist daher durchaus möglich, dass nicht alle angekündigten Stückzahlen tatsächlich beschafft werden. Doch selbst wenn nur die Hälfte der geplanten Vorhaben realisiert wird, dürfte Polen künftig über die stärksten Landstreitkräfte Mitteleuropas verfügen.

Polnische Artillerie feuert – ©MoD Poland
Polen treibt die Modernisierung seiner Streitkräfte mit einem breiten Maßnahmenbündel voran.

Die Bewertung zeigt ein klares Muster: Rund 75 Prozent der Investitionen konzentrieren sich auf das Heer – zulasten von Luftwaffe und Marine. Da Panzer- und Artilleriesysteme deutlich günstiger sind als moderne Kampfflugzeuge oder Schiffe, lässt sich damit vergleichsweise viel Schlagkraft aufbauen.

Doch es bleibt die Frage: Kann sich Polen diese Aufrüstung auch langfristig leisten – finanziell wie personell?

Denn: Die Kosten sind gewaltig. Der Gesamtaufwand für das Modernisierungsprogramm wird auf knapp 250 Milliarden Euro geschätzt – davon entfallen nur etwa 25 bis 30 Prozent auf die Beschaffung, der Rest auf Personal, Betrieb und Instandhaltung über den gesamten Lebenszyklus. Für eine Volkswirtschaft der Größenordnung Polens ist das ein enormer finanzpolitischer Kraftakt – mit möglichen Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur.

Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Polens Bevölkerung schrumpft leicht – ein Trend, der die Rekrutierung und langfristige Personalstärke des Militärs erschweren dürfte (Statista: Polens Bevölkerung bis 2050). Dennoch wird bereits gegengesteuert – etwa durch die Einführung flächendeckender militärischer Grundausbildung für junge Männer.

Am Ende steht ein mutiger Plan – visionär, aber auch risikobehaftet. Ob er dauerhaft politisch durchgetragen und gesellschaftlich getragen werden kann, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur: Polen meint es ernst – sehr ernst.

Quelle©MoD Poland, Saab, Lockheed Martin, Raytheon, Wolfgang Jarisch