Major Hannes Pirker ist als Unternehmensberater äußerst erfolgreich, zugleich ist er als Milizsoldat auch einer der jüngsten Bataillonskommandanten Österreichs – im Juni übernahm er das Kommando über das Jägerbataillon Tirol von Oberstleutnant Elmar Rizzoli. Mit Militär Aktuell sprach Hannes Pirker über die immense Bedeutung der Miliz für das Österreichische Bundesheer (-> hier geht es zu aktuellen Bundesheer-Meldungen), die prekäre Personalsituation in den kommenden Jahren und die Vereinbarkeit von ziviler und militärischer Tätigkeit.

Herr Major, was bedeutet Ihnen Ihre Tätigkeit in der Miliz?
Die Tätigkeit in der Miliz des Österreichischen Bundesheeres ist für mich eine ehrenvolle und vor allem sinnvolle Verpflichtung, weil ich damit meinen aktiven Beitrag zur Sicherheit und Verteidigung unseres schönen Österreichs und zur Erhaltung eines sicheren Wirtschaftsstandortes leisten kann. In der Öffentlichkeit ist teilweise unbekannt, dass die Miliz seit Jahrzehnten rund 40 Prozent des Personals für die Einsätze im In- und Ausland stellt. Tatsache ist: Die Miliz ist ständig im Einsatz. Sie ist strategische Reserve, aber auch verlässliche Stütze im laufenden Dienstbetrieb und im Einsatz.

„Die Miliz ist ständig im Einsatz. Sie ist strategische Reserve, aber auch verlässliche Stütze im laufenden Dienstbetrieb und im Einsatz.“

Wie gut lassen sich eine militärische und zivile Karriere Ihrer Meinung nach kombinieren?
Um es salopp auszudrücken: Es kommt darauf an. In der Tat leben wir in einer sich immer schneller verändernden Welt. Das betrifft auch die Laufbahn in der Miliz, denn sie hängt ganz wesentlich von den persönlichen Lebensumständen ab, also von den jeweiligen Lebensphasen und den damit verbundenen zeitlichen Ressourcen, die man für diese Tätigkeit aufwenden will und kann.

@Bundesheer
Ende Juni übernahm Major Hannes Pirker auf dem Truppenübungsplatz Lizum/Walchen symbolisch mit der Bataillonsfahne das Kommando über das Jägerbataillon Tirol.

Inwiefern?
Während des Studiums zum Beispiel ist es sicherlich leichter, sich die Zeit einzuteilen. Wer es in dieser Zeit versäumt, wesentliche Schritte in der Ausbildung zum Kadersoldaten zu machen, wird es später schwerer haben. Wenn man dann im Berufsleben steht, muss man sich auch in den ersten Jobs bewähren. Auch wenn wir uns wünschen würden, dass viele Arbeitgeber die wesentlichen Vorteile dieser hervorragenden Führungsausbildung erkennen und für sich nutzen würden, steht leider oft die Abwesenheit vom Arbeitsplatz im Vordergrund. Zu nennen sind hier Kompetenzen wie Resilienz und Lösungskompetenz in Krisensituationen, die Fähigkeit, Mitarbeiter zu motivieren und zu begeistern oder auch gelernt zu haben, Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben stringent abzuarbeiten. Hat man aber erst einmal für sich erkannt, dass man die Führungsausbildung mit all den zusätzlichen Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung auch sehr gut für die Privatwirtschaft nutzen kann, beginnen sich beide Welten, die militärische und die zivile, gegenseitig positiv zu verstärken …

… und beide Welten sind gut unter einen Hut zu bringen?
Definitiv. Sobald der Dreiklang aus eigener Einsicht, eigenem Willen und auch der positiven Erkenntnis des Arbeitgebers vorhanden ist, lassen sich beide Karrieren sehr gut miteinander vereinbaren.

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Sie sind seit Kurzem Kommandant des Jägerbataillon Tirol. Wie ist es um die Personal-, Übungs- und Ausrüstungssituation des Verbands bestellt?
Wir sind in der glücklichen Lage, mit dem Hochgebirgsjägerbataillon 24 einen Partnerverband zu haben, mit dem wir nun schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich zusammenarbeiten dürfen. Die Soldaten beider Verbände begegnen sich mit Wertschätzung und auf Augenhöhe, und es gelingt uns immer besser, uns gegenseitig so zu unterstützen, dass für alle Beteiligten ein Mehrwert entsteht.

Können Sie dafür Beispiele nennen?
So haben wir etwa unsere Milizübung 2021 so gelegt, dass wir sie als ersten Teil der Einsatzvorbereitung für den unmittelbar darauffolgenden sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz in Tirol verbuchen konnten. Die „24er” waren für den Einsatz im dritten Quartal 2021 das formierungsverantwortliche Kommando, und wir konnten sie massiv entlasten, da wir fast alle Kommandantenfunktionen und den Großteil der Fachunteroffiziere für den gesamten Einsatz aus unseren Reihen stellen konnten. Für uns lag der Vorteil vor allem darin, dass wir damit wohl das einzige selbstständig strukturierte Jägerbataillon sind, wo alle Kompaniekommandanten, deren Stellvertreter und eine Reihe an Fachunteroffizieren tatsächlich Einsatzerfahrung sammeln konnten und gleichzeitig den Umgang mit den Strukturen der Friedensorganisation (Anmerkung: ELAK, MTM, PERSIS, ERGIS, LOGIS, ….) im Detail kennenlernen durften.

Und wie steht es um die Ausrüstung Ihres Jägerbataillons?
Darüber möchte ich nicht allzu viele Worte verlieren, da dies nur vergangenheitsorientiert sein kann. Es ist ohnehin nicht mehr der Engpass, und es sind bereits verschiedene Beschaffungen im Gange. Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Aufbauplan 2032 materiell alles haben werden, um die uns übertragenen Aufgaben dann auch erfolgreich umsetzen zu können. Entscheidend wird es aber sein, die personelle Einsatzbereitschaft nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ (wieder) herzustellen.

„Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Aufbauplan 2032 materiell alles haben werden, um die uns übertragenen Aufgaben dann auch erfolgreich umsetzen zu können.“

Es braucht also nicht nur mehr Personal, sondern auch besser ausgebildetes?
Bekanntlich wurde dem Milizsystem Mitte der 2000er-Jahre die Basis der verpflichtenden Milizübungen entzogen. Ob wir uns damit nicht eigentlich außerhalb eines verfassungsrechtlich vorgesehenen Zustandes befinden, wäre zu prüfen, würde aber an dieser Stelle zu weit führen. Tatsache ist – und das betrifft sowohl den Präsenzstand als auch die Miliz –, dass wir auf nahezu allen Ebenen und in allen Funktionsgruppen mit einem Personalmangel zu kämpfen haben, der sich in den nächsten Jahren absehbar noch verschärfen wird. Wenn Politik und militärische Führung nicht zeitnah Entscheidungen treffen und Lösungen präsentieren, die wirklich zukunftsweisend sind, halte ich es persönlich für nicht möglich, 55.000 Mann der Einsatzorganisation in der geforderten Qualität gleichzeitig in den Einsatz zu bringen, wie es der Aufbauplan 2032 vorsieht. Das ist zwar ein hehres Ziel, aber unter den gegebenen (politischen) Rahmenbedingungen aus meiner Sicht nicht erreichbar. So haben wir vonseiten der Milizbataillonskommandanten an die Wehrsprecher aller im Parlament vertretenen Parteien die Forderung nach einem System 8+2, also acht Monate Grundwehrdienst und zwei Monate verpflichtende Milizübungen, gerichtet. Dies wäre eine Möglichkeit, die Einsatzbereitschaft der Einsatzorganisation personell zu erhöhen und damit einen verfassungskonformen Zustand herzustellen. In Wahrheit müsste man aber auch – und da darf es keine Denkverbote geben – das System von beamteten Militärs grundsätzlich infrage stellen.

Diese Diskussionen hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben …
… aber jedes Mal ohne Ergebnis. Es ist kein zukunftsträchtiges Konzept und sollte daher dringend an die Standards von vergleichbaren Armeen mit Wehrpflicht, wie beispielsweise dem Schweizer Modell, angepasst werden.

Gibt es für Ihr Bataillon Pläne für die Zukunft?
Ja, wie im vorigen Punkt ausführlich diskutiert, liegt die größte Herausforderung im Personalbereich. Wir können hier nicht auf politische Entscheidungen zu unseren Gunsten warten, sondern müssen uns selbst noch mehr um den Nachwuchs kümmern. Das Projekt „Miliz wirbt Miliz“ gilt es daher mit aller Kraft zu unterstützen und weiter auszubauen. Insbesondere werden wir uns in nächster Zeit den Milizkameraden mit befristeter Beorderung, den Milizkameraden ohne Beorderung und den Kameraden im Reservestand widmen.

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Wird diese Fokussierung genügen?
Nüchtern betrachtet können wir trotz aller Bemühungen, Grundwehrdiener für eine Funktion in der Miliz zu gewinnen, allein aufgrund der geringen Anzahl an Grundwehrdienern, die im Bundesland zur Verfügung stehen und dann für die Miliz überhaupt beorderbar sind, unsere Nähr- und Ersatzrate nicht abdecken. Schließlich sind wir nicht der einzige Verband, der Soldaten im Milizstand benötigt. Man darf auch nicht vergessen, dass tatsächlich mehr als die Hälfte der beorderten Milizsoldaten in den Milizanteilen (also beispielsweise in den präsenten Verbänden) beheimatet sind. Diese haben ebenso wie die anderen selbständig strukturierten Einheiten im Bundesland einen hohen Nachwuchsbedarf. Der Rückgriff auf die ehemaligen Grundwehrdiener ist daher die einzige Möglichkeit zur Deckung des Fehlbedarfs an übungspflichtigen Soldaten. Nur wenn wir in unseren jeweiligen Funktionen auch üben, werden wir unsere Aufgaben auch bewältigen können. Daher nochmals der dringende Appell an die politische Führung unseres Landes, sich mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen, wenn wir im Falle des Falles nicht der Ernüchterung unterliegen müssen, dass die Einsatzorganisation eben nicht einsatzfähig ist, wenn sie gebraucht wird.

In Ihrem Zivilberuf sind Sie Geschäftsführer bei Moore Salzburg Consulting. Wieso ist es Ihnen wichtig, bei so viel beruflichem Erfolg auch noch die militärische Karriere voranzutreiben?
Erfolgreiche Unternehmen sind bereit, mehr zu leisten. Das bedeutet, der Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Kunden gerecht zu werden und gleichzeitig wettbewerbs- und zukunftsfit zu bleiben. Wir bei Moore Salzburg tun das jeden Tag mit Leidenschaft und aus Überzeugung. Für mich ist es eine Bürgerpflicht, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, denn nur so kann unser System funktionieren. Dabei ist es nicht entscheidend, in welchen (Einsatz-)Organisationen sich Menschen engagieren. Wichtig ist, dass sie es überhaupt tun.

„Für mich ist es eine Bürgerpflicht, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, denn nur so kann unser System funktionieren. Dabei ist es nicht entscheidend, in welchen (Einsatz-)Organisationen sich Menschen engagieren. Wichtig ist, dass sie es überhaupt tun.“

Ab wann war für Sie klar, dass Sie beim Heer – in welcher Form auch immer – Karriere machen könnten?
Für mich war schon in meiner späten Jugend klar, dass das Militär eine sehr gute Führungsausbildung bietet, die ich auch zivil nutzen kann. Dies hat sich im Laufe der Zeit mehr als bestätigt. Ich kann daher jungen Menschen nur wärmstens empfehlen, sich für eine Führungsausbildung beim Österreichischen Bundesheer zu entscheiden. Egal, welche Anforderungen und Herausforderungen der jeweilige Beruf mit sich bringt, die einzigartige Kombination aus militärischer Führungsausbildung und einsatzorientierter Übungsverpflichtung ist Gold wert und international unschlagbar! Konsequent zu Ende gedacht ist es für mich persönlich daher auch sinnvoll, die militärische und zivile Karriere in Balance zu halten.

Quelle@Bundesheer