Die ungarische Luftwaffe erhält bis 2024 insgesamt zwölf Maschinen des einstrahligen Jet-Trainer-Typs L-39NG des tschechischen Flugzeugbauers Aero Vodochody. Laut Gáspár Maróth, ungarischer Regierungskommissar für Verteidigungsentwicklung, seien die für die Beschaffung notwendigen Verträge fixiert und die dazugehörige Bestellung offiziell platziert worden.
Es ist laut Maróth geplant, die leichten Jets in zwei Versionen zu betreiben. Dadurch soll einerseits die Pilotenschulung deutlich an Qualität gewinnen, andererseits sollen vier Maschinen in einer neuen, aber nicht näher definierten, Aufklärungsversion betrieben werden. Diese soll – wie es hieß – „im Rahmen einer gemeinsamen ungarisch-tschechischen Forschungsinitiative entwickelt werden und zu einem späteren Zeitpunkt beiden Luftwaffen zur Verfügung stehen”.
Eine der Schlüsselkomponenten der 2016 begonnenen, gesamten ungarischen Streitkräfteentwicklung (Überbegriff „Zrínyi 2026”) sei eben die Pilotenausbildung gewesen, so der Regierungskommissar. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sollen explizit acht der neuen Flugzeuge dienen. Neben der Fortgeschrittenenausbildung wären die L-39NG auch geeignet, als Einsatztrainer für die Piloten der insgesamt 14 ungarischen JAS 39EBS HU zu dienen. Die ungarische Gripen-C/D-Flotte wurde erst Ende des vergangenen Jahres durch Implementierung des Upgrades MS20 Block II für die Zukunft „ertüchtigt”. Teil des Pakets war auch die Einrüstung von IRIS-T Luft-Luft-Lenkflugkörpern.
Gewaltiges Erbe
Die L-39NG (Next Generation) ist eine Weiterentwicklung des mit mehr als 3.000 Stück überaus erfolgreichen zweisitzigen Jet-Trainers und leichten Angriffsflugzeuges Aero L-39 Albatros, welches auch in der ungarischen Luftwaffe mit ex-DDR/NVA-LSK 24 L-39ZO von 1993 bis 2010 betrieben wurde. Der NG ist aber eine mit Roll-Out im Oktober 2018 vorgestellte, vollständige Neufertigung mit konstruktiven Änderungen. So entfallen bei der neusten Version die herkömmlichen Tanks an den Flügelspitzen. Stattdessen findet der Treibstoff in den neu entwickelten Flächentanks Platz, was eine Steigerung des Gesamtvolumens und der damit verbundenen Reichweite zur Folge hat. Auch das Kabinendach wurde erneuert und ermöglicht beiden Besatzungsmitgliedern eine deutlich bessere Rundumsicht. Des Weiteren sind bewährte Schleudersitze des Typs Martin Baker Mk 16 verbaut, wie sie in den jeweiligen Sub-Versionen auch in der F-35 oder dem Eurofighter zu finden sind. Zudem stehen mit fünf Aufhängepunkten Möglichkeiten für die Mitnahme von Außenlasten wie Luft-Luft-Raketen, Luft-Boden-Raketen, Bomben und 12,7- oder 20-Millimeter-Maschinengewehr-/Kanonenbehälter zur Verfügung. Das neue Muster wird von einem Williams International FJ44-4M-Turbofan-Triebwerk angetrieben, womit in einer Höhe von 6.000 Metern eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 775 km/h erreicht werden kann, die maximale Flughöhe wird mit 11.500 Metern angegeben, die Reichweite mit rund 2.600 Kilometern (siehe auch unser Beitrag zur Zertifizierung des Musters).
Laut internationalen Kontakten von Militär Aktuell sollen für die neue Variante bei Aero Aufträge zumindest aus dem Senegal und Vietnam vorliegen, insgesamt für rund 20 Stück. Auch die tschechische Ausbildungseinrichtung LOM-Praha soll vier Stück erhalten, zudem ist man nach wie vor an der immer noch ausstehenden österreichischen „Neuausrichtung” der Luftraumüberwachung und deren Personal-Unterbau interessiert. Zudem wird auch aus der weltweiten und jährlich versammelten L-39-„User Group” – rund 20 Länder fliegen noch die ältere Basisversion – reges Interesse am NG kolportiert.
„Ungarn-Connection” keine Überraschung
Die nunmehr fixierte ungarische Beschaffung kam spätestens nach dem jüngst vollzogenen Eigentümerwechsel nicht überraschend, das Interesse der „Magyar Legierö” an den neuen Maschinen von Aero Vodochody nahm zuletzt aber nochmals zu. Im Juli 2021 wurde der Verkauf des tschechischen Flugzeugbauers (nach 14 Jahren als Teil der Penta-Gruppe) an die Vodochody Holdings HU beschlossen. Deren Eigentümer ist das ungarische Unternehmen HSC Aerojet Zrt, an dem der ungarische Geschäftsmann Kristóf Szalay-Bobrovniczky (Bild) eine Mehrheit von 80 Prozent und die tschechische Rüstungsfirma OMNIPOL (kontrolliert von der Familie Háva) die restlichen 20 Prozent hält.
Der Verkauf umfasst übrigens auch den Werks-Flughafen bei Odolena Voda nördlich von Prag. Medienberichten zufolge ist die ungarische Beschaffung – es wurde kein finanzielles Volumen bekannt – übrigens nur durch eine Garantie in Höhe von 150 Millionen Euro der ungarischen Entwicklungsbank möglich gewesen, wozu ein Regierungsbeschluss erforderlich war.
Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Aero Vodochody.