Unterschätzen darf man das nicht, was da am 14. April vor der Küste der Ukraine im Schwarzen Meer passiert ist: Die „Moskwa” war das größte in einem Krieg versenkte Kriegsschiff seit dem japanischen Schlachtschiff „Ise” am 28. Juli 1945 und das größte von einer Küstenbatterie versenkte Kriegsschiff seit dem Schweren Kreuzer „Blücher” am 9. April 1940. Der argentinische Kreuzer „General Belgrano” war gemessen an der Verdrängung doch ein ganzes Stück leichter und wurde zudem von einem atomgetriebenen U-Boot versenkt.

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Es dürfte der Besatzung schnell klar geworden sein, dass die „Moskwa”, die zunehmend Schlagseite bekam und in dichten Rauch gehüllt war, nicht mehr zu retten sein wird.

Russland behauptet zwar nach wie vor, dass die „Moskwa” infolge eines Brandunfalls und eines Sturms verloren ging. Die inzwischen veröffentlichten Bilder lassen aber eindeutig schwere Schäden am Rumpf des Kriegsschiffes erkennen, die unmöglich durch den Inhalt der gepanzerten Magazine der beiden AK-630 Revolverkanonen im beschädigten Bereich entstanden sein können. Es gab zwar einen sehr schweren Brand, den ganzen Rumpf entlang zeigen sich Rauchspuren. Im rückwärtigen Bereich des Rumpfes ist aber außerdem ein Riss erkennbar, ebenso auf den Deckplatten in dem Bereich – beides Indizien für sehr hohe Temperaturen, die zu Verformungen des Metalls und den Brüchen geführt haben könnten. Einen Sturm, wie von Russland behauptet, gab es zur Zeit des Untergangs der „Moskwa” und unmittelbar davor allerdings definitiv keinen. Aktuellen Wetterdaten zufolge herrschten Windgeschwindigkeiten von 10 bis 20 km/h vor, der Wellengang lag irgendwo bei ein bis eineinhalb Metern.

Es liegt also die Vermutung nahe, dass die „Moskwa” tatsächlich von einem Anti-Schiff-Lenkflugkörper (ASM/LFK) Neptun getroffen worden ist, wie von der ukrainischen Seite behauptet. Was so einfach klingt, wurde aber erst durch das komplizierte „Spiel-und-Gegenspiel” von Elektronik und Sensoren der beiden an den Kämpfen beteiligten Seiten möglich – wie unsere Analysen zeigen.

@Archiv
Die Beschädigungen am Rumpf der „Moskwa” sind klar zu erkennen.

„Slawa-Klasse” im Schwarzen Meer
Aber alles der Reihe nach, beginnen wir unsere Zusammenfassung der Ereignisse mit einer Einordnung der „Moskwa”. Beim Projekt „1164 Atlant”, von der NATO als „Slawa-Klasse” bezeichnet, handelt es sich um eine Klasse von Lenkwaffenkreuzern der sowjetischen und später der russischen Marine. Das Konzept dahinter: Der Kreuzer sollte mit schweren Anti-Schiff-Lenkflugkörpern vor allem US-Flugzeugträgerverbände im Atlantik auf große Entfernung bekämpfen können, während er sich selbst mit einem mehrfachen Flugabwehr-Schirm schützt.

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Im Kontext des Ukraine Krieges war die „Moskwa” bis zum 14. April das beherrschende Element der Fliegerabwehr der Schwarzmeerflotte und die diesbezüglich mit Abstand kampfstärkste Einheit in diesem Seeraum. Außerdem war es das einzige Schiff der russischen Marine mit Nuklearwaffenkapazität im Schwarzen Meer. Mit der „Moskwa hat die russische Schwarzmeerflotte also deutlich an Fähigkeit eingebüßt, sich vor Luftangriffen zu schützen. Damit ist sie auch in ihrer Bewegungsfreiheit – auch gegenüber der NATO – fortan erheblich eingeschränkt.

Elektronische Kampfführung (EloKa)
Nun ist es natürlich für ein Kriegsschiff von Relevanz wie viele Lenkflugkörper und Geschütze es hat. Wie groß, wie schwer und wie schnell und weit sie fliegen und schießen können. Letzten Endes ist das aber völlig untergeordnet. Denn ob sie überhaupt etwas treffen können, ja selbst ob sie überhaupt abgefeuert werden können, weil ihre Feuerleitsysteme ein Ziel identifizieren können, darüber entscheidet nur der elektronische Kampf.

@CC BY 4.0/Mil.ru
Auf dieser Luftaufnahme aus dem Jahr 2012 war die Welt der „Moskwa” noch in Ordnung.

Das elektronisches System der „Slawa-Klasse”
Kriegsschiffe sind geradezu gespickt mit aktiven und passiven Sensoren und Einrichtungen zur elektronischen Kampfführung. Die „Slawa-Klasse” ist hier keine Ausnahme. Sie verfügt über je zwei 2D- und 3D-Radargeräte für die Luft- und Seezielsuche für Entfernungen bis zu 370 Kilometer, und über ein Feuerleitradar mit 500 Kilometer Reichweite für die 16 schweren SS-N-12 Sandbox Anti-Schiff-Lenkflugkörper. Zur Ausstattung der „Moskwa” gehörte auch ein Volna 3R41 Top Dome Feuerleitradar mit 165 Kilometer Reichweite für die 64 SA-N-6 Grumble Boden-Luft-Lenkflugkörper und zwei 3R33 Pop Group Feuerleitradargeräte mit 40 Kilometer Reichweite für die SA-8 Gecko Boden-Luft-Lenkflugkörper auf 2 x ZIF-122 Doppelstartern. Weiters ein Feuerleitradar plus Laserentfernungsmesser und TV Kamera für das AK-130(mm) Zwillingsgeschütz, drei Feuerleitradargeräte inklusive Laserentfernungsmesser und TV Kamera für die sechs 30 mm Nahbereichs-Revolverkanonen AK-630, fünf Navigations- und Suchradargeräte und vier Sonargeräte. Die „Moskwa” verfügte außerem über mindestens 14 Antennen zur passiven Suche von fremden Signalen sowie zur aktiven Störung dieser Signale, zwei Systeme mit zusammen mindestens 14 Störkörperwerfern für die Bereiche Radar, elektro-optisch und Infrarot. Dazu noch mehrere Satelliten-Kommunikations- und Navigations-Antennen, Daten-Link und Freund-Feind-Erkennungssysteme sowie Antennen für die Funkkommunikation in verschiedenen Bändern und noch einiges mehr. Dazu kommen Systeme für die Torpedos und die Waffen gegen U-Boote, die wir an dieser Stelle allerdings nicht erwähnen wollen, sie spielen rund um die Geschehnisse am 14. April keine Rolle.

Dem Kreuzer standen somit zur Verteidigung gegen Lenkflugkörper drei sich gut ergänzende Flugabwehrsysteme zur Verfügung. Unterstützt wurden diese von – allerdings bereits angejahrten – elektronischen Leitsystemen, die vor allem auch in der Anzahl von Zielen, die sie gleichzeitig verwalten konnten, eingeschränkt waren. Definitiv in die Jahre gekommen waren auch die Störsysteme der „Moskwa” und ihres Schwesternschiffs „Varyag” (siehe Video unten). Zu hochmodernen Täuschungsmethoden wie JAFF und CHILL samt Dopplerkorrektur war das Schiff damit nicht in der Lage.

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Erwähnen muss man auch, dass es bei so viel Technik ständig irgendwo Defekte und Probleme gibt. Die Gefechtsbereitschaft ist immer irgendwie eingeschränkt – das ist auch bei anderen Marinen „part of the game”. Der Kapitän bekommt derartige Vorkomnisse täglich gemeldet und muss diese Probleme in seiner Einsatzführung berücksichtigen. Auch, wenn einige der angesprochenen elektronischen Systeme auch auf anderen Schiffen zu finden sind, muss unterm Strich trotzdem festgehalten werden, dass die „Moskwa” über eine einzigartige Signatur im Schwarzen Meer verfügte. Es handelte sich bei dem Schiff – sinnbildlich gesprochen – um das einzige knallgelbe und noch dazu blinkende Exemplar in einem Becken voller grauer Quietsche-Entchen.

@CC BY 4.0/President.gov.ua
Neptun-Starter mit Supportfahrzeugen und Mannschaft.

Der Neptun-Anti-Schiff-Lenkflugkörper (ASM/LFK) der ukrainischen Marine
Gegenüber der „Slawa-Klasse”, deren Entwicklung Ende der 1960er-Jahre begann und die mit 1985 in Bau ging, ist die RK-360MC Neptun mit einer Entwicklung ab 2013 und Indienststellung im Jahr 2021 hochmodern. Das System stammt von der russischen Kh-35U ASM ab, die auffälligsten Unterschiede sind der verlängerte Rumpf und der größere Start-Booster sowie die völlig neu aufgebaute Sensorik und Steuerungselektronik. Die Länge wird mit 4,4 Meter (inklusive Booster 5,05 Meter) angegeben. Beim Start wiegt der Lenkflugkörper 870 Kilogramm, davon alleine der Gefechtskopf 150 Kilogramm. Die Reichweite des unterschall-schnellen Lenkflugkörpers wird mit 200 bis 300 Kilometer geschätzt. Die Flughöhe soll im Marschflug 10 bis 30 Meter, beim Zielanflug aber nur mehr vier bis fünf Meter betragen.

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Von besonderer Bedeutung ist das Zielzuweisungssystem der Neptun ASM. Der Sensor der landgestützten Batterie ist das als Mineral-U bezeichnete Such- und Folge-Radarsystem. Die Systembeschreibung weißt darauf hin, dass es vor allem passiv elektronische Emissionen auf bis zu 600 Kilometer aufspüren kann und nur aktiv sendet, um Ziele aufzuspüren, die nicht selbst aktiv senden. Per Ende 2021 soll die ukrainischen Marine zwei dieser Geräte einsatzbereit gehabt haben.

Eine typische Neptun-Küstenverteidigungs-Batterie besteht aus einem RCP-360 Kommandofahrzeug, mindestens einem Mineral-U Radargerät, sechs USPU-360 Startfahrzeugen mit insgesamt 24 startbereiten Lenkflugkörpern sowie zwölf TM/TZM-360 Transport- und Ladefahrzeugen mit weiteren 48 Lenkflugkörpern.

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Steuerung von Anti-Schiff-Lenkflugkörpern
Bei der Betrachtung des Neptun-Systems muss man berücksichtigen, dass es bisher keinerlei Angaben zu Steuerung und Suchkopf der Lenkflugkörper gibt. Historisch begonnen hat die entsprechende Entwicklung mit einer Radio-Kommandosteuerung. Davon ist man aber längst abgekommen – es lässt sich zu leicht entdecken und stören. Grundsätzlich immer vorhanden ist ein Trägheitsnavigationssystem und in den meisten Fällen ein aktiver Radarsucher für den Endanflug im Zentimeter- oder Millimeterwellenbereich. Alternativen dazu gab es auch immer – beispielsweise eine Geländerkennung wie bei der Tomahawk für Lenkflugkörper die auch für Einsätze an Land oder in Küstengebieten gedacht sind, oder eine passive Radarlenkung wie bei der ARMAT.

GeoTalk #20: Welche Waffen helfen der Ukraine nun?

Die Fortschritte im Bereich Mikroelektronik haben mit der Zeit jedenfalls immer mehr Möglichkeiten geboten. GPS und Datenlink benötigen kaum mehr Raum und Gewicht und innovative Softwarelösungen erweitern die Möglichkeiten universellerer Hardware. So hat zum Beispiel jedes Radar einen Empfänger, der natürlich sehr genau weiß, in welcher Frequenz sein Radar gerade sendet. Dieser Empfänger kann in seinem Bereich aber auch andere Signale empfangen und darauf reagieren, wenn er über eine entsprechende Datenbank verfügt. Dann kann das Aktivradar stumm bleiben. Die modernsten Lenkflugkörper am Markt setzen zunehmend auf passive Zielverfassung. Bildgebendes Infrarot und eine Zieldatenbank sind Möglichkeiten, um genau das Schiff zu treffen, das man möchte. Hybridlösungen um die Vielfalt an Verteidigungssystemen der Schiffe zu überwinden sind ebenso am Markt. Einige Lenkflugkörper setzen auf Geschwindigkeiten weit im Überschallbereich, andere auf listige Ausweichmanöver. Die Möglichkeit größere Lenkflugkörper mit Scheinziel- und Störkörperwerfern auszustatten muss man auch in Betracht ziehen.

@CC BY 4.0/ПТУ-3 г. Херсон (PTU-3 g. Kherson)
Das nie fertiggestellte Schwesternschiff der „Moskwa”, die in der Ukraine vor Anker liegende „Ukraine” war den ukrainischen Kräften eine perfekte Vorlage für ihre Angriffsplanungen.

Das Ass im Ärmel
Es gibt rund um die Ereignisse noch einen Faktor, der gerne übersehen wird. Den Ukrainern steht etwas weltweit absolut einzigartiges zur Verfügung: ein 1:1 Modell der „Moskwa”. Das nie fertiggestellte Schwesternschiff „Ukraina” liegt bis heute am Pier von Mykolaiv. Adresse: Naberezhna St, 24, Mykolaiv, Mykolaivs’ka oblast, Ukraine, 54000. Mehrere Versuche das zu 95 Prozent fertig gestellte Schiff zu veräußern sind in den vergangenen Jahren im Sand verlaufen.

Das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte war durch den Namen „Moskwa” nicht nur ideologisch, sondern durch seine besondere Funktion als Primärschutz der russischen Flotte vor Luftangriffen, als größte militärische Einheit im Schwarzen Meer, das den einzigen Seezugang der Ukraine darstellt, auch strategisch das wichtigste Ziel. Es muss bei der Entwicklung des Neptun-Anti-Schiff Systems besonders im Fokus gestanden haben – und die „Ukraina” war dafür die perfekte Blaupause.

TB-2 Bayraktar Drohne und P-8 Poseidon
Verschiedentlich wurde in diversen Berichten erwähnt, dass sich zum Zeitpunkt des Treffers sowohl eine ukrainische TB-2 Bayraktar Drohne als auch ein P-8 Poseidon-Seeaufklärer im Luftraum um die „Moskwa” befunden haben. Auch wenn sie nicht unmittelbar in das Geschehen eingegriffen haben, müssen sie mittelbar Einfluss gehabt und auch Kapazitäten im Operationszentrum des Kreuzers gebunden haben. So wird dem Top Dome Radar des Schiffes nur die Fähigkeit zugesprochen maximal sechs SA-N-6 Lenkflugkörper auf drei Ziele verarbeiten zu können. Jedes der beiden Pop Group Feuerleitradargeräte für die SA-8 Gecko kann überhaupt nur ein Ziel verarbeiten – mehr macht hier auch keinen Sinn, denn der Starter trägt nur zwei Lenkflugkörper, die gemäß der seit jeher geltenden russischen Doktrin beide auf ein Ziel abgefeuert werden, um die Trefferchance zu erhöhen.

@CC BY-SA 4.0/Bayhaluk
Zur Zeit des Angriffs auf die „Moskwa” befand sich offensichtlich auch eine Bayraktar-Drohne der ukrainischen Streitkräfte in der Region.

Salvenmodell
Absolut alles lässt sich theoretisch berechnen. Auch der Kampf zwischen Schiffen und Lenkflugkörpern. Die theoretischen Grundlagen dafür lieferte US Navy Captain Wayne Hughes in seiner Arbeit „Fighting the Fleet: Operational Art and Modern Fleet Combat”. In diese Gleichungen werden die offensive Kampfkraft, also wie viele Lenkflugkörper man auf ein Schiff abfeuern kann, mit der defensiven Kampfkraft, also wie viel Fliegerabwehr-Lenkflugkörper und Geschütze, Störsender, Störkörperwerfer und Köder verwendet werden können, gegenübergestellt.

Gemäß Hughes Formeln hätten mindestens elf Neptun-Lenkflugkörper zum Einsatz kommen müssen – sechs hätte es gebraucht um die drei Lagen an Flugabwehrsystemen zu überwinden, fünf um ausreichend Schaden zu gewährleisten, damit das Schiff auch untergeht. Nach allem was man heute weiß, wurden allerdings nur zwei Neptun abgefeuert und beide haben getroffen.

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Der Treffer
Die Position an der die „Moskwa” wahrscheinlich getroffen wurde, konnte mittels Bild eines SAR-Satelliten (Synthetic Aperture Radar) mit 45°10’43.39″N, 30°55’30.54″E bestimmt werden. Das liegt ziemlich genau 145 Kilometer südlich vom Zentrum Odessas, etwa 55 Kilometer östlich der Schlangeninsel. Zum südlichsten Teil der ukrainischen Küste im Schwarzen Meer sind es rund 95 Kilometer nach Westen. Es ist davon auszugehen, dass das Startfahrzeug beim Abfeuern nicht an der Küstenlinie stand, sondern irgendwo in einem rückwärtigen Bereich. Selbst bei 25 Kilometern Entfernung zur Küste lässt sich eine Flugzeit von längstens zwölf Minuten ermitteln. Zum Zeitpunkt des Einschlags dürften somit nicht nur der 150 Kilogramm schwere Gefechtskopf sondern auch noch rund 40 Prozent des Kerosin-Treibstoffs für das Marschtriebwerk an Bord des Lenkflugkörpers gewesen sein. Als Brandbeschleuniger für die ersten Minuten nach dem Treffer ist der Resttreibstoff nicht unwesentlich.

Ukraine: Das Kriegsgeschehen im Zeitraffer

Mit ökonomischer Fahrtstufe – und wieso hätte die „Moskwa” schneller fahren sollen? – bewegt sich ein „Slawa-Klasse”-Kreuzer mit 18 Knoten (rund 33 km/h). Das ergibt innerhalb von zwölf Minuten einen Radius von maximal sieben Kilometern. Sollte die TB-2 Bayraktar Drohne und/oder die P-8 Poseidon während des Fluges der Lenkflugkörper die Position der „Moskwa” an das Neptun-Kommandofahrzeug übermittelt, und dieses den Lenkflugkörpern entsprechende Kurskorrekturen befohlen haben, dann haben die Neptun-Lenkflugkörper eventuell nie ihren Tiefflugmodus verlassen. Technisch ist so ein Datentransfer, insbesondere wenn man den Entwicklungszeitraum 2013 bis 2021 betrachtet, kein Problem. Ebenso problemlos möglich ist ein (teil)passiver Suchkopf der Lenkflugkörper. Anti-Radar-Lenkflugkörper im Anti-Schiff-Einsatz sind seit Jahrzehnten geübte Praxis – und die „Slawa-Klasse” trägt geradezu einen „Antennenwald” mit sich herum. Die Neptun-Lenkflugkörper haben ziemlich genau Mittschiffs getroffen, also mitten hinein ins elektronische Gefechtszentrum des Schiffes – genau dort wo der „Antennenwald” am dichtesten ist.

Schadenskontolle
Zumindest in den Marinen der NATO-Staaten ist „Schadenskontrolle” geradezu eine Religion (siehe auch Video unten). Vom Kapitän bis zum einfachen Matrosen ist jeder Feuerwehrmann und Leck-Bekämpfer. Und in jedem Raum der Schiffe wird Equipment zur Schadenskontrolle bereit gehalten. Leidvolle Erfahrungen aus vielen Kriegen haben zu dieser Einstellung geführt.  Die Übungen werden mit hoher Frequenz und Intensität auf jedem Militärschiff abgehalten. Am 12. Oktober 2000 wurde der US Zerstörer „USS Cole” (DDG-67) im Hafen von Aden von einem Selbstmordkommando attackiert. Im Rumpf entstand an der Wasserlinie ein riesiges Loch. 17 Seeleute starben, 37 wurden verwundet. Der Rest der rund 350 Mann starken Besatzung war aber in der Lage den Wassereinbruch zu stoppen. Die „USS Cole” versieht nach umfangreicher Reparatur auch heute noch ihren Dienst.

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Die russische Navy legt allerdings nicht so viel Wert auf Schadenskontrolle. Bei internationalen Übungen und Bordbesuchen wurde der Umstand, dass in allen Bereichen deutlich weniger Werkzeug zur Schadenskontrolle bereit gehalten wird, nicht nur einmal erwähnt. Auch im Westen wird ein Kriegsschiff mit einer Verdrängung von 11.500 Tonnen durch den Einschlag zweier Lenkflugkörper mit 300 Kilogramm Sprengstoff und rund 50 Litern Kerosin-Treibstoff außer Gefecht gesetzt. Aber es sollte schwimmfähig und zumindest eingeschränkt fahrfähig bleiben im Rahmen normaler Wetterlagen. Die „Moskwa” hingegen wurde noch in der Nacht evakuiert und sank Tags darauf in ruhiger See.

Schlussfolgerung
Am 14. April hat die ukrainischen Marine das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, den Raketenkreuzer „Moskwa”, also mit zwei RK-360MC Neptun Anti-Schiff-Lenkflugkörpern getroffen. Welche Umstände auch immer zum Untergang des Schiffes beigetragen haben – eindeutig scheint, dass die passiven und aktiven Verteidigungssysteme der „Moskwa” nicht in der Lage waren, das Schiff effektiv zu schützen. Die deutlich moderneren und elektronisch sicher sehr leistungsfähigen Lenkflugkörper haben sich in dem Fall als sehr effektiv erwiesen.

@Archiv
Wie viele Seeleute nach dem Untergang der „Moskwa” gerettet werden konnten ist offiziell nicht bekannt.

Es ist wahrscheinlich, dass mit der Zeit weitere Details zum Gefecht öffentlich werden. Die ukrainische Seite hat natürlich genaue Kenntnis ihrer Handlungen. Ebenso muss die NATO, die sehr intensiv Aufklärung betreibt, über zumindest einige Aufzeichnungen – Radar, Funkverkehr, Daten – verfügen. Was die russische Seite zur Aufklärung beitragen will, wird oder überhaupt kann ist unklar. Genau dort, wo an Bord der „Moskwa” in den entscheidenden Minuten das Gefecht geführt wurde, im elektronischen Gefechtszentrum des Schiffes, sind offenbar die beiden Lenkflugkörper eingeschlagen. Zumindest Unterlagen betreffend der russischen Bewertung der Lage und Fähigkeiten der ukrainischen Kräfte sowie zum Auftrag des Schiffes sollte es im Hauptquartier der Schwarzmeerflotte jedenfalls geben.

Am 15. April bestätigte das Russchische Verteidigungsministerium offiziell den Tod des Kommandanten des Kreuzers „Moskwa”, Kapitän des 1. Ranges, Kuprin Anton Walerjewitsch. Bestätigte Zahlen über Gefallene, Vermisste, Verwundete und Gerettete des Schiffes gibt es hingegen nicht.

Am 17. April wurde bekannt, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Navy Commander Oleksii Neizhpapa „für die Durchführung einer brillanten Operation, von der jeder bereits weiß” zum Vize-Admiral befördert hat. Ebenfalls am 17. April wurde laut Augenzeugenberichten der Kommandant der russischen Schwarzmeerflotte, Flottenadmiral Igor Osipov, von Personen in Zivil festgenommen und in Gewahrsam genommen.

Nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle noch einmal sein, dass die „Moskwa” ein potentieller Nuklearwaffenträger war. Die SS-N-12 Lenkflugkörper hätten alternativ mit konventionellen Gefechtsköpfen mit 350 Kilotonnen Nuklearsprengköpfen bestückt werden können.

Am 22. April wurde gemeldet, dass sich das 110 Jahre alte Bergungsschiff „Kommuna” in Sewastopol für einen Einsatz bereit macht. Am selben Tag kam außerdem die Meldung, dass vier „Kilo-Klasse”-Unterseeboote im Gebiet vermutet werden. Jedenfalls scheint es so als ob es was zu schützen und zu bergen gibt. Mittlerweile kursieren auch erste Aufnahmen der auf Grund liegenden „Moskwa” im Netz.

@Archiv

Quelle@Archiv, @CC BY 4.0/ПТУ-3 г. Херсон (PTU-3 g. Kherson), CC BY 4.0/President.gov.ua, CC BY-SA 4.0/Bayhaluk, CC BY 4.0/Mil.ru