Als Joe Biden heuer ins Weiße Haus kam, versprach er, mit seinen politischen Gegnern zusammenzuarbeiten, um „Dinge zu erledigen”. Aber der Kongress der Vereinigten Staaten ist seit seiner Amtseinführung so bitter gespalten wie nie zuvor, vielleicht noch tiefer als zu Zeiten Donald Trumps. So konnten sich Demokraten und Republikaner nicht auf die Notwendigkeit einigen, Billionen Dollar für Maßnahmen zur Linderung von Corona und für die Forschung dagegen auszugeben. Sie konnten sich auch nicht auf eine unabhängige Kommission für die – Donald Trump unterstellten – Krawalle im Kapitol am 6. Jänner, auf ein Infrastrukturausgabenpaket oder eine nationenweite Polizeireform einigen.
Wofür sich aber am Mittwoch dem 9. Juni eine ausreichende Mehrheit konservativer und progressiver Senatoren fand, war die Verabschiedung eines umfassenden Gesetzentwurfes in Höhe von rund 205 Milliarden Euro, der es den USA ermöglichen soll, mit China im Kampf der rivalisierenden Supermächte um wirtschaftliche und (militär)technologische Vorherrschaft zu konkurrieren und das Reich der Mitte – so der ausdrückliche Wunsch – zu besiegen.
Der Gesetzentwurf – angenommen mit 68 zu 32 Stimmen – wird offiziell als „US- Innovation- and Competition-Act” bezeichnet. In Washington und US-Medien wird er umgangssprachlich aber auch „Anti-China-Gesetz” genannt. Das Gesetz zielt in jedem Fall auf den Ausbau wirtschaftlicher Souveränität und eine Eindämmung Chinas ab, um den Status der – voraussichtlich schwächer werdenden, aber nach wie vor global vorherrschenden – Supermacht zu verteidigen. Der Text besagt, dass „Amerikas globale Dominanz von ausländischen Wettbewerbern ausgehöhlt und herausgefordert wird, von denen einige geistiges Eigentum und auch militärische Geschäftsgeheimnisse der USA stehlen und aggressiv in Forschung und Kommerzialisierung investieren, um die wichtigsten bestehenden und zukünftigen Technologiefelder zu dominieren, um sie vielleicht eines Tages gegen uns einzusetzen.”
Halbleiter, künstliche Intelligenz, Robotik und Drahtlostechnologien
Der Gesetzentwurf sieht 53 Milliarden Euro über fünf Jahre vor, um die Halbleiterproduktion in den USA anzukurbeln. Diese ist von einem Anteil von 37 Prozent an der weltweiten Produktion noch vor 20 Jahren auf aktuell 12 Prozent gesunden. Der Schritt zielt darauf ab, Amerikas Abhängigkeit von der chinesischen Produktion zu verringern und einen globalen Chipmangel zu bekämpfen, der die Lieferketten für Autos, Smartphones und andere elektronische Geräte – auch für militärische Anwendungen – teil empfindlich gestört habe. Weitere 85 Milliarden Euro werden für die Erforschung künstlicher Intelligenz, Robotik und Biotechnologie sowie knapp 2 Milliarden Euro für Innovationen in fortschrittlichen drahtlosen Technologien wie 5G und 6G ausgegeben.
Die Gesetzgebung schreibt vor, dass die Eisen-, Stahl- und anderen Baumaterialien, die in staatlich finanzierten Infrastrukturprojekten verwendet werden, in den USA hergestellt werden müssen. Außerdem wird der US-Außenminister angewiesen, eine Liste aller staatlichen Unternehmen in China zu veröffentlichen, die Technologietransfers oder Diebstahl geistigen Eigentums betrieben haben. Unter jenen 59 Unternehmen, die ab 2. August „gebannt” sein sollen ist der staatliche chinesische (Militär)Luftfahrtkonzern AVIC (Chinese aviation firm Avic: why is it on a US sanctions list and what do we know about it? | South China Morning Post) ebenso wie die China National Offshore Oil Corp (CNOOC) oder HUAWEI.
Der Entwurf hat mehrere sogenannte „Add-Ons”. Dazu gehören etwa 8 Milliarden Euro für zwei Mondlanderverträge, da viele in Washington ein Wettrennen um den Weltraum sehen, bei dem sich China erhebt, nachdem ein chinesischer Rover kürzlich auf dem Mars gelandet ist. Es verbietet auch Downloads von der in chinesischem Besitz befindlichen Social Media-Plattform TikTok auf allen Regierungsgeräten, nicht nur in Pentagon-, sondern auch in Heimatschutz-Mobilgeräten. Und blockiert wird die Anschaffung von Drohnen, die von der chinesischen Regierung hergestellt und verkauft werden.
Vereint „gegen die Kommunisten”
Einer der aktivsten Gegenspieler Donald Trumps war stets der demokratische Senatschef Chuck Schumer – selbst ist er aber ein langjähriger „China-Falke”. Er begrüßte das Gesetz (siehe Video unten) als eine der „bedeutendsten parteiübergreifenden Errungenschaften des US-Senats seit Jahren. Ich habe beobachtet, wie China uns im Laufe der Jahre auf legale und illegale Weise ausspionierte und ausnutzte. Wer auch immer in Folge das Rennen um die Technologien der Zukunft gewinnt, wird der globale Wirtschaftsführer sein, mit tiefgreifenden Folgen für Außenpolitik und nationale Sicherheit.” Schumer prophezeite, dass „künftige Generationen darauf als Wendepunkt für die amerikanische Führung zurückblicken werden”. Und er fügte ganz allgemein hinzu, dass diverse Autokraten oder Autokratien sich fundamental irren würden, in ihrem dauernden Herbeireden – und Betreiben – einer Errodierung oder eines Niedergangs der USA oder der westlich-demokratischen Grundordnung. Der republikanische Senator Todd Young – er hatte den Gesetzentwurf mitinitiiert sagte: „Lassen Sie gemeinsam zeigen, dass wir in diesem Moment in unserem Kampf gegen die Kommunistische Partei Chinas vereint stehen.”
Präsident Biden freut sich
Der Gesetzentwurf wird nun in das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus gehen, wo er voraussichtlich mit Änderungen verabschiedet wird, bevor er auf Bidens Schreibtisch kommt. Der gleich darauf zu seiner ersten Auslandsrundreise zu NATO, EU und Putin (in Genf, nicht in Wien) aufgebrochene US-Präsident – ein Befehl vom 4. Juni verbietet, dass US-Investitionen beziehungsweise -Firmen den militärisch-industriellen Komplex Chinas sowie deren Militär-, Geheimdienst- und Sicherheitsforschungs- und -entwicklungsprogramme unterstützen – begrüßte die Verabschiedung des Gesetzes im Senat. „Ich freue mich darauf, ihn so bald wie möglich in Kraft zu setzen. Wir befinden uns im Wettbewerb um den Sieg im 21. Jahrhundert – und der Startschuss ist gefallen. Wir dürfen nicht zurückfallen, während andere Länder weiter in ihre Forschung und Entwicklung investieren. Die USA müssen ihre Stellung als innovativste und produktivste Nation der Welt behaupten. Zudem finde ich, dass der zunehmende Einsatz chinesischer Überwachungstechnologie außerhalb Chinas und die Entwicklung oder der Einsatz chinesischer Überwachungstechnologie zur Erleichterung von Repression oder schwerer Menschenrechtsverletzungen ungewöhnliche und außergewöhnliche Bedrohungen darstellen. Dagegen müssen wir auftreten und aktiv werden.”
Peking „empört”, aber sieht die USA damit scheitern
Der chinesische Nationale Volkskongress äußerte in einer ersten Reaktion „starke Empörung und entschiedenen Widerstand gegen das Gesetz”, es handle sich dabei um „einen zum Scheitern verurteilten Versuch die Entwicklung Chinas zu bremsen!” Und Chinas Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, sagte vor Reportern in Peking: „Das US-Gesetz zeigt eine schon paranoide Täuschung, der einzige Gewinner auf der Welt sein zu wollen. Wir sind entschieden dagegen, dass die Vereinigten Staaten China als imaginären Feind betrachten.”