Präzise Lageerfassung, verbesserte Koordination auf dem Gefechtsfeld und Echtzeit-Vernetzung der Truppen: Battle-Management-Systeme sind für die Soldaten der Zukunft unverzichtbar. Ein Gespräch mit Sven Trusch, Geschäftsführer der Systematic GmbH.
Nach umfangreichen Vorarbeiten war es im vergangenen November so weit: Das Bundesheer fixierte den Kauf von digitalen Führungs- und Informationssystemen beim dänischen Hersteller Systematic. In einem ersten Schritt sollen mehr als 1.000 Lizenzen für ein Battle-Management-System sowie weitere 500 Lizenzen für ein taktisches Führungsinformationssystem die Schlagkraft der Truppe erhöhen. Schon Mitte der 2010er-Jahre hatten die österreichischen Streitkräfte Informationen von Militär Aktuell zufolge einige wenige Lizenzen für das Jagdkommando beschafft und damit erste Erfahrungen gesammelt.
Herr Trusch, was hat das Bundesheer nun genau beschafft?
Im Wesentlichen geht es um unsere Softwareprodukte der SitaWare-Suite und dabei im Detail um das Battle-Management-System SitaWare Frontline und um SitaWare Headquarters – ein Führungsinformationssystem für stationäre und verlegefähige Gefechtsstände. Dazu stellen wir auch Dienstleistungen bereit, um die Software in einem gemeinsamen Projekt erfolgreich in den Streitkräften zu implementieren.
Zum besseren Verständnis: Es geht bei dem gesamten Auftrag „nur” um die Software-Lizenzen, die benötigten Endgeräte kommen nicht von Systematic, oder?
Korrekt. Wir sind ein reines Softwarehaus und wir liefern ausschließlich Software-Applikation. Um die militärischen Fähigkeiten dieser Software bestmöglich nutzen zu können, muss sie auf einer entsprechenden Plattform aufgesetzt werden. Diese wird nicht von uns geliefert, wir unterstützen das Bundesheer aber natürlich bei der Implementierung. Ziel ist es, die österreichischen Streitkräfte am Ende des Tages zur digitalen Gefechtsführung zu befähigen.
Wie sieht der Zeitplan für die Einführung aus? Und wie lange dauert es, bis das neue System dann auch vollständig integriert ist?
Das ist von Nutzerstaat zu Nutzerstaat sehr unterschiedlich. Zudem stellt sich die Frage, wann so ein Projekt tatsächlich abgeschlossen ist. Die Software wird ja stetig weiterentwickelt und die Streitkräfte möchten die neuen Fähigkeiten und Funktionalitäten dann naturgemäß auch implementieren. Das läuft im Regelfall einfach über Updates, abhängig von den Verbesserungen muss aber möglicherweise auch in der Ausbildung nachgebessert werden oder es braucht neue Schulungen.
Das Produkt ist damit aber immer topaktuell?
Ja, das Bundesheer bekommt eine „Evergreen Solution”, also eine immer aktuelle Lösung. Unter dem Strich kann die Implementierung als digitaler Transformationsprozess betrachtet werden – ohne wirklichen Anfang und Ende.

Wer stößt die angesprochenen Weiterentwicklungen an? Kommen die aus dem Unternehmen oder setzt Systematic diese auf Wunsch von Nutzern um?
Wir sind mit unseren Nutzernationen sehr regelmäßig im Austausch und bekommen dabei viel wertvolles Feedback, aber auch viele Ideen für zukünftige Funktionalitäten, die wir dann analysieren und oftmals auch unter Einsatz von Prototypen auf den Prüfstand stellen. Dazu gibt es alle zwei Jahre auch ein globales Nutzerforum, wo sich Kunden auch untereinander austauschen können. Viele Nationen stehen vor den gleichen Herausforderungen und können sich daher auch bei der Lösung des Problems unterstützen.
Ihre Software ist offiziellen Angaben zufolge bei 50 Staaten im Einsatz. Inwieweit führen die Armeen Anpassungen an ihre spezifischen Bedürfnisse durch?
Unsere Kernsoftware ist bei allen Nutzern gleich – egal ob wir in die USA oder nach Österreich liefern. Innerhalb der Software bestehen dann allerdings auf verschiedenen Ebenen offene Programmierschnittstellen, sogenannte APIs. Und diese können unsere Kunden im Rahmen eines Software Development Kits nutzen, um die Software zu erweitern und anzupassen. Auf Wunsch können wir als Hersteller diese Erweiterungen umsetzen. Oftmals integrieren die Streitkräfte aber auch selbst bereits vorhandene Lösungen oder die Anpassungen werden durch Dritte vorgenommen, also durch Integratoren oder die lokale Industrie.
„Mit Künstlicher Intelligenz lässt sich das gesamte Feld der Entscheidungsunterstützung völlig neu denken.“
Sven Trusch, Geschäftsführer der Systematic GmbH
Orten Sie neue Entwicklungen und Digitalisierungstrends, die in Zukunft in jedem Fall Eingang in die Software finden und die militärischen IT-Systeme von morgen prägen werden?
Definitiv. In unserer Forschung sind aktuell vor allem Cloud-and-Edge-Computing sowie Künstliche Intelligenz die absoluten Top-Themen. Damit sind viele Vorteile verbunden. Während wir heute noch sehr rechenzentrums- und serverorientiert arbeiten, ist es beim Cloud-Computing vergleichsweise bedeutungslos, wo sich die Server und Daten befinden. Um das nutzen zu können, muss man die Systeme aber vernünftig segmentieren und skalieren, was im militärischen Bereich durchaus eine Herausforderung darstellt. Und mit künstlicher Intelligenz lässt sich natürlich das gesamte Feld der Entscheidungsunterstützung völlig neu denken. Die Effizienz der Operationsplanung und -führung wird dadurch enorm verbessert.
Das Bundesheer war bisher im Bereich der Digitalisierung nicht gerade als „Frontrunner” bekannt. Lässt sich die Software vor diesem Hintergrund gleich voll nutzen oder müssen dafür seitens des Bundesheeres noch irgendwelche Voraussetzungen geschaffen werden?
Man sollte das Bundesheer hier nicht unterschätzen. Es gab in der Vergangenheit mehrere Digitalisierungsvorhaben, auch im Bereich der Führungs- und Informationssysteme, durch die man gute Erkenntnisse gewonnen und Personal entsprechend ausgebildet hat. Personal und Strukturen sind also bereits vorhanden und darauf können wir nun mit unserem Battle-Management-System aufbauen.

Welche neuen Möglichkeiten tun sich damit für das Bundesheer auf praktischer Ebene auf?
Das Bundesheer erhält damit die Fähigkeit zur vernetzten Operationsplanung und -führung. Damit einher geht eine Effizienzsteigerung, da viele Aufgaben, die heute händisch gemacht werden müssen, in Zukunft zeitsparend digital im System erledigt werden können. Der wesentliche Punkt ist aber, dass man mit unserem System Informationen digital, nahtlos und unverzüglich auf dem Gefechtsfeld teilen kann. Wir vernetzen die einzelnen Informationsknoten – etwa Sensoren und Effektoren – und digitalisieren die gesamte Wirkkette. Daraus entsteht ein gemeinsames Lagebild auf allen Führungsebenen.
Ein Schlüsselkriterium für das Bundesheer war bei der Beschaffung die Kompatibilität mit ähnlichen Systemen in anderen Streitkräften. Wie einfach oder umfangreich ist diese Komptabilität im Anlassfall herzustellen?
International hat sich SitaWare als De-facto-Standard für Interoperabilität etabliert. Mit den schon erwähnten 50 Nutzernationen – 18 davon in der NATO – kommt die Interoperabilität mit dem Produkt quasi frei Haus und für den Austausch untereinander existieren umfangreiche Interoperabilitätsstandards.
„Ziel ist es, die österreichischen
Streitkräfte am Ende des Tages zur digitalen Gefechtsführung
zu befähigen.“Sven Trusch, Geschäftsführer der Systematic GmbH
Gibt es in ihrem Haus noch andere Produkte, die für Österreich und das Bundesheer interessant sein könnten?
Unser Motto ist „start small and scale it, not big and fail it”. Daher denke ich, dass das Bundesheer gut beraten ist, wenn man sich in der Anlaufphase des Projekts auf den Kern fokussiert und die Fähigkeiten der Reihe nach aufbaut. Natürlich gibt es aber weitere Bereiche, bei denen wir unterstützen können und wollen.
Nämlich?
Potenzial sehe ich etwa im Bereich der digitalen Feuerunterstützung bei der Artillerie. Da bieten wir Module an, die die gesamte Wirkkette der Artillerie digitalisieren und vollständig in das Battle-Management-System integrieren. Ein Thema könnte auch unser neues Produkt SitaWare Insight sein mit interessanten Funktionalitäten im militärischen Nachrichtenwesen. SitaWare Insight ist aber auch eine Datenplattform, mit der sich Daten aller Art verarbeiten lassen. Während die heutigen Führungssysteme sehr kartenzentrisch sind, sind Führungssysteme der Zukunft – wie SitaWare Insight – datenzentrisch. Das bietet neue Möglichkeiten zur Verarbeitung von Massendaten – aber auch, um seine Truppen bestmöglich einzusetzen.
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