Bekanntlich planen Österreich und zahlreiche weitere europäische Staaten gemeinsam den Aufbau eines neuen Luftverteidigungssystems: Mit der „European Sky Shield Initiative (ESSI) sollen Lücken im aktuellen Schutzschirm geschlossen werden und dafür will Österreich nun sogar weitreichende Raketenabwehrsysteme beschaffen. Was das Sky Shield aber genau ist, warum Österreich daran teilnimmt und wie hoch die damit verbundenen Kosten sind erklärt Brigadier Gerfried Promberger, der Airchief des Bundesheeres.

Herr Brigadier, Österreich ist ausgenommen von der Schweiz und Liechtenstein von NATO-Ländern umgeben. Wenn also ein gefährliches oder feindliches Objekt in den österreichischen Luftraum eindringt, müsste es doch bereits in oder von einem NATO-Land unschädlich gemacht worden sein?
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands hat die europäische Sicherheitsarchitektur maßgeblich erschüttert. Der Angriff auf die Ukraine hat auch aufgezeigt, wie notwendig eine gemeinsame europäische und lückenlose Luftverteidigung ist. Der Weg dorthin führt über eine Zusammenarbeit bei der Luftraumüberwachung und -verteidigung in Europa. Sky Shield ist ein Schutzschirm gespannt über Österreich, um Bedrohungen aus der Luft abzuwehren und die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten. Österreich ist neutral, bei keinem Militärbündnis, und muss daher in der Lage sein, seine Bevölkerung und kritische Infrastruktur selbstständig zu schützen.

„Sky Shield ist ein Schutzschirm gespannt über Österreich, um Bedrohungen aus der Luft abzuwehren und die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten.“

Wie viel Munition wird dazu beschafft und wie sieht es mit der Produktionskapazität aus?
Das ist derzeit in Planung und Ausarbeitung unter Berücksichtigung entsprechender strategischer Reserven, um die nationale Reaktionsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Wie hoch sind die Kosten für Österreich?
Mit den finanziell zugesicherten Ressourcen gemäß „Aufbauplan ÖBH 2032+” ist das Schließen der Fähigkeitslücken für den kurzen und mittleren Wirkungsbereich der bodengebundenen Luftabwehrtruppe sichergestellt. Die Abwehr über 50 Kilometer ist derzeit nicht im Aufbauplan enthalten und wird zusätzlich budgetiert. Der Beschluss des Ministerrates vom 15. November ermöglicht es, diese Lücke künftig schließen zu können. Dies stellt einen bedeutenden Beitrag im Rahmen der European Sky Shield Initiative für die Verteidigungsfähigkeit im Bereich des Luftraumes Österreichs dar.

Ist Sky Shield mit unserer Neutralität vereinbar?
Am 7. Juli hat die Bundesministerin für Landesverteidigung, Klaudia Tanner, gemeinsam mit ihrer Schweizer Amtskollegin eine Absichtserklärung zur Teilnahme Österreichs an der European Sky Shield Initiative unterzeichnet. In einer Zusatzerklärung zur Absichtserklärung ist ausdrücklich festgehalten, dass Österreich und die Schweiz beabsichtigen, sich an gemeinsamen Beschaffungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen der ESSI, nicht jedoch an operativen Maßnahmen, zu beteiligen. Ausdrücklich ausgeschlossen sind damit Maßnahmen, die als Teilnahme an einem Militärbündnis oder als Zulassen von Stützpunkten auf österreichischem Territorium gewertet werden könnten.

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Besteht für Sky Shield eine aktuelle Notwendigkeit?
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass die umfassende Verteidigungsfähigkeit gegen militärische Bedrohungen immer wichtiger wird. Russland setzt unbemannte Systeme, ballistische Raketen, Marschflugkörper und Hyperschallflugkörper vielfach in der Ukraine ein. Dies führt vor Augen, wie wichtig eine leistungsfähige Luftverteidigung ist, um zukünftigen Bedrohungen entgegenwirken zu können. Sky Shield ist ein Schutzschirm gespannt über Österreich, um Bedrohungen aus der Luft abzuwehren und die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten. Angriffe aus der Luft durch Geschosse, Flugkörper oder Luftfahrzeuge sind möglich. Dafür sind verschiedene militärische Systeme mit unterschiedlichen Reichweiten notwendig. Militärisch wird hier von drei Abfangschichten gesprochen, die sich durch ihre Reichweite in Entfernung und Höhe definieren.

Schießt Österreich damit Raketen auf Ziele außerhalb der Staatsgrenze beziehungsweise schießen andere Mitgliedsstaaten eventuell auf Ziele in Österreich?
Das gemeinsame Erkennen von Gefahren beziehungsweise Bedrohungen aus dem Luft- sowie Weltraum und die Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher haben Priorität. Die Nutzung des österreichischen Luftraums durch andere Nationen ist nicht autorisiert und würde eine Verletzung der österreichischen Lufthoheit und somit der Souveränität darstellen. Die Waffenauslösung gegen erkannte Bedrohungen erfolgt ausschließlich national und somit hoheitlich ausschließlich gegen Ziele im österreichischen Luftraum.

„Die Nutzung des österreichischen Luftraums durch andere Nationen ist nicht autorisiert und würde eine Verletzung der österreichischen Lufthoheit und somit der Souveränität darstellen.“

Wer könnte eine Bedrohung für Österreich darstellen?
Die gestiegene Bedrohungslage äußert sich in drei Faktoren gegen die Sky Shield den notwendigen Schutz bieten soll:
– Angriffe durch Drohnen oder Bedrohung durch fehlgeleitete Drohnen,
– Bedrohung durch militärische Flugzeuge im Luftraum und
– Bedrohung durch ballistische oder atomare Raketen im Luft- und Weltraum.

Wie lange beträgt die Nutzungsdauer von Raketen, bis man sie entsorgen muss, oder sie nicht mehr einsatzfähig sind?
Die Nutzungsdauer ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Grundsätzlich wird in unseren Planungsdokumenten eine Nutzungsdauer von 30 Jahren angestrebt.

Welches Raketenabwehrsystem wird beschafft?
Es gibt europäische, amerikanische und israelische Hersteller. International sind Raketenabwehrsysteme größerer Reichweite beispielsweise Patriot (USA) und Arrow III (USA und Israel).

Deckt Sky Shield das ganze Bundesgebiet ab?
Ja, mit einem Raketenabwehrsystem größerer Reichweite kann das ganze Bundesgebiet abgedeckt werden.

Zählen die Iris-T SLM- beziehungsweise SLS-Batterien, die ebenfalls angekauft werden, auch zum Sky Shield-Programm oder gehören sie zur klassischen Luftabwehr?
In allen drei Bereichen – Kurz-, Mittel- und Langstrecke – bestehen für Österreich derzeit Fähigkeitslücken, die neben den bereits im Aufbauplan vorgesehenen Investitionen in die Luftraumüberwachung und bodengebundene Luftabwehr (Kurz- und Mittelstrecke) durch die Teilnahme an der European Sky Shield Initiative geschlossen werden sollen.

Österreich stärkt seine Luftverteidigung nachhaltig

Wird Österreich auch Systeme wie Gepard oder Skynex kaufen, um sich gegen Drohnen verteidigen zu können? Fallen diese auch ins Programm Sky Shield?
Es haben in den vergangenen Jahren Erprobungen zur Drohnenabwehr in Österreich stattgefunden und die Planungsdokumente werden finalisiert. Eine Typen- beziehungsweise Systementscheidung wurde noch nicht getroffen. Die Drohnenabwehr fällt nicht unter die European Sky Shield Initiative.

Hat Österreich selbst die Kontrolle über die Raketen? Wie lange dauert die Entscheidungsphase, ob Österreich selbstständig eine Rakete abfängt?

Die Waffenauslösung gegen erkannte Bedrohungen gegen Österreich erfolgt ausschließlich national und somit hoheitlich gegen Ziele im österreichischen Luftraum. Das Erkennen von Gefahren beziehungsweise Bedrohungen aus dem Luft- sowie Weltraum und die Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher haben Priorität. Die Entscheidungsphase über die Waffenauslösung wird in sehr kurzer Zeit erfolgen.

Kann mit den neuen Waffensystemen auch in Österreich geübt werden oder geht das nur in anderen Ländern? Müsste dafür dieses System verlegt werden oder borgt man sich ein anderes aus?
Die European Sky Shield Initiative zielt auf eine gemeinsame Beschaffung („Common System”) und gemeinsame Ausbildung („Common Doctrine und Common Training”) ab. Zu „Common Training” bietet die deutsche Bundeswehr unter dem Schlagwort „One System – One Training Centre” Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten am Schießplatz Todendorf in Deutschland an. Der Aufbau einer „European Air Defence Academy” wird als Ziel genannt.

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Quelle@Bundesheer