Larkhill Artillery Day 1979: an einem trockenen Sommertag zeigte die britische Artillerie auf den Salisbury Plains ihr Können. Was den damals zuschauenden Autor dieser Zeilen am meisten beeindruckte, war das erstaunliche Schnellfeuer einer Batterie 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen. Das war der älteste Geschütztyp, der im scharfen Schuss vorgeführt wurde.
Zu der Zeit war die 25-Pfünder-Kanonenhaubitze schon seit zwölf Jahren aus den aktiven Verbänden der British Army herausgezogen worden, sieben Jahre war es her, dass britische Soldaten ein Geschütz dieses Typs das letzte Mal im Kampf verwendet hatten. Das war 1972 im Gefecht von Mirbat gewesen, als Trooper des britischen SAS eine 25-Pfünder-Kanonenhaubitze des omanischen Heeres erfolgreich gegen Rebellen eingesetzt hatten. Aber die Geschichte der Waffe bei der britischen Armee war damit noch nicht vorbei.
Eine Rückblende: Am 7. Dezember 1937 wurde entschieden, die Produktion der neuentwickelten 25-Pfünder-Kanonenhaubitze zu beginnen. Der Terminus „Kanonenhaubitze” zeigt an, dass bei diesem Geschütztyp die ballistischen Leistungen einer Kanone mit dem Höhenrichtbereich einer Haubitze kombiniert wurden (allerdings ließen sich die meisten anderen Haubitzen noch einige Winkelgrade höher richten). Eingeführt wurde die Waffe beim britischen Heer in der Variante Mk. I (noch mit der modifizierten Lafette des alten 18-Pfünders) anno 1939. Zum ersten Mal zu Kriegseinsatz kam sie jedoch mit der 203 Battery, 51st Field Regiment, Territorial Army in Norwegen 1940.
704 Stück 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen Mk. I gingen im Frankreichfeldzug von 1940 verloren. Ab 1942 wurde die charakteristische Mündungsbremse („Solothurn muzzle break”) angebracht, die das Abfeuern von Panzersprenggranaten mit der superharten Treibladung („supercharge”) erlaubte. Im Fernen Osten wurden so modifizierte Geschütze allerdings kaum eingesetzt, die australische und die neuseeländische Armee verzichteten ganz auf das Anbringen der Mündungsbremse.
Kanonenhaubitzen der Baureihen Mk. II und Mk. III waren fast den ganzen Krieg im Einsatz, verschiedene Charakteristika der Waffe ließen sie sogar noch weiter im Dienst bleiben, obwohl modernere Typen zur Verfügung standen. Mit der Einführung der Mk. VI erfolgte noch 1964 eine Kampfwertsteigerung bei den britischen Truppen. Im Jahre 1967 begann dann aber doch die Ausmusterung. Den letzten Schuss feuerte eine reguläre britische Armeeeinheit am 1. April 1975: Das 19th Field Regiment RA.
Als von dem eigentlich als Nachfolgemodell vorgesehenen Geschütztyp M-56 OTO Melera im NATO-Standardkaliber 105 Millimeter nur noch 52 Stück vorhanden waren (das war im Jahre 1992), existierten aber auch noch Dutzende 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen: und zwar bei der Royal School of Artillery in Larkhill zu Trainingszwecken, bei verschiedenen anderen Ausbildungseinrichtungen und Reserveeinheiten. Als Salutgeschütz wurde sie noch bis zur Jahrtausendwende in Großbritannien benutzt, dann erfolgte auch auf diesem Gebiet die Ablösung durch die L-118 Light Gun (eine Haubitze im Kaliber 105 Millimeter). 2004 wurden die letzten zwölf 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen-Salutgeschütze in Großbritannien ausgemustert.
Grund für die wie erwähnt 1975 erfolgte Ablösung der „scharfen” Geschütze war keineswegs eine anzunehmende technische Unterlegenheit gegenüber neueren Geschütztypen oder ein altersbedingter Verschleiß gewesen, sondern der sich langsam abzeichnende Mangel an Munition eines in Großbritannien längst nicht mehr gefertigten Kalibers.
Andere NATO-Staaten hatten (aus ähnlichen Gründen) ihre 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen längst durch neuere Geschütze ersetzt. Portugal hatte die Veteranen noch in den 1970er-Jahren in den afrikanischen Kolonien eingesetzt, in Italien waren sie Mitte der 1970er-Jahre noch bei einigen Reserveeinheiten, Griechenland gab die letzten 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen an die zypriotische Nationalgarde ab, Kanada hatte 1956 seine 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen aus dem aktiven Dienst zurückgezogen. Die 25-Pfünder-Kanonenhaubitze war langlebig; die Konstrukteure hatten auf eine höhere Reichweite zugunsten einer längeren Lebensdauer des Rohres verzichtet.
Die Lebenserwartung eine Geschützrohres wird in „effective full charge rounds” gemessen: Soundsoviel Schuss mit der stärksten Treibladung. Bei der 25-Pfünder-Kanonenhaubitze waren das 10.000 „effective full charge rounds” (EFCs). Zum Vergleich: die leistungsstarke sowjetische 2S5-Kanone auf Selbstfahrlafette und die 2A36-Feldkanone im Kaliber 152 Millimeter hatten nur eine Lebenserwartung von 300 EFCs.
Grund für das Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst war also in Großbritannien wie in den meisten anderen Nutzerstaaten der Mangel an Munition. Ersatz für die Kanonenhaubitzen erfolgte zumeist in der Gestalt von neuen Haubitzen im NATO-Standardkaliber 105 Millimeter.
Einen ganz anderen Weg beschritten Belgien und Luxemburg, die ihre 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen durch eine Kampfwertsteigerung bei der belgischen Firma Cockerill kompatibel für das NATO-Standardkaliber 105 Millimeter gemacht hatten.
Mit der Gründung der NATO strebte Belgien für die leichte Feldartillerie das NATO-Standardkaliber 105 Millimeter an, die USA waren jedoch wegen des Koreakrieges nicht in der Lage, ausreichende Stückzahlen der Feldhaubitze M101 im Kaliber 105 Millimeter schnell zu liefern. Überdies hatte Belgien einen beträchtlichen Bestand an 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen (meist aus kanadischer Fertigung), so dass für diese Waffe von Cockerill (einem der größten belgischen Stahlkonzerne) in den 1950er-Jahren ein neues Rohr im Kaliber 105 Millimeter mit neuer Mündungsbremse entwickelt und eingelegt wurde.
Das Rohr verfügte über ausgezeichnete ballistische Leistungen und war für die amerikanische und damit für die NATO-Standardmunition im Kaliber 105 Millimeter ausgelegt. An der Lafette der 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen waren trotz des wesentlich größeren Kalibers egenüber 87,6 Millimeter keinerlei Veränderungen notwendig. Die Waffe schoss äußerst präzise.
Wichtigstes äußeres Unterscheidungsmerkmal zur originalen 25-Pfünder-Kanonenhaubitze ist die andersartige Mündungsbremse. Die auf 105 Millimeter Kaliber umgerohrte 25-Pfünder-Kanonenhaubitze der belgischen Armee war bis 1988 im aktiven Einsatz. Es war nicht nur die enge Verbindung der Luxemburger zur belgischen Artillerietruppe, was den Ausschlag für das Großherzogtum gab, sich an der späteren Umrüstung durch Cockerill zu beteiligen. Hier mag ein kurzer Blick auf die Geschichte angebracht sein: 1944/1945 bestand der C-Troop des Artilleriebataillons der belgischen „Brigade Piron” aus Soldaten aus Luxemburg. Die zwei Offiziere waren Belgier, 85 andere Dienstgrade Luxemburger (einige waren Veteranen der französischen Fremdenlegion). Die Ausrüstung bestand aus vier Stück 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen (die nach den Töchtern der Großherzogin Charlotte benannt wurden) und vier Morris-C8-Zugmaschinen.
Mit der „Brigade Piron” kämpften die Luxemburger in Nordfrankreich, Belgien und den Niederlanden. Am 27. Juni 1945 wurde der C-Troop aufgelöst. Am 4. Mai 1951 nahmen jedoch Luxemburger das Training als Artilleristen in Belgien wieder auf und am 6. Oktober 1951 wurde eine neue Artillerieeinheit aufgestellt. Stationiert wurden die Luxemburger Artilleristen in Bitburg. Im Februar 1954 wurde aus dieser kleinen Einheit das „Bataillon d’Instruction d’Artillerie”.
Am 1. August 1954 wurde das 1. Artilleriebataillon (eine Reserveeinheit) formiert, ausgestattet mit 25-Pfünder-Kanonenhaubitzen aus kanadischer Fertigung (gebaut ab 1941 bei Sorel). 1955 wurde die Trainingseinheit aufgelöst, 1957 wieder eine aufgestellt: das „Centre d’Instruction d’Artillerie”, welches am 31. Jänner 1959 wieder aufgelöst wurde. 1955 bis 1957 wurden die 25-Pfünder bei Cockerill modifiziert, das 1. Artilleriebataillon war im Jahre 1960 wieder einsatzbereit und wurde 1963 als Teil der Divisionsartillerie der US 8th Infantry Division in Deutschland stationiert. Als in Luxemburg die Großherzogliche Garde aufgelöst wurde, übernahm das Artilleriebataillon auch deren zeremoniellen Aufgaben. Das 1. Artilleriebataillon bestand aus drei schießenden Batterien, einer Stabsbatterie und eine Versorgungsbatterie. Als Luxemburg 1967 die allgemeine Wehrpflicht abschaffte, wurden alle Artillerieeinheiten aufgelöst. Die 18 Cockerill-Haubitzen des Artilleriebataillons gingen an die belgische Armee, die sechs aus dem Depot wurden als Salutgeschütze für zeremonielle Aufgaben behalten. Dazu dienen sie heute noch.