Aktuell sind beim Heer zahlreiche langfristige Beschaffungsvorhaben in Planung – darunter auch relativ zeitnah die Typenentscheidung über die Nachfolge der C-130K-Hercules-Transportmaschinen. Ein Überblick, welche Typen dafür infrage kommen und in welchem Zeitraum mit neuen Maschinen zu rechnen ist.
Im Jahr 1967 besetzt Israel im Sechstagekrieg Teile des Berges Hermon sowie die Golanhöhen und erschießt ein Feldwebel der bolivianischen Armee Guerillakämpfer Che Guevara. Im Jahr darauf nehmen die USA und Nordvietnam Friedensverhandlungen auf und beenden Truppen des Warschauer Pakts mit ihrem Einmarsch in der Tschechoslowakei den Prager Frühling. Weit abseits der Weltöffentlichkeit laufen in den beiden Jahren aber auch drei für die britische Luftwaffe (Royal Air Force, RAF) geplante C-130K Hercules-Transportmaschinen von den Montagebändern, die Anfang der 2000er-Jahre vom Bundesheer übernommen werden und die hierzulande immer noch das Gros der Lufttransportkapazitäten abbilden.
Noch, denn im Jahr 2021 richtete die Abteilung Strukturplanung (Referat Fähigkeiten-2, Wirkung und Mobilität Luft) des Verteidigungsministeriums eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer Nachfolgelösung ein. Aktuellen Planungen zufolge soll der neue „Heeres-Lufttransporter” bereits mit 2028/29 seinen Betrieb aufnehmen – die Beauftragung im ersten Quartal 2024 erfolgen. Dabei soll ein Nachfolger laut Bundesheer-Planungschef Generalmajor Bruno Hofbauer die Hercules-Nutzlastkapazität von rund 20 Tonnen pro Maschine nicht unter-, aber auch nicht deutlich überschreiten.
Das beschränkt die Liste interessanter Typen im Wesentlichen auf zwei: Neben neuen C-130J Super Hercules (Juliets) von Lockheed Martin kommt eigentlich nur der zweistrahlige Jet-Hochdecker C-390 Millennium (früher KC-390M) des brasilianischen Herstellers Embraer in Frage. Potenziell ebenfalls denkbare Nachfolgekandidaten wie der auf der Airpower präsentierte chinesische Militärtransporter Xian Y-20 (mit bis zu 66 Tonnen Nutzlast deutlich zu groß) und der „kleinere” Airbus A400M mit seinen trotzdem 35 Tonnen Nutzlast sind daher definitiv kein Thema.
Im Vergleich zur C-390M hat sich die aktuelle C-130-Serie über Jahrzehnte in vielen Nationen bewährt und wird immer noch stark nachgefragt. Militär Aktuell hat kürzlich auf der LAAD-Messe in Brasilien in Erfahrung gebracht, dass aufgrund einer Reihe diverser neuer Aufträge (Deutschland, Indonesien, Neuseeland, immer noch auch die US-Streitkräfte) neue Juliets allerdings frühestens erst ab etwas über drei Jahren (gerechnet ab Anfang 2024) wieder verfügbar sein dürften. Neue C-390M sind hingegen laut Embraer-CEO Bosco da Costa Junior bei einer auf 18 Maschinen ausgelegten Jahresproduktion„leicht dazwischenzuschieben” und wären daher deutlich früher – eventuell schon ab 2025 – erhältlich. Neben Brasilien (19 Maschinen) konnte Embraer mit Portugal (fünf Stück), Ungarn (zwei Stück) und den Niederlanden (fünf Stück als C-130H-Ersatz, Vertrag noch heuer) auch eine europäische „User-Community” aufbauen. Tschechien ist ebenfalls an zwei Maschinen interessiert. Dabei dürften insbesondere die Niederlande als ein vom österreichischen Verteidigungsministerium gewünschter Kooperationspartner auf Regierungsebene (G2G-Geschäft) geeignet erscheinen. Laut niederländischen Offizieren auf der LAAD wäre man in Den Haag einer derartigen Konstruktion gegenüber zumindest nicht grundsätzlich abgeneigt. Vor rund einem Monat fand auf der portugiesischen Basis Beja auch eine Art „User Group”-/Info-Treffen rund um deren erste C-390 statt, bei dem auch Behördenvertreter der genannten Länder anwesend waren, darunter auch ein österreichischer Offizier des Höheren Technischen Dienstes.
Unabhängig davon gingen seitens der heimischen Rüstungsdirektion auf G2G-Ebene jedenfalls Briefe an 28 europäische Länder, um grundsätzliche Kooperationsmöglichkeiten auf Transporterebene abzufragen. Ein solcher soll bezüglich C-130J auch an die formelle FMS/DSCA-Schiene der USA gehen – oder bereits gegangen sein.
Militär Aktuell hat sich im vergangenen Juni im Rahmen eines Mitflugs (Mission in KC-Tankerkonfiguration) ein erstes Bild vom brasilianischen Transporter gemacht. Dabei fiel die – abhängig von der gewünschten Reichweite und dem Schwerpunkt einer oder mehrerer Lasten – um drei bis sechs Tonnen größere Nutzlast und die dank Jet höhere Reisegeschwindigkeit als bei der C-130 auf. Augenscheinlich war zudem der breitere und höhere Laderaum, der – wie in einem Lade-/Entladetest zu sehen war – auch das sichtlich problemlose Handling eines 8×8-Pandurs (samt Waffenstation) möglich macht.
Apropos: Die beim Heer gerade in größerer Stückzahl zulaufende 6×6-Version des Pandur Evolution dürfte die Typenwahl hierzulande zumindest mitentscheiden. Geht es nach den Wünschen des Heeres, dann soll jeweils ein ausgerüstetes 18,5 Tonnen schweres Fahrzeug im Bauch eines Transporters Platz finden. Das ist aktuell in unseren C-130 und auch den neueren Super Hercules nur möglich, wenn – so ein Beitrag 2021 in der Zeitschrift Miliz-Info (siehe Seite 6) davor wegen der inneren Laderaumhöhe die Waffenstation abgebaut wird, aus Gewichtsgründen aber nicht im selben Flugzeug transportiert werden kann.
Ein ganz wesentliches Kriterium dürfte bei der Typenwahl außerdem die Reichweite darstellen. Die aktuell am weitesten entfernten Auslandsmissionen des Bundesheeres in Mali und in Niger in Afrika oder im Libanon sind ohne Tank-Zwischenstopps für Standard-„Herkys” nicht erreichbar. Das war vor allem während der Coronapandemie mit gesperrten Flughäfen eine Herausforderung, kann in Kriegs- oder Krisenzeiten aber neuerlich zum Problem werden. Der neue Lufttransporter des Heeres sollte daher solche Distanzen nonstop schaffen. Und ein weiteres Kriterium: Der Jet steigt bauartbedingt nach dem Start aus potenziellen MANPAD-Gefahrenzonen weit schneller und steiler als eine Propellermaschine.
Ein Vorteil der C-130J mit ihren vier Turboprop-Motoren: Die im Vergleich zum zweistrahligen Embraer-Jet kürzeren Start- und Landestrecken und ihre „ passendere” Zuladungskapazität. Heeresintern dürfte es Sorgen geben, dass die etwas größere C-390M für die routinemäßigen Versorgungsflüge der Balkan-Kontingente überdimensioniert ist und daher als nicht ausgelastet kritisiert werden könnte. Aber auch unsere aktuellen C-130K fliegen nicht immer maximal beladen. Die Verantwortlichen dachten daher alternativ auch an eine Zwei-Flotten-Strategie, also eine Ergänzung der drei bis vier neuen großen Maschinen (C-130J oder C-390M) mit zwei bis drei zweimotorigen Leonardo C-27J oder Airbus C-295. Alleine schon aus Personalgründen dürfte ein derartiges Vorhaben aber wohl nur schrittweise, also nacheinander zu stemmen sein.
Denkbar und von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nicht ausgeschlossen wurde übrigens auch, dass man bei der Beschaffung – wie schon beim Ankauf unserer aktuellen Hercules-Flotte – erneut auf gebrauchte ältere Maschinen setzt. Dabei könnten die ab 2025 verfügbaren und in den Jahren 2000 bis 2002 gebauten Juliets der RAF oder ebensolche in Italien abgestellte zum Thema werden. Allerdings sieht man heeresintern sowohl die Ausführung solcher Maschinen mit gestrecktem Rumpf (mehr Volumen bei gleicher Nutzlast) als auch die voraussichtlich nötige Erneuerung des Avionik-Standard-6 auf -8 und den Erhaltungsaufwand mit Blick auf die Rest-Lebensdauer ebenso klar kritisch, wie die Schweden, die sich jüngst gegen die italienischen Maschinen entschieden haben und nun laut Medienberichten das Embraer-Flaggschiff favorisieren. Zudem ist nicht bestätigt, ob der mit Blick auf die Materialermüdung notwendige Tausch der kritischen zentralen Flügelkästen der weltweit stark genutzten Maschinen (11.000 bis 14.000 Flugstunden pro Stück) noch bei Marshall-Aerospace UK, in Italien oder gar bei Lockheed Martin durchgeführt würde.
Wie man hörte, haben unsere Entscheidungsträger als Reaktion auf zu lange Stehzeiten, das Nichteinhalten von Fristen und deutliche Verteuerungen, die eigentlich bei Marshall-Aerospace geplanten Grundüberholungen unserer C-130K zur Firma OGMA nach Portugal übersiedelt. Dies wurde mit Hilfe der NATO Support and Procurement Agency (NSPA) arrangiert. NATO-PfP-Partnerstaaten können sich für bestimmte Wartungen oder Upgrades an Unterstützungspartnerschaften beteiligen. Von März bis November des vergangenen Jahres wurde die erste unserer drei Hercules-Maschinen (8T CC) bei OGMA grundüberholt. Wie Militär Aktuell in Erfahrung brachte will man wenn irgend möglich die Millionen für die ab 2025 nötigen Grundüberholungen der beiden anderen österreichischen C-130K aber nicht mehr bei OGMA ausgeben, wenn eben ein rascherer Ersatz gefunden werden könnte.
Der weitläufige frühere Luftwaffen-Staatsbetrieb mit eigener 3.000-Meter-Piste gehört seit mehr als zehn Jahren übrigens auch zu Embraer und die Brasilianer fertigen dort sogar Teile – wie beispielsweise das Rumpfmittelstück und den Boden – des C-390M. Dessen Heck-Laderampe kommt von Aero Vodochody aus Tschechien und das sogenannte „Final Assembly” in Brasilien läuft übrigens mit hochgradiger Roboberunterstützung Lasermessung.
Hier geht es zu weiteren Berichten rund um Lockheed-Martin und hier zu weiteren Meldungen rund um Embraer.