Verteidigungsminister Gerald Klug will dem Bundesheer mit dem neuen Strukturpaket ein modernes Gesicht verpassen und gleichzeitig Millionen sparen. Wie dieser Spagat gelingen soll, verrät der Minister im Gespräch mit Militär Aktuell.
Kein Geld für Treibstoff, dringend benötigte Investitionen können nicht getätigt werden und Angelobungen finden nur noch in Kasernen statt. Im Bundesheer scheint es derzeit an allen Ecken und Enden zu kriseln. Wie schlimm ist die Situation wirklich?
Die aktuelle Lage ist tatsächlich angespannt und in vielen Bereichen für die Soldaten leider sehr schmerzhaft. Das ergibt sich einerseits aus der Tatsache, dass uns in den vergangenen zehn Jahren insgesamt zwei Milliarden Euro – also ein volles Jahresbudget – aus der Substanz herausgezogen wurden, andererseits aber auch aus dem sehr engen Doppelbudget 2014 und 2015. Außerdem wurde der neuerliche Sparbedarf sehr kurzfristig bekannt und so konnten wir nur mehr mit teils sehr harten Sofortmaßnahmen die Budgetvorgaben einhalten. Ich verstehe daher den Aufschrei in der Truppe gut, die Situation ist aktuell in der Tat eine sehr ernste.
Glauben Sie, in Zukunft zumindest die größten Härtefälle durch Budgetumschichtungen, die Sie im Zuge der Präsentation der Strukturpläne angekündigt haben, vermeiden zu können?
Durch gemeinsame Kraftanstrengung ist es uns gelungen, 1,5 Millionen Euro so umzuschichten, dass es in den Bereichen Mobilität, Zuführung von Fahrzeugen und Fahrzeugservices tatsächlich zu einer Entspannung kommen sollte. Auch hat es Vorschläge gegeben, dass man Angelobungen nur mehr in Kasernen durchführt, aber da das Bundesheer eine Armee aus dem Volk ist, müssen gerade solche Dinge wie der feierliche Akt rund um Angelobungen auch mitten in der Bevölkerung stattfinden …
… um Präsenz und Flagge zu zeigen?
Ganz genau, das ist gerade in Zeiten wie diesen wichtig, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das laufende Jahr und auch 2015 noch sehr herausfordernd für uns alle sein werden.
Danach soll dann langsam das jüngst präsentierte Strukturpaket greifen?
Spätestens! Wir müssen so rasch wie möglich mit der Umsetzung beginnen! Jeder Tag Verzögerung kostet dem Heer Geld, das es de facto nicht hat. Bis auf einige Adaptierungen in der Teilstrategie Verteidigungspolitik sehe ich da auch keine großen Bereiche, die noch zu klären wären. Im Gegenteil, sind alle maßgeblichen Voraussetzungen – von der österreichischen Cyberstrategie, die 2013 im Ministerrat beschlossen wurde, bis hin zu der im Vorjahr im Parlament beschlossenen Sicherheitsstrategie – bereits geschaffen. Was noch gefehlt hat, war das Konzept „Österreichisches Bundesheer 2018“, mit dem ich den Generalstab im Frühjahr beauftragt habe und das wir nun präsentiert haben. Wir haben unsere Hausaufgaben damit gemacht.
Wie tief sind die vorgestellten
Einschnitte in der Realität?
Die sind sehr tief greifend, weil wir damit nicht nur Geld sparen und eine Standortkonzentration vornehmen, sondern auch eine Anpassung hinsichtlich der militärischen Bedrohungslage. Stand vor Jahren die klassische Landesverteidigung mit Panzern und schweren Waffen im Fokus, sind es heute die Luftraumüberwachung, die Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum und vor allem der Schutz kritischer Infrastruktur.
Das Bundesheer bekommt damit also eine völlig neue Orientierung?
Und zwar eine, die auf die aktuell einsatzwahrscheinlichsten Aufgaben fokussiert. Die Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind enorm, nehmen wir auf der einen Seite im breiten Spektrum unserer Fähigkeiten doch neue Schwerpunktsetzungen wie etwa die Stärkung der Pioniere, der Miliz und der ABC-Abwehr vor, gleichzeitig müssen wir aber nicht mehr so einsatzwahrscheinliche Fähigkeiten auf einen sogenannten Rekonstruktionskern runterfahren.
Gerade im Bereich der schweren Waffen wird der Aderlass im Zuge dessen groß sein. War es vor diesem Hintergrund schwierig, einen Konsens für das Strukturpaket in der militärischen Führung zu finden?
Nein, dieser Konsens war von Anfang an gegeben, weil die Notwendigkeit der Anpassung an die budgetären Vorgaben und an die aktuellen militärischen Bedrohungsszenarien allen Beteiligten klar war. Trotzdem möchte ich dem Generalstabschef und der militärischen Führungsspitze meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Sie haben unglaublich viel militärische Expertise und Professionalität in das Konzept einfließen lassen, wir haben dabei eng zusammengearbeitet und werden das jetzt auch Schulter an Schulter gemeinsam umsetzen.
Wie kann es nun gelingen, das Konzept auch der Truppe schmackhaft zu machen? Dort ist die Aufregung in vielen Bereichen sehr groß.
Aufgabe einer politischen Führung ist es, seriöse Politik zu machen und ein Teil davon besteht meines Erachtens darin, dass man neue Maßnahmen auf vernünftige Art und Weise der Truppe kommuniziert, bevor man sie der Öffentlichkeit präsentiert. Daher haben wir auch hausintern auf breiter Ebene Kommandantenbesprechungen abgehalten, in denen wir über die wesentlichen Eckpunkte und Zielrichtungen informiert haben. Und soweit ich die Stimmung aus diesem Bereich heraushöre, war das nicht nur die richtige Vorgehensweise, sondern konnten wir auf diesem Weg auch viel Verständnis gewinnen.
Trotzdem: Gerade in den unteren Rängen ist die Sorge groß, dass immer weiter gespart wird, es langfristig aber zu keiner Besserung kommt.
Ich verstehe diese Sorgen und dass die Einschnitte, die wir jetzt und 2015 durchführen müssen, für die gesamte Truppe schmerzhaft sind. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dem neuen Konzept in die richtige Richtung marschieren und wir die Armee für die aktuellen Herausforderungen fit machen.
Die Soldaten können also trotz allem Ärger über aktuelle Einsparungen zuversichtlich in die Zukunft blicken?
Definitiv!
Wie können Sie sicherstellen, dass die Einsparungen – im Endausbau sollen es 200 Millionen Euro jährlich sein – auch tatsächlich im Ressort verbleiben und nicht Begehrlichkeiten etwa des Finanzministers wecken?
Es wird meine Aufgabe in kommenden Gesprächen mit dem Finanzminister sein, dieses haushaltsrechtliche Thema anzusprechen, damit so eine Situation nicht eintreten kann. Wenn wir aus eigener Kraft Beiträge leisten, um Geld für dringend benötigte Investitionen freizumachen, muss das Geld auch dem Bundesheer zugutekommen. Darüber hinaus ist es aber trotzdem notwendig, für ganz bestimmtes Gerät Sonderinvestitionen zu tätigen, das muss Hand in Hand gehen, damit dieses Strukturpaket in sich stimmig ist und umgesetzt werden kann.
„Wenn wir aus eigener Kraft Beiträge leisten, um Geld für dringend benötigte Investitionen freizumachen, muss das Geld auch dem Bundesheer zugutekommen.“
Werden laufende Kosten, die aus solchen Sonderinvestitionen entstehen, dann aus dem normalen Budget abgedeckt, oder werden dafür Sonderbudgets notwendig sein?
Wir haben das Konzept so aufgestellt, dass dann der laufende Betrieb aus unserem normalen Budget abgedeckt ist. Wir wollen nicht mehr in dieselbe Situation wie damals beim Ankauf der Eurofighter in der Ära Schüssel-Grasser kommen, als dem Verteidigungsressort zugesagt wurde, dass auch die Kosten für den laufenden Betrieb zur Verfügung gestellt werden und diese Vereinbarung dann nicht eingehalten wurde.