In den Jahren 1867 und 1868 schickte das britische Empire ein Expeditionskorps nach Äthiopien, um den damaligen Kaiser Theodores vom Thron zu stoßen und die Geiseln zu befreien, die dieser in den Jahren zuvor genommen hatte. Dem Feldzug ging akribische Planung voraus und einigen Teilnehmern wurde auch die „Abyssinian campaign medal” verliehen.

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So sah die Medaille aus.

Die „Abyssinian campaign medal” gehört zu den im viktorianischen Zeitalter verliehenen Campaign Medals. Die Medaille wurde am 1. März 1869 gestiftet. Ausgezeichnet damit wurden die Teilnehmer am Äthiopienfeldzug von 1867 und 1868, verliehen wurde sie rund 14.000 Mal. Die „Abyssinian campaign medal” ist aus Silber und misst etwa 32 Millimeter im Durchmesser. Auf dem Revers sind Name und Einheit (oder Schiff) des Trägers erhaben eingeprägt, den dafür nötigen Fertigungsaufwand mag man sich vorstellen.

Auf der Vorderseite ist Queen Victoria im Profil zu sehen, ihr Porträt ist umgeben von einem neunzackigen Stern, zwischen den Zacken ist jeweils ein Buchstabe des Begriffs „Abyssinia” geprägt. Die Medaille wird von einem Ring gehalten, welcher an einer die Medaille überragenden Krone befestigt ist. Zur Medaille gehört ein 38 Millimeter breites Band, in Karmesinrot mit weißen Rändern.

Der dazugehörige Feldzug war eine Kuriosität an sich: 2.538 Reitpferde, 19.580 Packpferde und Mulis, 6.045 Kamele, 7.086 Zugochsen, 1.850 Esel und schließlich 44 Elefanten. Diese Vielzahl an Vierbeinern gehörte keineswegs zu einer eventuell von Hannibal, Scipio oder Cäsar kommandierten antiken Streitmacht, nein, das war die „Transportabteilung” einer relativ neuzeitlichen Armee des britischen Empire. Jene Streitmacht wurde kommandiert von Sir Robert Cornelius Napier. Der von ihm geleitete Feldzug gegen den äthiopischen Kaiser („Negus Negesti”) Theodoros II war 1867/68 ein Musterbeispiel an militärischer Planung. Der Angriff wurde mit solcher Akribie vorbereitet, dass man sogar die Prägung von einer halben Million Maria-Theresien-Thalern mit der Regierung Österreich-Ungarns vereinbarte, denn nur diese Münzen wurden überall in Äthiopien als Währung akzeptiert.

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Indisches Regiment auf dem Äthiopienfeldzug 1868.

Dort herrschte eben jener Theodoros (eigentlich Tewodros), seit er 1855 die Provinz Tigray unterworfen hatte. Das Volk der Oromo (damals Galla genannt) hatte er ebenfalls unterwerfen können und aus dessen starker Bergfeste Magdala einen seiner Hauptstützpunkte gemacht. Theodoros sehnte sich nach Höherem; er plante einen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems von den Türken. Allerdings überschätzte er sich ein wenig und der Hang zur Irrationalität wurde noch stärker als seine Frau verstarb.

1860 ermordeten Rebellen den britischen Konsul Walter Plowden, auf dessen Rat Theodoros immer gehört hatte. Den Nachfolger Plowdens, Charles Cameron, mochte Theodoros nicht. Er schrieb einen sehr freundlichen Brief an die ferne britische Königin Victoria, eine Antwort bekam er nicht, der Brief verschwand unter Stapeln von Papier im britischen Foreign Office. Theodoros begann jetzt Cameron zu verdächtigen. Der immer mehr zur Paranoia neigende Herrscher warf 1864 erst Cameron in den Kerker, dann verschiedene europäische Missionare. Auch frühere Freunde des Kaisers waren darunter, so der deutsche Forscher Eduard Zander. Der hatte vor Jahren die Marienkirche in Däräsge erbaut, in der Theodoros II 1855 zum Kaiser von Äthiopien gekrönt worden war. Nun musste er, in einem wesentlich verschlechterten Betriebsklima, Geschütze für Theodoros gießen.

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Mittlerweile hatte der äthiopische Herrscher eine ganze Reihe europäischer Geiseln, die Hälfte bestand aus Bürgern verschiedener deutscher Staaten. Das britische Empire sah sich in der Pflicht, deren aller Freilassung zu erwirken und sandte einen Emissär – der dann auch gefangengenommen wurde. Als alle diplomatischen Bemühungen nichts fruchteten, entschied London ein Expeditionskorps zu senden, die Geiseln zu befreien und den Gewaltherrscher zu bestrafen.

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General Robert Cornelis Napier.

Die nächstgelegene größere Kräftekonzentration des Empire war der Militärdistrikt Bombay, dessen Kommandeur General Napier aus den indischen und britischen Verbänden der „Bombay Army”, ausgeliehenen Einheiten aus Bengalen und Madras und einer zur Royal Navy gehörenden „Naval Brigade” (von 80 Mann) ein Expeditionskorps von 14.214 Soldaten und 26.254 Arbeitskräften aufstellte – plus der eingangs genannten Zug- und Tragtiere. Material zum Bau einer Feldeisenbahn nahm man mit und auch Zubehör zur Errichtung einer Telegraphenlinie. Außerdem brachte man Destillationsanlagen zur Entsalzung von Meerwasser mit und etliche tausend Flaschen Portwein. Das edle Gesöff war mit Chinin versetzt bestens geeignet zur Vorbeugung gegen Malaria.

Der 57-jährige Napier war im Gegensatz zu Theodoros nicht nur zeitweise bei Verstand und holte renommierte Afrikaforscher zu seinem Stab. Auf 280 Schiffen wurden Mensch, Tier und Material zu einem Küstenstreifen bei Massawa befördert – damals unter ägyptischer Kontrolle – denn Äthiopien war ein Binnenstaat. General Napier begann im Frühjahr 1868 mit seinem Vorstoß gegen Magdala. Seine Kundschafter hatten nämlich erfahren, dass sich Theodoros genau dort verschanzen wolle.

Die Maria-Theresien-Thaler im Marschgepäck waren der Auskunftsfreude der einsässigen Bevölkerung sehr förderlich, außerdem hatte Theodoros in vielen Regionen viele Feinde. Zu denen konnte man inzwischen auch den britischen Abenteurer und Forscher Captain Tristram Charles Sawyer Speedy zählen, der früher ein enger Vertrauter von Theodoros gewesen war. Er hatte einige Jahre zuvor fluchtartig das Land verlassen und war dann als hochgeschätzter Experte zu Napiers Stab gestoßen. Speedy kannte sich sowohl mit der Topographie Äthiopiens, als auch der Psyche des Herrschers aus. Auch über erhebliche Afrikaerfahrung verfügte schon zu diesem Zeitpunkt Gerhard Rohlfs, der neben einigen Offizieren zu einer preußischen Mission beim Expeditionskorps Napiers gehörte.

Während sich also Napiers anglo-indische Kolonne langsam durch extrem unwegsames Gelände auf Magdala zubewegte, sah es auf der gegnerischen Seite nicht anders aus. Anstatt sich flugs nach Magdala zu bewegen, schleppte Theodoros einen großen Tross mit sich. Dabei waren etliche Geiseln, Teile seines Hofstaats und seine Artillerie. Um die zu bewegen, musste er extra eine Straße anlegen lassen. Auf die Geschütze, so sehr sie seinen Marsch verlangsamten, mochte er aber keineswegs verzichten, besonders nicht auf den Bronzemörser „Sebastopol”, ein Geschütz, das in Äthiopien selbst gegossen worden war. Als man endlich am Fuße des Tafelberges, dessen Plateau die Festung Magdala war, ankam, stellte man fest, dass man das Riesending nicht in die Festung heraufschaffen konnte.

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Eine künstlerische Darstellung des Transports des Riesenmörsers Sebastopol.

Trotzdem hatte Theodoros den Wettlauf nach Magdala gewonnen. Das Vorauskommando von Napiers Armee hatte auf den Rat eines Theodoros feindlich gesonnenen äthiopischen Fürsten eine Route gewählt, die zwar für den Stoßtrupp, nicht aber für die Hauptarmee gangbar war. Die führte immerhin zwei Batterien von Gebirgsgeschützen, vier Armstrong-Zwölfpfünder und zwei Mörser mit. So gingen einige Tage verloren. Am Karfreitag, den 10. April 1868 kam es bei Arogee zu einer Schlacht. Der äthiopische Herrscher hatte seinen Feldherrn Fitawrari Gabriye beordert, eine britische Kolonne von rund 3.700 Mann anzugreifen. Das war ein fataler Fehler, denn Napiers Truppen waren größtenteils mit dem Snider-Enfield-Hinterlader im Kaliber .577 Snider ausgerüstet. Aber nicht alle. Die 23rd Pioneers (Sikhs aus dem Punjab) hatten noch ihre alten glattläufigen Musketen, deren Feuer die Äthiopier mit einem Sturmangriff zu unterlaufen suchten.

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Angriff indischer Truppen auf Äthiopier bei Arogee.

Die von Theodoros neu organisierte Armee setzte auf den Nahkampf mit Speeren, obwohl von 5.000 attackierenden Äthiopiern 3.000 mit Feuerwaffen aller Art ausgerüstet waren. 500 äthiopische Krieger waren Reiter. Die Briten und ihre indischen Waffenbrüder formierten schnell die berühmte „Thin Red Line” und die mit Snider-Gewehren ausgerüsteten Einheiten feuerten vernichtend auf die heranstürmenden Äthiopier. Allein die Soldaten des 4th (King’s Own) Regiment of Foot verfeuerten 10.200 Schuss. Außerdem setzte die Naval Brigade ihre Hale-Rockets mit Erfolg ein. Das infernalische Geheul der 24-pfündigen Raketen ließ die Pferde der Äthiopier scheuen.

Auch in der nahegelegenen Schlucht von Dam-Wanz kam es zu erbitterten Kämpfen. Das Ergebnis war ziemlich einseitig: 700 toten – darunter Fitawrari Gabriye – und 1.200 verwundeten Äthiopiern standen britisch-indische Verlusten in der Höhe von zwei Toten und 18 Verwundeten gegenüber. Jetzt wollte Theodoros verhandeln, seine Stimmung schlug aber immer schneller um. Mal wollte er 200 gefangenen Galla die Freiheit schenken, dann ließ er sie im nächsten Moment mit Speeren durchbohren. Andere Gefangene ließ er einen Abgrund hinunterwerfen. Bei einem Kriegsrat mit seinen Adeligen wollte er sich erschießen, die Pistole ging aber nicht los.

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Napier ging auf das Verhandlungsangebot ein, Theodoros ließ die Geiseln frei. Die Aufforderung zur Kapitulation wies er aber zurück. Der Herrscher ließ alle ziehen, die nicht an seiner Seite kämpfen wollten. Eine kurze Waffenruhe lief aus und Napier ließ am 13. April 1868 nach kurzer, aber heftiger Beschießung Magdala stürmen. Mit dem 33rd Regiment of Foot und den „Madras Sappers” in der Front – und mit Feldkaplan Father Goffinet, der verhindern wollte, dass der koptischen Kirche in der Festung Schaden zugefügt werden könnte. Das größte Hindernis waren die hinter dem Kafi-Bur-Tor von den Verteidigern aufgehäuften Felsbrocken. Aber nach nur wenigen Minuten hatten die Snider-Enfields wieder ihre Brauchbarkeit bewiesen und das Gefecht war entschieden. Die indisch-britische Sturmtruppe hatte nur leichte Verluste von 15 Verwundeten. Als Theodoros sah, wie es um ihn bestellt war, setzte er den Lauf einer Pistole an den Mund und drückte ab – diesmal ging die Schusswaffe los.

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Britische Soldaten am Tor von Magdala.

Zwei Soldaten des 33rd Regiment of Foot (The Duke of Wellington’s Regiment), Private James Bergin und Drummer Michael Magner (beides Iren), die als erste die Hindernisse hinter dem Kafi-Bur-Tor überwunden und den Nahkampf mit den Verteidigern des Tores aufgenommen hatten, erhielten als einzige Feldzugsteilnehmer das Victoria-Kreuz. Die Artillerie von Theodoros, 37 Geschütze, wurde gesprengt, allerdings nicht ganz. Der Riesenmörser „Sebastopol”, der am Fuße der Bergfestung lag, blieb einfach liegen. Er liegt dort noch heute. Der Rückzug von Napiers Truppen – man hatte ja nie vorgehabt, Äthiopien dauerhaft zu besetzen – war nicht ganz frei von Zwischenfällen. Äthiopische Banditen versuchten, sich durch Überfälle an den Vorräten des Expeditionskorps zu bereichern. Das Ansinnen wurde ihnen dank der Snider-Gewehre nachhaltig ausgetrieben.

Die anglo-indische Expeditionstruppe nahm etliche Souvenirs aus Magdala mit, darunter auch die Krone Theodoros, welche 1925 von König George V dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie feierlich zurückgegeben wurde.

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Britische Soldaten vor dem Leichnam von Kaiser Theodoros.

Die Kosten des Äthiopienfeldzugs waren immens, wenn man die finanzielle Seite betrachtet. Auf britischer Seite gab es aber dank der präzisen Vorbereitung und der tadellosen Disziplin nur relativ wenige Tote: insgesamt 48. Davon fielen 20 einer tropischen Durchfallerkrankung zum Opfer, ein Mann ertrank, einer beging Selbstmord. Der Großteil des Materials wurde beim Abzug wieder mitgeführt, man übergab aber auch etliche Waffen und Munition an den Fürsten von Tigray, der die Briten unterstützt hatte. Jener wurde selbst 1872 als Yohannes IV Kaiser von Äthiopien.

General Napier wurde zum 1st Baron Napier of Magdala erhoben, war später auch eine zeitlang Oberkommandeur der Indienarmee. 1883 wurde er zum Feldmarschall befördert, er starb 1890 in London.

Eduard Zander zog ebenfalls mit dem Expeditionskorps aus Äthiopien, er starb schon Ende 1868. Einer seiner Ururenkel war der britische Schauspieler Sir Peter Ustinov. Seine Darstellung eines anderen geisteskranken Gewaltherrschers brachte ihm eine Oscar-Nominierung ein.

Quelle@Richard Harvey, Archiv Seehase