Das Ausscheiden von Dirk Hoke als Chef der Verteidigungs- und Raumfahrtssparte von Airbus wird in deutschen Medien wie dem Handelsblatt als zumindest unerwartet bezeichnet. Der Wunsch des Deutschen, Airbus zu verlassen um CEO eines Großkonzerns zu werden – welchem, ist noch nicht bekannt –, hat in jedem Fall eine Personalrochade im Airbus-Vorstand in Gang gesetzt.

Auch innerhalb des Unternehmens war man offenbar verblüfft darüber, dass ausgerechnet derjenige geht, der sich seit drei Jahren um eines der wichtigsten Programme von Airbus kümmert: um das französisch-deutsch-spanische Kampfflugzeugsystem der Zukunft, genannt FCAS. Es wird aus einem bemannten Jet, unbemannten Flügelmännern, Satelliten, Aufklärern und einer combat-data Cloud bestehen. Noch vor zwei Wochen erreichten Hoke und sein Team dabei eine wichtige Etappe: Mit Eric Trappier, Chef von Dassault Aviation, rettete er durch eine Einigung in Sachen künftiger Führung und Arbeitsaufteilung beim FCAS zumindest den Fortgang des zuvor am Rande des Scheiterns stehenden Projekts (Militär Aktuell berichtete). Trappier zollte Hoke dafür am 13. April Anerkennung: „Ich möchte Dirk meine Hommage aussprechen. Mit ihm gemeinsam haben wir das Programm aufgestellt und einen Erfolg erreicht. Ich hoffe wirklich, dass nun die beteiligten Regierungen zustimmen und ebenso auch der (Anmerkung: im Herbst neu zu wählende) Deutsche Bundestag.”

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Mit Dirk Hoke verlässt der CEO der Rüstungssparte den Airbus-Konzern.

Verteidigung bekommt wieder mehr Gewicht
Aus der seit 2020 Covid-bedingt plötzlich schwierigen Lage bei den Zivilflugzeugen vor allem in Europa, folgert Airbus wohl, dass sein Verteidigungsgeschäft wieder wichtiger werden wird – nachdem das Unternehmen noch vor drei Jahren das Gegenteil verlautet hat. Auch deshalb soll speziell beim FCAS offenbar nichts „anbrennen” – wenn das Programm erfolgreich wird, winken hier später im Jahrzehnt Milliardenumsätze in zweistelliger Höhe.

An Hokes Stelle tritt der deutsche Manager Michael „Mike” Schöllhorn, der erst 2018 vom Segment der Bosch/Siemens Haushaltsgeräte zu Airbus wechselte. Solche Wechsel in eine total andere Sparte sind für Spitzenmanager aber nichts Ungewöhnliches, der Österreichs Verträge/Vergleiche aushandelnde Aloysius Rauen wurde danach CEO einer Firma für Hafenkräne. Schöllhorn hat als Verantwortlicher für die gesamte Zivilflugzeug-Produktion die Werke zuerst auf eine Steigerung der Produktion, dann aufgrund der Covidkrise innerhalb kürzester Zeit auf verringerte Raten eingestellt – und dabei seine Fähigkeiten bewiesen. Zudem kennt sich Schöllhorn als Reserveoffizier und Hubschrauberpilot in der Verteidigung aus. Militär Aktuell hat bereits bezüglich eines Interviews mit ihm im weiteren Verlauf des Jahres vorläufig positive Signale erhalten – auch weil die Eurofighter-GmbH zu seinem Bereich gehört und Airbus Defence & Space Vertragspartner der – etwa im Simulatorbereich – teils noch heuer neu zu verhandelnden Support-Verträge mit Österreich ist.

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Michael Schöllhorn, Chief Operating Officer (COO) Airbus Commercial Aircraft.

Der Konzern stellt Schöllhorn künftig aber einen Franzosen an die Seite: Jean-Brice Dumont, der am 1. Juli als Verantwortlicher für alle Militärflugzeuge und die Eurodrohne nach Madrid wechseln wird. Dumont hat einen wichtigen Vorteil: Er hat seine Karriere bei der französischen Rüstungsagentur DGA begonnen und kennt damit das Verteidigungsestablishment seines Landes, welches ganz anders aufgestellt und politisch gewichtet ist als in Deutschland und das zuletzt nicht mit Kritik an Deutschland und dessen stets politisierten Entscheidungsfindungen in Sachen Rüstung allgemein und in Sachen FCAS im Besonderen gespart hat.

Für Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury hat der ganze Umbau einen angenehmen Nebeneffekt: Mit Hoke und der italienischen Technik-Chefin Grazia Vittadini verlassen zwei Schwergewichte den Konzern, die er noch von seinem Vorgänger Tom Enders übernommen hatte. Der Vorstand ist damit nun komplett „sein eigener”. In jenen tritt übrigens auch Alberto Gutiérrez als COO ein, seit Juli 2017 war er Leiter der gesamten Militärflugzeugsparte, davor Leiter der Kampfflugzeugsparte und wieder davor leitete der Spanier von 2013 bis Ende 2015 die Eurofighter GmbH in Hallbergmoos.

@Airbus Defence & Space
Sabine Klauke folgt auf Grazia Vittadini als Technikchefin und bekommt einen erweiterten Zuständigkeitsbereich.

Wieder eine Frau als Technikchefin
Mit dem Chef der Verteidigungssparte, der Technologiechefin, dem Verantwortlichen für die Produktion, dem Leiter der Forschung und dem Verantwortlichen für die Rüstungsgeschäfte in Spanien verlassen insgesamt fünf Spitzenkräfte am 1. Juli das Unternehmen – oder wechseln auf einen neuen Posten. Im Zuge der durch Hoke „ausgelösten” Rochaden wurden seitens Airbus dann auch bereits bekanntgegeben, dass die Deutsche Sabine Klauke auf Grazia Vittadini als Technologievorständin folgt. Zu den Gründen für das Ausscheiden von Vittadini sagt der Konzern wenig. Nur so viel: Sie werde andere Herausforderungen außerhalb von Airbus verfolgen. Vor ihrer Berufung 2018 zur Technikchefin hatte sie bereits mit Dirk Hoke zusammengearbeitet. Die noch bis 1. Juli amtierende Technikchefin erweist ihm nun auch ihren Dank: „Dirk ist ein Chef, von dem ich stets wusste, dass er den Kopf für mich hinhalten würde, wenn es nötig sein sollte.” Kürzlich ließ sie aber durchblicken, dass Airbus nach wie vor ein Unternehmen sei, in dem es Frauen nicht leicht haben – weibliche Führungskräfte müssten stets beweisen, dass sie „einen Tick besser” seien als Männer, so Vittadini.

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Guillaume Faury ist erst seit dem 10. April 2019 Vorstandsvorsitzender von Airbus, hatte im Zuge der Corona-Krise aber alle Hände voll zu tun.

Durch die Ernennung von Sabine Klauke steigt jedenfalls die Zahl der Deutschen im Vorstand (Executive Comitee) auf vier. Frau Klauke ist seit zweieinhalb Jahren Chefingenieurin der Rüstungssparte von Airbus, sie ist ebenso wie ihre Vorgängerin auch seit 19 Jahren im Konzern und ebenfalls studierte Ingenieurin – und zwar an der TU Dresden und einer Ingenieurhochschule im französischen Valenciennes. Klauke hat aber auch diverse zivile Abteilungen innerhalb des deutsch-französisch-spanischen Flug- und Raumfahrtunternehmens absolviert.

Sie soll künftig mehr Verantwortung erhalten als ihre Vorgängerin und wird nicht nur wie Vittadini Technikchefin sein – mit dem Blick auf Neuentwicklungen wie beispielsweise Wasserstoffflugzeuge –, sondern erhält auch die bislang beim Franzosen Jean-Brice Dumont liegende Zuständigkeit für das Engineering, also für die Technik der bestehenden Flugzeugprogramme. Airbus begründet das mit der Notwendigkeit, über alle Sparten des Unternehmens hinweg für eine kohärente technologische Weiterentwicklung sorgen zu wollen.

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Quelle@Airbus Defence & Space, Georg Mader