Mit seinen Sonderschutzfahrzeugen hat sich das Tiroler Familienunternehmen Franz Achleitner Fahrzeugbau und Reifenzentrum GmbH längst international einen Namen gemacht. Nun setzt der Fahrzeugbauer auch mit geschützten Traktoren zum großen Sprung an.
Das Jagdkommando vermeldete jüngst den Kauf von GRF-Fahrzeugen von Defenture. Als Kooperationspartner des niederländischen Herstellers bei der Lieferung der Fahrzeuge an die rot-weiß-roten Spezialeinsatzkräfte ist auch Achleitner mit an Bord. „Damit konnten wir unseren international angesehenen Namen einmal mehr bestätigen”, freut sich Geschäftsführer Franz Achleitner. „Wir arbeiten hier eng mit allen Parteien zusammen, um bestmöglich sowohl Systemintegration, Weiterentwicklung der Konfiguration, aber später auch die lebenslange Serviceunterstützung bieten zu können. Das Projekt und eine weitere strategische Partnerschaft machen uns stolz, wobei es natürlich trotzdem unser primäres Ziel ist, eigene Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.”
Dahingehend hat Achleitner gleich mehrere heiße Eisen im Feuer: Etwa den hochgeländegängigen Speedfighter, die geschützte Cabin Protect für unterschiedlichste standardisierte Lkw-Kabinen oder mit dem Talos eine geschützte Version des Land Cruiser 300 in den Schutzklassen VPAM BRV VR7 sowie VR9. Das österreichische Innenministerium hat sich zuletzt für seine Sondereinsatzeinheit WEGA für einen gepanzerter HMV Survivor I des Unternehmens entschieden.
Das Fahrzeug ist mit einem Gesamtgewicht von 13 Tonnen, einer hohen Nutzlast, permanentem Allradantrieb, vollautomatischem Getriebe und Platz für bis zu zehn Personen ausgelegt – zudem ermöglicht der modulare Aufbau rund um die Monocoque-Zelle enorme Flexibilität. Missions- und kundenspezifische Ausstattungen – bis hin zur CBRN Detektion, einer Anti-Riot-Leiter, Video-, Kamera- und Funktechnik – sind dabei Standard. „Der HMV Survivor I ist gemeinsam mit dem Speedfighter eines unserer Vorzeigeprodukte”, so Franz Achleitner, „da hier neben der geschützten Zelle und Systemintegration auch Entwicklung und Produktion des Rolling Chassis, inklusive der Fahrzeugelektrik im eigenen Haus sichergestellt werden kann.”
Ähnlich positioniert ist der PMV Survivor II, den Achleitner selbst als „ideale Kombination aus Mobilität, Modularität, Schutz und Nutzlast” beschreibt. Das auf einem MAN Lkw-Fahrgestell aufgebaute Fahrzeug kann kundenindividuell mit umfangreichen Sonderausstattungen wie Räumschildern, Rammdornen, Kamera-, Video- und Audio-Equipment versehen werden. Auch unterschiedliche Spezialvarianten wie eine C-UAS-Version des Fahrzeugs mit aufgebautem Suchradar oder eine CBRN-Version mit vollautomatischen Detektoren zur Aufklärung von radioaktiver Strahlung, chemischen Kampfmitteln und anderen gefährlichen Stoffen sind denkbar.
Zum Teil bereits angeboten werden diese Versionen von Rheinmetall. Der deutsche Rüstungskonzern vertreibt den Achleitner-Spross im Rahmen einer Kooperation als Survivor R unter anderem auf dem deutschen Markt. Ein Großauftrag kam hier zuletzt vom deutschen Innenministerium, das mit gleich 55 Fahrzeugen des Typs seinen Sonderwagen 4 ablöst.
Eine Eigenentwicklung, die bald schon richtig Fahrt aufnehmen soll ist auch der Terrus Protect – ein hochgeschützter Steyr-Traktor (-> Steyr & Achleitner setzen auf gepanzerte Traktoren). Franz Achleitner lächelt. „Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass wir uns irgendwann über den Aufbau geschützter Traktoren Gedanken machen werden.” Erstmals auf das Tableau kam das Thema Ende der 2010er-Jahre, als das Österreichische Bundesheer auf der Suche nach einem Fahrzeug für land- und forstwirtschaftliche Arbeiten auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig war. Dort macht die Gefährdung durch Blindgänger eine hohe Schutzklasse notwendig, Achleitner baute die gewünschten Fahrzeuge auf.
„Das war eigentlich als einmalige Sache gedacht”, sagt Achleitner. Bald meldeten aber auch andere Armeen und Abnehmer in Hochrisikosektoren wie Wege-Instandsetzer und spezialisierte Feuerwehren Bedarf an derart geschützten Traktoren an – für die Arbeit auf ihren eigenen Truppenübungsplätzen, für Löscheinsätze in gefährdeten Gebieten, aber auch für logistische Aufgaben in unwegsamem Gelände. Achleitner erkannte das Potenzial, steckte mit Steyr-Traktoren-Hersteller CNH die Köpfe zusammen und Ende 2023 präsentierten die beiden Unternehmen auf den sogenannten „Industry Days” im Military Engineering Centre of Excellence im deutschen Ingolstadt gemeinsam den Steyr Terrus Protect 6300 mit 313 PS und Achleitner-Kabine sowie den noch leistungsstärkeren 6340 mit 340 PS in einer weiteren strategischen Partnerschaft.
Verkaufsargumente sind neben dem hohen Schutz von Kabine und vitalen Fahrzeugkomponenten vor allem die hohen Straßengeschwindigkeiten bei zugleich extremer Geländegängigkeit und einem geringen Wendekreis von nur elf Metern. Dazu kommt die universelle Einsetzbarkeit: Auf dem Fahrzeug sind Planier- und Räumschilde ebenso einsetzbar wie Anbaubagger und -kräne, Grabenfräsen oder Frontlader. „In Kombination macht das die Fahrzeuge für Armeen extrem attraktiv”, sagt Achleitner. „Wir registrieren großes Interesse, viele Streitkräfte prüfen aktuell eine Beschaffung.”
Bei Bedarf bietet Achleitner darüber hinaus die individuelle Anpassung inklusive Entwicklung, Produktion und Aufbau des Grundkonzepts und des Original-Cockpits an konkrete Kundenwünsche an. „Auch eine optische Verblendung der hochgeschützten Kabine ist theoretisch darstellbar”, sagt Achleitner, der im Gespräch mit Militär Aktuell den konsequenten Qualitätsanspruch seines Unternehmens betont.
„Würden wir nicht bedingungslos auf Qualität setzen, könnten wir im Konzert der Großen gar nicht mitspielen”, sagt er. Teil dieser Strategie ist auch, dass Achleitner möglichst viele Produktions- und Zertifizierungsprozesse im eigenen Haus abdecken kann. Materialtests beispielsweise können im eigenen Beschusskanal durchgeführt werden. Auch bei vielen Stahlbau-Schritten ist man nicht auf externe Zulieferer angewiesen, verfügt das Unternehmen intern über das benötigte Know-how und den Maschinenpark – und das wird eben auch von Partnern wie Rheinmetall und jetzt Defenture geschätzt.
„Wobei diese Kooperationen für uns nur Sinn machen, wenn die Produkte am Ende des Tages auch den hohen Ansprüchen an uns selbst standhalten. Es bringt nichts, viele Fahrzeuge anzubieten und zu verkaufen, wenn diese dann den Kunden nicht zufriedenstellen.” Franz Achleitner lächelt. „Einen unzufriedenen Kunden sehe ich nie wieder, ein zufriedener Kunde setzt sein Vertrauen auch bei Wartung und Service auf uns und wird morgen möglicherweise noch einmal bei uns kaufen.”
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