Kapitän zur See Jonas Hård Af Segerstad ist seit 2022 schwedischer Verteidigungsattaché in Berlin, Bern und Wien. Zuvor war er unter anderem Sektionschef der Planungsabteilung der schwedischen Streitkräfte und Chef der 42. Minenräumungsdivision der 4. Seegefechtsflotille. Der studierte Germanist hat auch zwei Bücher über die schwedische Marine geschrieben.

Herr Segerstad, Schweden ist seit 7. März Mitglied der NATO. Wie hat die Mitgliedschaft die Situation Schwedens verändert?
Für viele Schweden und Schwedinnen ist die NATO noch sehr abstrakt – aber das wird sich ändern. Mit Anfang 2025 planen wir, ein schwedisches Bataillon nach Lettland zu entsenden, immer für sechs Monate, gemeinsam mit Kanada und Dänemark. Schwedische Soldaten, die im Rahmen der NATO deren Grenzen wahren, das wird etwas ganz Neues für uns.

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Wie groß bewerten Sie das Risiko, dass sich der Krieg in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) auf das Baltikum ausweitet?
Dieses Risiko ist sehr real, denn Russland sieht Krieg ganz anders als wir. Sollte Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinnen, hat das weitreichende Folgen für die Welt. In so einem Fall wird Russland wohl nach dem nächsten Land Ausschau halten, auf das es Anspruch erhebt. Russland ist willig und fähig, Krieg anzuwenden, um seine politischen Ziele zu erreichen.

Ein Angriff könnte über die Nordkalotte oder über die Ostsee kommen. In der Verteidigungsstrategie spielt aber auch die hybride Kriegsführung eine große Rolle. Welche Bedrohung ist am größten? Wie begegnet man ihr?
Schwer zu sagen, welche Bedrohung am größten ist. Hybride Kriegsführung betrifft ein weites Feld wie etwa Vorfälle außerhalb eines militärischen Angriffs: wirtschaftliche Erpressung, Sabotage, IT-Attacken, Einflussnahme und Manipulation oder die Unterstützung von Terroristen bei einem Anschlag. Wir haben sehr viel von der früheren zivilen Bereitschaft eingespart. Während der Pandemie wurde deutlich, dass wir die Gesellschaft wieder stärken und weniger angreifbar machen müssen. Wenn wir dies umsetzen, ist es schwieriger mit hy­briden Kriegsmethoden gegen uns vorzugehen. Dann zwingen wir den Gegner zu einer offeneren Konfrontation, was uns die Verteidigung erleichtert. Es ist schwer, sich zu verteidigen, wenn man nicht wirklich weiß, wer etwas gemacht hat.

„Russland ist willig und fähig, Krieg anzuwenden, um seine politischen Ziele zu erreichen.“

Warum ist die Insel Gotland strategisch so wichtig?
Gotland liegt fast in der Mitte der Ostsee und ist der Schlüssel, zur Kon­trolle des gesamten Gebiets. Finnland beispielsweise wird fast ausschließlich über die Ostsee versorgt, und kommt es zu einem Krieg zwischen Russland und dem Westen, würde das auch für das Baltikum gelten. Von Gotland aus könnte das ein Gegner unterbinden. Gotland wäre daher ein entscheidender Rückhalt in einem möglichen Kriegsgebiet im Baltikum.

Schweden: Wie sich ein Land auf Krieg vorbereitet

Welche hervorstechende militärische Expertise hat Schweden im Vergleich zu anderen Ländern?
Schweden hat viel Erfahrung und das richtige Material, wenn es um den arktischen und subarktischen Winter geht. Kalte Temperaturen und die Dunkelheit, dafür sind wir ausgerüstet. Die schwedische Marine ist speziell an die Gegebenheiten der Ostsee angepasst. Es ist ein kleines und seichtes Meer. Hier haben wir besonders viel Erfahrung und Expertise, die viele andere Flotten in der Welt nicht haben. Deren Fahrzeuge und Boote sind für die großen und tiefen Meere gemacht, nicht für Bedingungen, wie wir sie in der Ostsee vorfinden.

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Quelle©Bernhard Ludewig