Unsere fünf Fragen gehen diesmal an Brigadier Philipp Eder. Wir haben den Ukraine-Experten des Bundesheeres gefragt, welche Rolle nordkoreanische Soldaten im Ukraine-Krieg (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) spielen können, was ihr Einsatz für die NATO bedeutet und was sich Pjöngjang als Gegenleistung für seine Truppen von Moskau erwartet.

Herr Brigadier Eder, zuletzt wurden Informationen über nordkoreanische Soldaten bekannt, die Russland bei ihrem Krieg gegen die Ukraine unterstützen sollen. Welche Aufgaben könnten die nordkoreanischen Soldaten übernehmen und wäre das eine tatsächliche Hilfe für die russischen Streitkräfte oder geht es Nordkorea vor allem um das Sammeln von Kampferfahrung?
Derzeit verfügbare Informationen besagen, dass es sich um 3.000 Infanteristen handeln soll, deren Zahl auf mehr als 10.000 anwachsen könnte. Die Angaben über ihren Ausbildungsstand sind sehr vage. Angeblich gehören sie zum 11. Armeekorps, einem auf irreguläre Kriegsführung spezialisierten Verband. Die nordkoreanischen Soldaten sind jedenfalls für Russland eine willkommene zahlenmäßige Verstärkung direkt an der Front, zum Beispiel für Angriffe auf ukrainische Stellungen. Offensichtlich hat Russland derzeit nicht genug Soldaten, um gleichzeitig sowohl im ukrainischen Donbas, als auch gegen die auf russisches Territorium im Oblast Kursk eingedrungenen ukrainischen Truppen zu kämpfen. In Kursk sollen dem Vernehmen nach erste Nordkoreaner bereits eingetroffen sein.

„Die nordkoreanischen Soldaten sind für Russland eine willkommene zahlenmäßige Verstärkung direkt an der Front.“

Welche militärischen Herausforderungen würde denn die Integration nordkoreanischer Truppen in die russischen Streitkräfte mit sich bringen?
Hier gibt es derzeit widersprüchliche Meldungen, konkrete Einsätze der Nordkoreaner stehen ja noch bevor, dann weiß man mehr. Üblicherweise bleiben in multinationalen Einätzen nationale Kontingente unter sich. Nordkoreanische Verbände würden daher nicht mit russischen Soldaten vermischt werden, da es logistisch, sprachlich und kulturell zu große Unterschiede gibt. Es gibt aber auch gegenteilige Aussagen über Nordkoreaner in russischen Uniformen und mit russischen Waffen mit dem Zweck, ihren Einsatz zu verschleiern. Nordkorea wird sicher zur Führung seiner Truppen Verbindungsoffiziere in russische Kommanden und Stäbe entsenden. Diese werden Befehle an ihre Soldaten weiterleiten beziehungsweise deren Lageberichte an russische Kommandanten übermitteln.

„Südkorea denkt über den Ausbau ihrer bisherigen Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte nach.“

Mit dem Einsatz regulärer, nordkoreanischer Soldaten in der Ukraine würde sich der Krieg zu einem multilateralen Konflikt ausweiten. Was würde das für die NATO bedeuten?
In der Praxis nichts, weil die NATO im Krieg in der Ukraine keine Rolle spielt. Nordkorea stellt ja überhaupt einen Sonderfall in der Geopolitik dar, weil das Regime bereits seit langem permanent UN-Resolutionen verletzt und bis auf wenige Ausnahmen politisch, wirtschaftlich und militärisch weitgehend isoliert ist. Der Einsatz der Nordkoreaner wird vom Westen scharf verurteilt. Er verstößt, wie der gesamte russische Angriffskrieg, gegen das Völkerrecht, die UN-Charta und UN-Sicherheitsratsresolutionen. Südkorea denkt nun über den Ausbau ihrer bisherigen Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte nach.

©Militär Aktuell

Welche Militärhilfen erhielt denn Moskau von Pjöngjang bisher?
Nordkorea liefert an Russland vor allem dort dringend benötigte Artilleriemunition und Raketen. Insgesamt sollen seit Februar 2022 Rüstungsgüter mit einem Wert von zwischen 1,6 und 5,1 Milliarden Euro an Russland übergeben worden sein. Genaue Summen sind aufgrund der dabei nicht vorhandenen Transparenz schwer zu ermitteln.

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Welche Gegenleistung könnte sich der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un für die Entsendung von Soldaten von Putin erhoffen?
Im Juni dieses Jahres haben der russische Präsident sowie der nordkoreanische Machthaber einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft beider Staaten unterzeichnet. Er legt unter anderem fest, dass sich beide Länder – nach Vorbild der Beistandsverpflichtung der NATO – gegenseitig Beistand leisten, sollte einer der beiden Staaten angegriffen werden. Dies schaffte offenbar die Voraussetzungen für die aktuelle Entsendung nordkoreanischer Soldaten in den Raum Kursk. Schon davor wurde vermutet, dass Russland mit technologischem Know-how nordkoreanische Rüstungsentwicklungen, zum Beispiel bei Raketen und Marschflugkörpern, unterstützt. Befürchtet wird auch eine Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung von Atomwaffen. Die oben erwähnten Waffenverkäufe an Russland bringen weiters dringend notwendige Geldmittel für das heruntergewirtschaftete Land. Zusätzlich zu China ist mit Russland nun ein weiteres ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates Verbündeter Nordkoreas geworden.

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