Wir besuchen das Jägerbataillon Steiermark in Sankt Michael und auf der Seetaler Alpe. Die Milizsoldaten haben Erfahrung im Covid-Einsatz und bereiten sich auf ihre nächste taktische Übung „Kreidfeuer” vor.
Fast unbemerkt bereitet sich der Zug im Dunklen vor. Die Pistole im Anschlag und im Visier zwei helle Punkte. Im Keller des Kreuzbaus ist Trockentraining angesagt. Eine Schießausbildung, die jedem Schützen unbarmherzig auf den Zahn fühlt. Der Simulator misst den genauen Weg des Anvisierens und offenbart, wie stark man beim Abziehen zittert oder eben nicht. Vergrößert auf einem Bildschirm, sodass alle Kameraden zuschauen können.
Weiter oben, auf knapp 2.000 Metern Seehöhe, ist die zweite Kompanie schon in der nächsten Phase. Schießübung eins bis fünf mit der Pistole 80 am Truppenübungsplatz Seetaler Alpe. „In echt ist es schon ein ganz anderes Erlebnis. Das kann man gar nicht simulieren”, hört man von einem der Soldaten. Gatsch am Boden, Schneeregen von oben sind ebenso echt. Glück dem, der Handschuhe und Haube mit dabeihat.
Dabei ist für die Milizsoldaten des Jägerbataillons Steiermark der Echtbetrieb nichts Neues. 2016 führte man anlässlich der Airpower beispielsweise eine Milizübung durch, in deren Rahmen man Personen- und Kfz-Kontrollen vornahm. Die Soldaten „filzten” während der zweitätigen Flugshow am Fliegerhorst Hinterstoisser 300.000 Besucher. 2020 dann die Mobilmachung der ersten Kompanie im Rahmen des Covid-Assistenzeinsatzes. „Wir waren an der Grenze zu Slowenien, am Übergang Spielfeld, einsgesetzt”, erzählt Bataillonskommandant Oberst Markus Mesicek. Da von dort die Autobahn A9 in wichtige Industrieregionen der Steiermark führt, war in Sachen Reisemanagement viel zu tun. „Die Soldaten konnten das anwenden, was sie gelernt haben”, ergänzt Mesicek und beobachtete einen Motivationsschub unter seinen Leuten. Als reines Milizbataillon zeigt sich dies unter anderem daran, dass viele Kameraden für weitere „Tage unterschrieben”. Soll heißen: Man stockte die abgedienten Pflichttage freiwillig – und gegen Prämie – auf.
Neues Personal rekrutiert sich unter anderem aus dem Jägerbataillon 18. Dieser in der Landwehr-Kaserne in Sankt Michael stationierte Verband ist für das Milizbataillon die militärische Heimat. Man rückt dort ein, man dockt dort in allen Bereichen der Ausbildung, Logistik und Organisation an. „Wir arbeiten auf Augenhöhe zusammen”, betont Oberst Klaus Schadenbauer, derzeitiger Kommandant der „18er”. Der Absolvent des Generalstabslehrgangs ist seit Dezember 2020 für ein Jahr in dieser Position. Davor war er mehrere Jahre in Brüssel und hat sich im EU-Militärstab mit der Streitkräfteentwicklung der nächsten zwei Dekaden beschäftigt.
„Die Sicherheitslage von der Sahelzone bis zum Kaukasus hat immer eine Verbindung zur Sicherheit Europas”, so Schadenbauer, der damit die Brücke zu den gerade übenden steirischen Jägern schlägt: „Österreich braucht rasch ins Ausland verlegbare Kräfte, aber auch solche, die hierzulande auf den Schutz von urbanen Räumen spezialisiert sind.” Und genau jener Schutz der kritischen Infrastruktur ist der Hauptauftrag des Jägerbataillons Steiermark. „Kreidfeuer” heißen die im Zweijahres-Intervall stattfindenden regulären Milizübungen, wo es in der Einsatzart Schutz zur Sache geht. „Seit 2006 machen wir gemeinsame Ausbildungen mit der Polizei in Richtung sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz und vertiefen unser Wissen immer weiter”, fasst Mesicek zusammen.
Diese Übung aber trägt Feuer nicht im Namen, sondern als Programm. „Die Sonderwaffenübung dient dem Erreichen der Grundschießfertigkeit”, erläutert Mesicek. Alle im Bataillon verfügbaren Infanteriewaffen – neben Pistole und Sturmgewehr auch Maschinengewehr sowie Scharfschützengewehr – kommen während der sechs Tage auf der Seetaler Alpe sowie am Übungsplatz Ortnerhof zum Schuss. Covid-Präventionskonzept inklusive: Jeder der mehr als 500 Eingerückten musste durch die Teststraße in der Turnhalle der Landwehr-Kaserne. Wem es möglich ist, der soll zu Hause nächtigen. Abstandhalten im Speisesaal und kein Gegenübersitzen während des Essens sind mittlerweile „normal”.
Oberst Mesicek kann auch das nicht erschüttern, blickt er doch als Milizsoldat auf eine lange Laufbahn zurück. 1989 war seine erste Milizübung, damals noch in der Ära der Landwehrbataillone. 2018 übernahm er von seinem Vorgänger Oberst Michael Miggitsch das Kommando. Im Zivilberuf ist er im Großkundenbereich bei der UniCredit Bank Austria tätig. Synergien zwischen Privatwirtschaft und Militär sind definitiv gegeben: „Führungslehrgänge, Stabstraining, das kann ich 1:1 im Ziviljob anwenden”, sagt er. Ebenso lebt er als Bataillonskommandant die Partnerschaft mit zivilen Organisationen. So etwa mit dem Radiosender Antenne Steiermark, mit dem der Verband jährlich den Schulskitag in Schladming organisiert. „Wir müssen den Mehrwert des Bundesheeres besser verkaufen”, so seine Motivation. Dazu gehört auch die Einbindung der Angehörigen seiner Soldaten, etwa durch Familien-Feldlager-Wochenenden.
Die Pandemie hat dem Bundesheer in puncto Stellenwert in der Bevölkerung einen Auftrieb verliehen, sind sich Oberst Schadenbauer und Oberst Mesicek einig. Öffentlichkeitswirksame Einsätze wie bei Corona-Teststraßen in zahlreichen Städten Österreichs haben einen Beitrag geleistet. Was in mühsamer Kleinarbeit – so wie nun auf der verschneiten Seetaler Alpe – geübt wird, macht sich bei solchen Einsätzen dann bezahlt. 2022 geht es in die nächste Runde Kreidfeuer. Mit im Gepäck wird dann auch schon das neue Image-Video über das Jägerbataillon Steiermark sein, das beim Besuch von Militär Aktuell von der Heeresbild- und Filmstelle gedreht wurde.
Zur Geschichte des Jägerbataillons Steiermark
Das Jägerbataillon Steiermark „Erzherzog Johann” ist eines von insgesamt zehn Miliz-Jägerbataillonen des Bundesheeres. Hervorgegangen ist es aus dem Zusammenschluss des Jägerbataillons 37 („Tauernbataillon”), sowie des Jägerbataillons 38 („Junkerbataillon”) im Jahr 2006. Das mobilmachungsverantwortliche Kommando ist das Jägerbataillon 18 mit Sitz in der Landwehr-Kaserne in Sankt Michael. Gegliedert ist der Verband neben dem Bataillonskommando in eine Stabskompanie sowie drei Jägerkompanien. Zur Bewaffnung zählen Pistole, Sturmgewehr, Maschinengewehr, Scharfschützengewehr und Panzerabwehrrohr. Alle zwei Jahre führt das Jägerbataillon reguläre Milizübungen unter dem Namen „Kreidfeuer” (mittelalterliches Signalfeuer) auf diversen Truppenübungsplätzen Österreichs durch. Der Hauptauftrag ist der Schutz kritischer Infrastruktur in der Steiermark. Die Mobilmachungsstärke beträgt 860 Mann.
Hier geht es zu einem kurzen Interview mit Wachtmeister Markus Maurer vom Jägerbataillon Steiermark und hier geht es zu unseren anderen Truppenbesuchen.