Die „Fernmelder” des Bundesheeres bereiten gerade ihren Quantensprung vor: ein digitales Battle-Management-System für alle Einheiten. Militär Aktuell hat bei der Führungsunterstützungsschule exklusive Einblicke bekommen.

Das neueste Smartphone, der schnellste Laptop, das flachste Tablet – was im zivilen Leben Status und Zeitgeist zum Ausdruck bringt, ist im militärischen Bereich fehl am Platz. Schließlich geht es bei der Übertragung von Sprache und Daten im Felde nicht um das schickste Modell aus Kalifonien, sondern um Sicherheit und Zuverlässigkeit. Der Feind darf keinesfalls mithören. Wenn es Minusgrade hat, muss das Werkl trotzdem funktionieren und auch bei Nebel und selbst im Hochgebirge darf die mittlerweile digitale Kommunikation nicht abreißen.

@Sebastian Freiler
Alles live: Kern des Tactical Communication Network ist ein digitales Lagebild in Echtzeit.

Darum stehen im Hof der Starhemberg-Kaserne, der Homebase der Führungsunterstützungsschule (kurz FüUS), beim Besuch von Militär Aktuell mehrere grüne Shelter mit markanten Antennen drauf, die im Inneren so gar nicht mehr nach „Oldschool-Fernmelder” aussehen. Denn das Bundesheer steht vor seiner größten technologischen Revolution, was Datenübermittlung im Feld angeht. Nächstes Jahr bekommen die vier Brigaden nämlich das Tactical Communication Network, kurz TCN. Mit dem digitalen Battle-Management-System ist Schluss mit Lagemeldungen per Funk von der Kompanie zum Bataillon. Dann gibt es mithilfe von Sensoren ein Live-Lagebild von ganz unten bis ganz oben. Also vom Gefechtsfahrzeug bis zur Brigade. Alles in Echtzeit und mit 20 Kilometer Reichweite per WLAN und Plug-and-play. „Der Operator am Gerät braucht dafür kein Informatikstudium”, erzählt Vizeleutnant Christian Fletschberger, Hauptlehr-Unteroffizier für das TCN an der FüUS und einer der Pioniere im Bundesheer, was die Bedienung angeht.

„Wir haben viele Pläne in der Schublade“

In der Starhemberg-Kaserne bereitet er gerade den Quantensprung in der Führungsunterstützung vor. Äußerlich wenig spektakulär, denn die „Kompanien” befinden sich in den typischen Heeres-Sheltern. Drinnen ein paar Bildschirme, Laptops, Kabelschränke, die dann im Echtbetrieb für ein dynamisches Lagebild sorgen. „Derzeit machen wir die Train-the-Trainer-Schulung mit der Firma Kapsch”, erklärt er. Mit Vertretern des Lieferanten dreht man noch an den letzten Stellschrauben, damit das TCN künftig den Anforderungen der Truppe gerecht wird und nächstes Jahr mehrere Hundert Personen in der FüUS darauf ausgebildet werden können.

@Sebastian Freiler
Jahrgangskameraden: Oberst Franz Sitzwohl (links) ist seit Herbst Kommandant der FüUS, Oberst Michael Hoffmann sein Stellvertreter. Die beiden kennen einander seit der Militärakademie.

@Sebastian FreilerMilitärische Kommunikationstechnologie kauft man nicht von der Stange. Die Lösungen sind höchst individuell zugeschnitten. Das betont Oberst Franz Sitzwohl, seit Herbst des vergangenen Jahres Kommandant der FüUS: „Firmen stehen bei der Auslieferung an das Bundesheer auch im Lernprozess. Denn wir sind die Einzigen, die die Geräte im Feld ausprobieren.” Der gelernte Infanterist und Logistiker mit absolviertem Generalstabslehrgang skizziert die Evolution der Kommunikation: „Ganz früher waren es Kabel, dann kam der Funk, dann der Wechsel von analog auf digital und nun sind wir bei IKT-Sicherheit, elektronischer Kampfführung und Cyber. Da müssen wir viel Know-how aus der Privatwirtschaft holen.”

„Ganz früher waren es Kabel, dann kam der Funk, dann der Wechsel von analog auf digital und nun sind wir bei IKT-Sicherheit, elektronischer Kampfführung und Cyber.“

Oberst Franz Sitzwohl, Kommandant der FüUS

Ganz unproblematisch ist das aber nicht, denn schließlich sollte eine Armee mehr oder weniger autark funktionieren und sich nicht in die volle Abhängigkeit von Firmen begeben. Andererseits fehlt es aber an Ressourcen, die volle Expertise im Heer aufzubauen. Dass man nicht jede technologische Neuerung mitmachen kann, versteht sich von selbst. Schließlich wird ja keine kleine Firma mit neuer IT bestückt, sondern jede Entscheidung muss auf die ganze Truppe ausgerollt werden. Und mit anderen Armeen sollten die Kommunikationssysteme natürlich auch kompatibel sein. Der stellvertretende Schulkommandant Oberst Michael Hoffmann, der übrigens Sitzwohls Jahrgangskamerad an der Militärakademie war, ergänzt: „Im Verteidigungsministerium plant man, was das Bundesheer die nächsten zehn Jahre braucht. Wir formulieren, wie das genaue Ausbildungs-Setup aussehen muss.”

@Sebastian Freiler
Battle Management: Diese Antennen verbinden Fahrzeuge und Gefechtsstände von Kompanie bis Brigade. Ab dem laufenden Jahr bekommen alle Einheiten des Bundesheeres das Tactical Communication Network (TCN).

In der Praxis überspringt man meist ein paar Entwicklungsschritte. Heute ist man beim Begriff Führungsunterstützung weit weg von der klassischen Fernmelderei. Sie hat sich um die Bereiche elektronische Kampfführung sowie Cyber erweitert. Unter Letzterem versteht man in erster Linie die Absicherung der eigenen Systeme vor Attacken. Kurzum: Wie man sich abschirmt, damit niemand mithört. Früher ging es dabei um das Anzapfen von analogen Feldkabeln, heute verlagert sich das Geschehen ins digitale Netz, also in den Cyberraum. „Offensive Cyberkräfte, die auch zum Gegenschlag ausholen können, haben wir aber nicht”, präzisiert Sitzwohl.

Augen und Hammer des Bundesheeres

Bei der Abwehr von Gefahren ist die FüUS auch beim Thema Drohnen aktiv. Während sich die Fliegerabwehrtruppenschule mit der „mechanischen” Abwehr – etwa dem Abschuss – befasst, stört die FüUS die Verbindung zwischen Drohne und Steuerung. „Je nach Modell fliegt sie dann zu ihrem Startpunkt zurück oder landet auf der Stelle”, veranschaulicht Hoffmann die Funktionsweise der im Bundesheer eingeführten Systeme. Beim Jägerbataillon 8 entsteht gerade die erste Drohnenabwehr-Einheit. Und man sammelt Erfahrungen im Assistenzeinsatz im Burgenland.

„Führungsunterstützung wird ein immer größeres Thema im Bundesheer. Von Digitalisierung bis Big Data – wir befinden uns in einem ständigen Transformationsprozess.“

Oberst Franz Sitzwohl, Kommandant der FüUS

Zurück in den Hof der Starhemberg-Kaserne, wo sich gerade im Rahmen der Kaderanwärterausbildung 5 angehende Stabsunteroffiziere mit dem TCN vertraut machen. Für sie ist es ein Highlight, die „heiße Ware” vor dem Großteil ihrer Kameraden in Händen halten zu dürfen. Beim „Unboxing” montieren sie Antennen, schließen Module zusammen und blicken auf Bildschirme (siehe Interview). Hinter ihnen summen die Serverschränke – Indizien großer Rechenkapazität. Auch für den Schulkommandant und seinen Stellvertreter ist das TCN sichtlich eine spannende Sache. Sitzwohls Ausblick: „Führungsunterstützung wird ein immer größeres Thema im Bundesheer. Von Digitalisierung bis Big Data – wir befinden uns in einem ständigen Transformationsprozess und können uns nie an der Vergangenheit orientieren. Sondern können nur in die Zukunft blicken.”

@Bundesheer
Die Führungsunterstützungsschule beschäftigt sich zunehmend auch mit Abwehrmöglichkeiten gegen Drohnen

Zur Geschichte der Führungsunterstützungsschule
Die Führungsunterstützungsschule (FüUS) befindet sich in der Starhemberg-Kaserne in Wien-Favoriten. Ihre Kernaufgaben sind die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Soldaten sowie Zivilbediensteten des Bundesheeres in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie. Darunter versteht man die Übertragung von Sprache und Daten sowohl über Funk als auch per Kabel. Ebenfalls zum Leistungsspektrum der FüUS gehören elektronische Kampfführung zur Drohnenabwehr sowie Sicherheit im Cyberraum.

Gemeinsam mit dem Ministerium wirkt man zudem bei der Planung und Beschaffung von neuen Kommunikationssystemen mit, erprobt diese und bereitet sie für den Roll-out an die Truppe vor. Die FüUS besteht aus fünf Organisationselementen: Grundlagenabteilung, Institut FM & IKT, Institut Cyber & Elektronische Kampfführung, Lehrelement, Elektronische Kampfführung zur Drohnenabwehr. Pro Jahr durchlaufen rund 1.000 Personen die FüUS, die etwa 100 Kurse im Repertoire hat. Gegründet wurde sie 1957 als Telegraphentruppenschule, bis 2011 hieß sie Fernmeldetruppenschule (FMTS). Seit 2017 besteht eine Partnerschaft mit den Wiener Netzen. Da derzeit ein Viertel der Jobs an der FüUS nicht besetzt sind, sucht man dringend nach erfahrenen „Fernmeldern”, die gerne in der Lehre tätig sind.

Hier geht es zu unserem Interview mit Wachtmeister Christopher Weirauch, Fernmeldeunteroffizier in der Kampfunterstützungskompanie des Jägerbataillons 33, und hier geht es zu unseren anderen Truppenbesuchen.

Quelle@Sebastian Freiler, Bundesheer