Was tut sich da bei der Schweizer Armee? Eine gute Frage, die sich so bis vor wenigen Tagen vermutlich nicht gestellt hätte. Dann aber sagte die Armeeführung aufgrund der „angespannten finanziellen Situation” völlig überraschend öffentlichkeitswirksame Großanlässe wie die für den Sommer geplante Flugshow „Airspirit 24” am Militärflugplatz Emmen ab und seitdem geht es bei den Eidgenossen um nichts anderes mehr, als um das klaffende Finanzloch bei der Armee.

Bis zu 1,4 Milliarden Franken (1,5 Milliarden Euro) sollen es sein, die den Streitkräften in den kommenden drei Jahren fehlen, um bereits bestellte Rüstungsgüter zu bezahlen, wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und andere Medien wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichten.

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Wo sind die fehlenden Millionen? Der Schweizer Armee fehlen in den kommenden Jahren nach aktuellem Stand rund 1,5 Milliarden Euro.

Ursachen für das Finanzdesaster gibt es demnach einige. So wurde nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) zwar eine deutliche Aufstockung der Verteidigungsmittel in den kommenden Jahren beschlossen, das Parlament folgte dann aber zuletzt mit einer hauchdünnen Mehrheit dem Antrag des Bundesrats diese Aufstockung nur verzögert umzusetzen. Das Armeebudget soll demnach erst bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts ansteigen statt, wie ursprünglich vorgesehen, bereits bis zum Jahr 2030. Dadurch gingen den Schweizer Streitkräften über den gesamten Durchrechnungszeitraum aber mehr als zehn Milliarden Schweizer Franken (rund 10,7 Milliarden Euro) verloren – Geld, das zum Teil schon jetzt fehlt.

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Erschwerend kommt hinzu, dass in den vergangenen Jahren auch die Armee selbst von ihrer ursprünglichen Finanzplanung abgewichen sein soll. Demnach hatte sie schon vor acht Jahren detailliert geplant, wie sie die kostspielige Aufstockung ihrer Luftabwehr mit dem US-Luftverteidigungssystem Patriot und die milliardenschwere Anschaffung neuer Kampfjets finanzieren will. Die Schweiz hatte sich 2021 am Ende einer langwierigen – und zwischenzeitlich auch neu aufgerollten – Entscheidungsfindung bekanntlich für die Anschaffung von insgesamt 36 Kampfjets vom Typ F-35A von Lockheed Martin entschieden. Zur Wahl waren damals auch der Eurofighter Typhoon T3/4, die Rafale F4 von Dassault, die F/A-18E/F Super Hornet III von Boeing und ursprünglich auch der Gripen E von Saab gestanden. In der Entscheidungsbegründung hieß es zwar, dass mit der F-35 das „am besten geeignete” und zugleich auch das „günstigste” Modell gewählt worden sei, immer wieder wurde seitdem aber von verschiedenen Seiten Kritik an den hohen Anschaffungs- und vor allem an den Lebensdauerkosten laut. Punkte, die angesichts der Budgetmisere in der Schweizer Armee auch jetzt wieder geäußert werden.

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Am Ende eines langen Beschaffungsprozesses hat sich die Schweiz vor mittlerweile drei Jahren für den Kauf von F-35-Kampfjets entschieden.

Zurück zur Grundidee der Armee, die zunächst über Jahre hinweg die Investitionen möglichst niedrig halten wollte, um damit die benötigten Ressourcen für die beiden erwähnten Großbeschaffungen freizuspielen. Allerdings blieb es beim Plan, steckte die Armee dann doch mehr Geld in ihre Rüstung als geplant – je nach Jahr mehrere hundert Millionen Franken – und manövrierte sich so immer weiter in Richtung eines Engpasses, der nun zunehmend ans Tageslicht zu kommen scheint.

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Laut einem vom SRF zitierten internen Armeedokument hätten zwar auch die Teuerung und zuletzt gestiegene Betriebskosten innerhalb der Armee ihren Teil zum Finanzloch beigetragen, hauptverantwortlich seien aber die fehlgeleitete Finanzplanung und die eingangs erwähnte Mittelverschiebung.

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Nach aktuellem Stand fehlt es der Schweizer Armee in den kommenden Jahren an Mittel etwa zur Modernisierung ihrer Artillerie.

Um die Situation wieder in den Griff zu bekommen, verhandelt die Armee aktuell mit Rüstungslieferanten über mögliche Zahlungs- oder Lieferverschiebungen. Zudem könnten bereits beschlossene Rüstungskäufe storniert werden, was Armeechef Korpskommandant Thomas Süssli in einem Mediengespräch (siehe Video) vor wenigen Tagen aber zumindest für 2024 ausschloss. Die Armee habe es geschafft, kurzfristige Verpflichtungen von rund 800 Millionen Franken (854 Millionen euro) zu verschieben, zudem seien im Betrieb Sparmaßnahmen eingeleitet worden. „Wir können im laufenden Jahr daher allen Verpflichtungen nachkommen”, so Süssli, „es müssen vorerst keine Projekte abgebrochen werden.”

„Wir können im laufenden jahr allen verpflichtungen nachkommen. es müssen vorerst keine projekte abgebrochen werden.“

Korpskommandant Thomas Süssli

Wie sich die Situation in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird, bleibt vorerst abzuwarten. Stand jetzt scheint es jedenfalls keine Mittel für dringend benötigte Investitionen zur Modernisierung von in die Jahre gekommenden Fähigkeiten etwa im Bereich der Artillerie und zum Aufbau einer dringend benötigten Boden-Luft-Verteidigung zu geben. Auch die Pläne zur Digitalisierung und Vernetzung der Armee müssen nun noch einmal überdacht werden. Und ja, Publikumsveranstaltungen wie die „Airspirit” oder „Axalps” wird es in der Schweiz wohl längere Zeit nicht mehr geben.

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um die Schweizer Armee.

Quelle@VBS