Im Ramingtal in der Nähe von Steyr sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Mitten in dieser ländlichen Idylle produziert mit Steyr Arms aber auch ein österreichischer Vorzeigebetrieb Jagd-, Sport- und Militärwaffen für den Weltmarkt.

Irgendwo haben alle Geschichten einen Anfang und diese hier beginnt im Jahr 1864. Genauer: Am 16. April 1864. An diesem Tag, übrigens ein Samstag, gründet der junge Unternehmer Josef Werndl mit seinem Bruder in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Steyr die „Josef und Franz Werndl & Company, Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten”. Wie alle Jungunternehmer stehen auch die beiden Werndls zunächst vor vielen Problemen: Sie müssen parallel Entwicklung und Produktion aufbauen, innerbetriebliche Abläufe etablieren, neue Mitarbeiter gewinnen und einschulen, vor allem aber die Finanzierung sicherstellen. Schon drei Jahre nach der Gründung scheinen die größten Sorgen aber erst einmal der Vergangenheit anzugehören: Da flattert nämlich ein Großauftrag der österreichischen Armee ins Haus. Die k.u.k.-Streitkräfte machen den Werndl-Holub’schen Hinterlader zu ihrem Standardgewehr und begründen damit eine Tradition, die – unter anderem Firmennamen und unter anderen politischen Rahmenbedingungen – bis heute anhält.

@Sebastian Freiler
Rundgang: Steyr-Arms-Eigentümer Gerhard Unterganschnigg erklärt Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias, worauf es bei der Produktion hochwertiger Waffen ankommt: „Genauigkeit und Präzision – und zwar in allen Fertigungsphasen.”

Gerhard Unterganschnigg lächelt. Der in Zell am See geborene Unternehmer ist seit 2007 Besitzer und war dann bis zur Übergabe am 1. Dezember 2023 an Oliver Bauer einige Jahren auch Geschäftsführer des oberösterreichischen Waffenherstellers Steyr Arms, der aus dem vor fast 160 Jahren gegründeten Waffenbetrieb der Werndl-Brüder hervorging. Zwischenzeitlich firmierte das Unternehmen auch als Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft (ÖWG) und als Steyrer Werke AG. 1934 folgte die Fusionierung mit der Austro-Daimler-Puchwerke AG zur Steyr-Daimler-Puch AG, die Produktion umfasst damals auch Fahrräder, Autos, Lastwagen und Flugzeugmotoren. 1989 ist der Megabetrieb am Ende, die Steyr-Daimler-Puch AG wird aufgelöst, die einzelnen Sparten gehen getrennte Wege. Die Fahrzeugproduktion und andere Teile gehen in anderen Konzernen auf, die Waffenproduktion wird als Steyr Mannlicher AG ausgegliedert. 2004 folgt die Übersiedlung an den heutigen Standort im Ramingtal und dort führt uns nun Gerhard Unterganschnigg durch die Produktion.

@Sebastian Freiler
Im Jahr 2007 kaufte Gerhard Unterganschnigg den angeschlagenen Waffenhersteller Steyr Arms, später übernahm er dann auch die Geschäftsführung, die er am 1. Dezember 2023 dann aber wieder abgab.

„Es gibt nicht viele Unternehmen weltweit, die auf eine ähnlich lange – und bewegte – Geschichte und Tradition zurückblicken dürfen wie wir”, sagt er. Unterganschnigg hält da und dort bei Maschinen, erklärt Arbeitsabläufe und Produktionsschritte. Er erzählt von der Bedeutung hochwertiger Rohmaterialien („wir verwenden denselben Stahl, der auch beim Lauf des Leopard 2 A7-Kampfpanzers zum Einsatz kommt”) und welchen Druck Lauf und Gehäuse beim Abschuss aushalten müssen („bis zu 5.000 Bar!”). Er berichtet von der 2018 bei Steyr etablierten innovativen Monobloc-Fertigung von Jagdwaffen, bei der das Gehäuse in den Lauf integriert ist. Von gehonten und vorgedrehten Läufen, und er erzählt von mikrographischen Strukturen, neuen Kalibern, Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Lauflängen und davon, dass all das keine Millimeterarbeit sei. „Es geht bei uns deutlich genauer zu”, sagt Unterganschnigg. „Nur wenn wir hochpräzise arbeiten, kann das Endprodukt auch höchsten Ansprüchen genügen.”

„Es gibt nicht viele Unternehmen weltweit, die auf eine ähnlich lange – und bewegte – Geschichte und Tradition zurückblicken dürfen wie wir.“

Steyr Arms-Eigentümer Gerhard Unterganschnigg

Die Endprodukte, das sind Sport- und Jagdwaffen wie die Breeze- und Carbon-Modelle. Das sind aber auch Behörden- und Armeewaffen wie Scharfschützengewehre, die Pistole A2 MF, das Granatwerfersystem GL-40 und vor allem die bei vielen Polizei- und Streitkräften weltweit eingesetzten Sturmgewehre (AUG). 1977 beim Bundesheer als Sturmgewehr 77 (StG 77) eingeführt, weiß jeder, der in den vergangenen Jahrzehnten beim Bundesheer war, mit zumindest einem Produkt „made in Ramingtal” etwas anzufangen. Und damit das auch in Zukunft so ist, werden die Waffen gerade gründlich modernisiert. In Zusammenarbeit mit dem Bundesheer verpasst Steyr Arms bis zu 16.000 alten StG 77 neue Laufgriffe, Hülsenauswürfe, Tragegurte und Picatinny-Schienen sowie weitere Updates. Die Übergabe der ersten modernisierten Sturmgewehre fand im Februar 2023 statt. „In Kombination mit seinen bewährten Eigenschaften verfügt das Bundesheer damit wieder über eines der besten Sturmgewehre der Welt”, so Unterganschnigg.

Die Tradition des AUG beim Heer geht damit also in die Verlängerung und die Tradition des Unternehmens war es, die Unterganschnigg Mitte der Nullerjahre ins Ramingtal brachte und die Steyr damals wohl vor dem Untergang bewahrt hat. Im Jahr 2007 wäre unsere Geschichte nämlich beinahe frühzeitig zu Ende gegangen: Da war bei der Waffenschmiede vom einstigen Glanz nicht mehr viel übrig. Der Maschinenpark überaltert und ausgedünnt, die Auftragslage überschaubar, der Mitarbeiterstand nur mehr zweistellig und der Umsatz bei gerade einmal sieben Millionen Euro. Steyr Mannlicher hing ganz kräftig in den Seilen. Das Unternehmen stand zum Verkauf. Bloß: Wer sollte sich die Übernahme antun? Auf der Liste potenzieller Interessenten herrschte gähnende Leere. Fast, denn immerhin fand sich der Name von Gerhard Unterganschnigg darauf. Gemeinsam mit einem Geschäftspartner ergriff er – der ehemalige Investmentbanker und Betriebssanierer, der bis dahin mit der Produktion von Waffen gar nichts am Hut hatte – die Chance und stieg ein. „Für mich war das eine Herzensangelegenheit”, sagt Unterganschnigg beim Besuch von Militär Aktuell.

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Das mag eigenartig klingen, wenn der Eigentümer eines Waffenherstellers eine derartige Formulierung verwendet. In einem Interview mit dem Standard präzisierte Unterganschnigg 2019 seine Beweggründe: „Steyr Mannlicher ist die Ikone unter den Jagdwaffen. Als das Unternehmen zum Verkauf stand, war das für mich als Jäger in etwa so, wie wenn Sie als Ferrari-Fan plötzlich die Möglichkeit bekommen würden, Ferrari zu kaufen.”

Unterganschnigg schlägt zu – und macht das, was er am besten kann: Er saniert. Schritt für Schritt modernisiert er den Maschinenpark, er stärkt den Vertrieb, holt Mitarbeiter ins Unternehmen, forciert Forschung und Entwicklung, um mehr Produkte ins Angebot zu bekommen, die nicht nur für ihren traditionellen Namen bekannt sind, sondern auch für Qualität und Zuverlässigkeit. „Das ist unser Markenversprechen. Wir werden nie über den Preis verkaufen – immer nur über die Qualität.”

„Wir werden nie über den Preis verkaufen – immer nur über die Qualität.“

Steyr Arms-Eigentümer Gerhard Unterganschnigg

Heute liegt der Mitarbeiterstand bei „deutlich mehr als 200”, die Erlöse kletterten auf rund 50 Millionen Euro jährlich – und theoretisch wäre sogar noch mehr drinnen, wie Unterganschnigg berichtet. „Die restriktiven Exportbestimmungen machen uns aber leider des Öfteren einen Strich durch die Rechnung. Manches Mal ist es gut nachvollziehbar, wenn Exportlizenzen verweigert werden”, sagt Unterganschnigg, „in vielen Fällen ist das aber auch nicht der Fall, die Begründung dann oft fadenscheinig.” Steyr forciert als Reaktion darauf schon seit Jahren seinen US-Standort, Konsequenz der Internationalisierung ist 2019 auch die Umbenennung von Steyr Mannlicher in Steyr Arms.

@Sebastian Freiler
Steyr Arms reüssiert heute auch dank seiner hochqualifizierten Mitarbeiter am Weltmarkt, wie Firmenchef Gerhard Unterganschnigg nicht müde wird zu betonen. „Es hilft dir das beste Marketing nichts, wenn die Qualität der Produkte nicht stimmt – dafür sind die Mitarbeiter verantwortlich.”

Zurück zum Werndl-Holub’schen Hinterlader und zum Anfang unserer Geschichte: Das Gewehr verriegelte die 11-Millimeter-Zentralfeuerpatrone mittels einer drehbaren Walze. Es wurde in zwei verschiedenen Patronenlängen, als Infanteriegewehr, Karabiner und Extra-Corps-Gewehr erzeugt und war nach der Umänderung auf die stärkere Patrone M. 77 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Einsatz. Der Hinterlader war damit von 1867 bis 1918 insgesamt 51 Jahre eine feste Institution in der k.u.k.-Armee – das StG 77 bringt es beim Bundesheer allerdings auch bereits auf fast fünf Jahrzehnte. Mit der laufenden Modernisierung werden es zur Freude von Gerhard Unterganschnigg wohl noch einige mehr werden. Erst recht, da im Hintergrund längst auch schon weitere Modernisierungsschritte für die Bundesheer-Ikone geplant werden – aber das ist eine andere Geschichte.

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Quelle@Sebastian Freiler