Die Flüchtlingskrise hält den neuen Verteidigungsminster Hans Peter Doskozil ordentlich auf Trab. Um genügend Soldaten an die Grenze zu bekommen, steht eine Verlängerung des Grundwehrdienstes für einzelne Einrücktermine zur Diskussion, in Verhandlungen mit dem Finanzminister will Doskozil dem Heer einen größeren finanziellen Spielraum erkämpfen.
Herr Minister, Sie sind nun seit rund zwei Monaten im Amt. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Die Tätigkeit als Verteidigungsminister ist eine sehr herausfordernde Aufgabe, die ich gerne annehme. In der aktuellen politischen Situation – Stichwort Migration, es stellen sich aber auch andere Aufgabenfelder – gilt es, den Herausforderungen zu begegnen und hier nachhaltige, zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten.
Was hat Sie bislang am meisten überrascht?
Es hat für mich nach Übernahme des Amtes keine Überraschungen gegeben. Ich komme aus dem öffentlichen Dienst und war Landespolizeidirektor im Burgenland. Ich bin nach wie vor beeindruckt von der Professionalität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Heeres-Ressorts.
Nach wenigen Tagen im Amt haben Sie eine Aufnahmeoffensive bei der Truppe und mehr Übungen für den Kader angekündigt. Die Rede war von 1.000 brachliegenden Dienstposten, die mit jungen Zeitsoldaten besetzt werden sollen. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Unabhängig davon, wie die bevorstehenden Budgetgespräche verlaufen werden, ist es eine Tatsache, dass sogar etwa 2.000 Dienstposten zu besetzen sind. Daher wird eine Aufnahmeoffensive gestartet werden. Hierzu werden gerade die notwendigen Planungsarbeiten geleistet. Ziel ist es auch, vermehrt Frauen für das Österreichische Bundesheer zu interessieren. Dabei stehen auch die Auswahlkriterien auf dem Prüfstand. Natürlich soll es dadurch zu keinem Qualitätsverlust kommen, aber man muss die Kriterien mit jenen von anderen vergleichbaren Organisationen in Beziehung setzen und anpassen.
Wie schwer sind die zuvor genannten Maßnahmen vor dem Hintergrund der aktuellen Budgetsituation umzusetzen?
Wichtig ist es jetzt, klar zu definieren, wo die Aufgaben des Bundesheeres liegen und welchen Herausforderungen wir uns derzeit und künftig stellen müssen. Dann wird man diese Analyse als Grundlage verwenden müssen, um die dafür notwendigen finanziellen Mittel zu bekommen.
Sehen Sie dafür mittel- bis langfristig eine Chance? Rechnen Sie also mit einer Verbesserung der finanziellen Grundausstattung?
Hier kann und will ich den Budgetverhandlungen nicht vorgreifen. Jedenfalls werde ich mich als Verteidigungsminister massiv dafür einsetzen. Sicherheit muss uns etwas wert sein. Ich sehe in dieser Sache auch viele Verbündete, zum Beispiel bei den Landeshauptleuten. Tatsache ist, dass sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen etwa durch den Konflikt in der Ukraine, aber auch durch die Terroranschläge in Frankreich und die anhaltenden Flüchtlingsströme nach Europa geändert haben. Außerdem besteht ein Auftrag des Nationalrates zur Überarbeitung des Strukturpakets „ÖBH 2018”.
Nicht nur finanziell sind die Herausforderungen für das Bundesheer derzeit groß: Wie stellen sich aus Ihrer Sicht die Belastungen durch den aktuellen sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz für die Truppe dar?
Die Belastung für die Truppe ist enorm. Hier muss man einerseits immer die aktuelle Situation an den Grenzen, andererseits aber auch die Durchhaltefähigkeit des Österreichischen Bundesheeres im Blick haben. Wichtig ist, dass genügend Soldaten für den Assistenzeinsatz zur Verfügung stehen. Hier gibt es verschiedene Optionen, die bewertet werden müssen: vom Einsatz von Milizsoldaten bis zur Ultima Ratio: einer Verlängerung des Grundwehrdienstes für einzelne Einrückungstermine.
Trotz der knappen Budgetsituation und den Belastungen rund um die Flüchtlingskrise ist gerade bei der Miliz aktuell ein reger Zulauf spürbar. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Ich glaube, dass der Assistenzeinsatz als eine sinnvolle und somit auch attraktive Tätigkeit für die österreichische Bevölkerung gesehen wird. Viele Milizsoldaten wollen einen Beitrag für die Sicherheit des Landes leisten.
Wie attraktiv würden Sie unabhängig davon derzeit das Bundesheer einschätzen?
Ich halte das Österreichische Bundesheer grundsätzlich für attraktiv. Gerade in diesen Zeiten, wo es mehr denn je darum geht, für Sicherheit zu sorgen. Und das ist, davon bin ich fest überzeugt, eine sehr sinnstiftende Tätigkeit.
Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial und wollen Sie den Hebel ansetzen, um das Bundesheer noch attraktiver zu machen?
Rund 80 Prozent der bereits vorgeschlagenen Reformmaßnahmen im Bereich des Grundwehrdienstes sind bereits umgesetzt; auf diesem Weg müssen wir unbedingt weitergehen. Auch gilt es – wie zuvor schon erwähnt – das Bundesheer für Frauen noch attraktiver zu machen. Da soll auch eine Werbeoffensive helfen.
„Rund 80 Prozent der bereits vorgeschlagenen Reformmaßnahmen im Bereich des Grundwehrdienstes sind bereits umgesetzt.“
Ende des vergangenen Jahres hätte die geplante Zentralstellenreform präsentiert werden sollen. Die Präsentation wurde dann auf Jänner und mit dem Amtswechsel auf unbestimmte Zeit verschoben. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Die Anpassung der Bundesheer-Struktur und der Organisation der Zentralstelle an die Herausforderungen und Aufgabenstellungen der Zukunft ist auf Schiene. Am Mittwoch, den 9. März, ging die Ministerweisung dazu hinaus. Ziele dabei sind schnellere Entscheidungsabläufe, weniger Kommanden, eine Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der Truppe, eine Stärkung der Einsatzkräfte, eine Straffung der Ministerialbürokratie mit einer besseren Koordinierung sowie eine Dezentralisierung.
Kommen wir zur abschließenden Frage: Angenommen, Sie hätten drei Wünsche frei, was würden Sie sich für das Bundesheer wünschen?
(lacht) Zuallererst natürlich zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und passende Rahmenbedingungen. Zweitens eine nachhaltige, aufgabenorientierte Struktur und drittens ausreichend budgetäre Mittel zur Aufgabenerfüllung.