Im Rahmen seiner Beratungen über den Haushaltsentwurf 2024 befasste sich der Nationalrat am Donnerstag mit dem Budget für die militärischen Angelegenheiten, das mit einer Steigerung von 21 Prozent im kommenden Jahr die Vier-Milliarden-Grenze überschreiten soll.
Im Plenum erntete die Mittelaufstockung parteiübergreifende Zustimmung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner dankte allen Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit und betonte angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Lage die Notwendigkeit einer effektiven Landesverteidigung. Kritik übte die Opposition insbesondere an Tanners „Alleingang” beim Beitritt zu Sky-Shield und an der Bemessung des Verteidigungsbudgets unter Heranziehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2022. Geprägt war die Debatte außerdem von der Sorge über die angespannte Personalsituation beim Bundesheer.
Die geplanten Budgetsteigerungen um 697,1 Millionen Euro auf nunmehr 4,02 Milliarden Euro soll die Basis für eine deutliche Erhöhung der Investitionen um 474,9 Millionen Euro beziehungsweise 66,7 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahr schaffen. Deren Anteil an den Gesamtauszahlungen für die Landesverteidigung steigt somit deutlich um rund acht Prozentpunkte auf 29,6 Prozent und soll künftig 1,2 Milliarden Euro ausmachen. Auch der Sachaufwand wird um 8,8 Prozent angehoben und soll damit rund 29 Prozent des Militärbudgets ausmachen, was sich vor allem bei Munition (plus 30 Millionen Euro), Bekleidung und Ausrüstung (plus 19,4 Millionen Euro), Werkleistungen (plus 23,1 Millionen Euro) sowie Energie (plus 16,2 Millionen Euro) niederschlage, wie der Budgetdienst in seiner Untergliederungsanalyse informiert.
Die größten Positionen unter den Investitionen sollen die Kraftfahrzeuge darstellen mit 110,3 Millionen Euro, gepanzerte Fahrzeuge mit 306,2 Millionen Euro, Waffensysteme mit 249,1 Millionen Euro und Luftzeuggerät mit 195 Millionen Euro. Unter letztere Position fallen auch 121,1 Millionen Euro für den leichten Mehrzweckhubschrauber AW169 von Leonardo sowie 35 Millionen Euro für die Nachfolge des Lufttransportsystems C-130 Hercules. Für die Europäische Friedensfazilität ist ein Betrag in der Höhe von 25 Millionen Euro vorgesehen. Die Auszahlungen für die Landesverteidigung sollen 2024 unter Einbeziehung der Pensionsauszahlungen für Heeresangehörige 0,95 Prozent des prognostizierten BIP 2024 betragen. Unter Heranziehung des zuletzt festgestellten BIP 2022 für sämtliche Jahre (Berechnungsweise im Landesverteidigungsbericht) soll sich der Anteil auf 1,07 Prozent des BIP für 2024 erhöhen.
Im Plenum stellte Verteidigungsministerin Tanner die Budgetsteigerung für die Landesverteidigung in den Kontext der aktuellen geopolitischen Verwerfungen insbesondere mit dem Ukraine-Krieg und in Israel. Diese hätten auch in Europa die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen in Frieden und Freiheit leben, ins Wanken gebracht und die Notwendigkeit einer effektiven Verteidigungsfähigkeit wieder in Bewusstsein gerückt. Vor diesem Hintergrund dankte Tanner allen Fraktionen für ihre Zustimmung, die auch im kommenden Jahr wieder eine Erhöhung des Militärbudgets ermögliche. Gerade in einer von Krisen geprägten Zeit dürfe in der Sicherheitspolitik nicht die Parteipolitik walten. Tanner lieferte einen Abriss bereits gesetzter und geplanter Maßnahmen zur Stärkung der militärischen Wehrfähigkeit und betonte auch die Bedeutung der geistigen Landesverteidigung, um den „Wehrwillen” der gesamten Bevölkerung zu steigern.
Der Verteidigungssprecher der ÖVP, Friedrich Ofenauer, zeigte sich ebenfalls über die Mittelaufstockung erfreut und betonte, dass die Zeiten des „Abwirtschaftens” der Landesverteidigung vorbei seien. Österreich müsse eine „wehrhafte Demokratie” sein, wozu auch die Verfassung verpflichte. Ofenauer gab eine Übersicht über die verschiedensten Bereich, in die investiert werde, wobei die Teilnahme am europäischen Luftabwehrsystem Sky-Shield eine wesentliche Rolle beim Schutz vor Raketen und Drohnen einnehme. Johann Höfinger (ÖVP) drückte ebenfalls seine Zufriedenheit darüber aus, dass die Landesverteidigung wieder jenen Stellenwert gewinne, der ihr zustehe. Er stimmte Tanner zu, das auch die geistige Landesverteidigung größere Aufmerksamkeit verdiene, da Umfragen zeigten, dass das Wehrbewusstsein in der Bevölkerung noch nicht ausreichend ausgeprägt sei. Als eindeutiges Bekenntnis, um einen hohen Grad an Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten, wertete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) die Budget-Untergliederung. Sie legte den Fokus ihres Redebeitrags auf das effiziente Ernährungsmanagement beim Heer. Auch die ÖVP-Abgeordneten Peter Weidinger, Manfred Hofinger und Corinna Scharzenberger lobten verschiedene Aspekte des in ihren Augen „modernen Bundesheers”, etwa die umfassende „Cyberdefense” für Sicherheit im Cyberraum, die Aufrüstung in den Bereichen Mobilität und Infrastruktur oder den Schutz vor Luftbedrohungen durch Sky-Shield.
Grünen-Abgeordneter David Stögmüller erklärte, dass die Anpassung des Bundesheeres auf eine veränderte Sicherheitslage nicht „von einem Tag auf den anderen” gelingen könne, führte jedoch zahlreiche Investitionen an, die aus seiner Sicht zu einer Verbesserung der Wehrfähigkeit führten. Er betonte, dass alle Beschaffungen nach den im Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LVFinG) festgeschriebenen Transparenzregeln erfolgen würden, die unter anderem eine Kommission zur Prüfung der Prozesse enthielten. „Nicht glücklich” zeigte sich Stögmüller über die seiner Ansicht nach zu geringen Mittelaufstockungen für den Sanitäter- und den Cyber-Bereich. Er sei aber zuversichtlich, „diese auch noch hinzubekommen”.
Seitens der SPÖ bezeichnete Wehrsprecher Robert Laimer den militärischen Aufwuchs angesichts der weltpolitischen Lage als eine „Notwendigkeit”. Kritik übte er an Tanners „Alleingang” bei der Absichtserklärung, Sky-Shield beizutreten. Diese sei ohne sorgfältige Prüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Neutralität und ohne Einbindung des Parlaments erfolgt. Zudem sei die Beschaffung von Langstreckenraketen im Aufbauplan des Bundesheeres nicht vorgesehen, so Laimer. Die Bundesregierung strebe für die für Sky-Shield notwendigen Mittel nun ein Vorbelastungsgesetz an, wofür es jedoch von den Sozialdemokraten „keinen Blankoscheck” geben werde. Weiters bemängelte Laimer die laut ihm noch nicht durchgesetzte Autarkie der Kasernen und die „aus dem Ruder gelaufene” Zentralstellenreform. Positives Feedback kam von Mario Lindner (SPÖ), der die Investitionen in die Beschaffung von 36 Leonardo-Hubschraubern als „echten Erfolg” bezeichnete. Auch Klaus Köchl (SPÖ) fand lobende Worte für das Heeresbudget und hob die Kasernen-Großinvestition in Villach hinsichtlich der Sicherung der Arbeitsplätze hervor.
Grundsätzlich sei das Militärbudget für 2024 zu begrüßen, schickte FPÖ-Wehrsprecher Volker Reifenberger voraus. Er müsse die „Euphorie” der Koalition jedoch einbremsen, da es nicht einmal ein Prozent des prognostizierten BIP von 2024 erreiche, obwohl Pensionen bereits miteingerechnet würden. Die NATO gebe ihren Mitgliedsstaaten einen Zielwert von zwei Prozent vor und ein neutraler Staat wie Österreich, der sich nicht auf ein Militärbündnis stützen könne, müsse dementsprechend noch mehr investieren. Reifenberger bot der Koalition zudem die Stimmen seiner Fraktion an, um das LVFinG in den Verfassungsrang zu heben, damit es auch wechselnde Regierungen „überlebe”. Sein Fraktionskollege Hubert Fuchs stieß sich ebenfalls an der „statischen” Heranziehung des BIP von 2022 zur Bemessung des Militärbudgets sowie an der Einberechnung der Mittel für die Europäische Friedensfazilität. Diese dienten der Landesverteidigung der Ukraine und nicht jener Österreichs. Axel Kassegger (FPÖ) wertete das geplante Militärbudget als „mehr als ein Tropfen auf heißem Stein”, aber trotzdem „deutlich zu wenig” für die militärische Landesverteidigung eines neutralen Landes. Es mangelt ihm zufolge sowohl an materiellen als auch personellen Komponenten. So sei etwa die Anzahl der Panzer seiner Meinung nach nicht ausreichend, zog er einen Vergleich mit dem Nachbarland Schweiz. Alois Kainz (FPÖ) sah Handlungsbedarf bei der zielgerichteten Aufgabenverteilung und der Autarkie der Kasernen.
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Verteidigungssprecher der NEOS, wies darauf hin, dass die Budgeterhöhung nicht einer Partei oder Regierung zuzuschreiben sei, sondern einem Schulterschluss aller Fraktionen angesichts der global veränderten Sicherheitslage. Der verstärkte Fokus auf Investitionen sei angesichts des über Jahre aufgebauten Rückstaus zu begrüßen. Allerdings brauche es auch ausreichend Personal, um die angeschafften Rüstungsgüter auch zu bedienen, wie Hoyos-Trauttmansdorff ausführte. Sei dieses nicht vorhanden, drohe ein „Supergau”, da zwar viel Geld ausgegeben werde, jedoch ohne Österreich sicherer zu machen.
So wie Hoyos-Trauttmansdorf identifizierten sämtliche Fraktionen – insbesondere die Opposition – die Personalfrage als zentrale Schwachstelle beim Wiederaufbau der Fähigkeiten des Bundesheeres. Generell sei das Personal beim Heer in einer „Schieflage” meinte etwa Klaus Köchl (SPÖ). Die Stellenpläne sollten in Angriff genommen werden, damit dem Militär nicht der Nachwuchs ausgehe. Seine Fraktionskollegin Petra Wimmer sah ein Kernproblem in der mangelnden Besoldung. Sie stellte die Frage in den Raum, warum etwa ein Handwerker beim Bundesheer bleiben solle, wenn er in der Privatwirtschaft weit mehr verdienen könne. Dagegen könnten die besten PR-Maßnahmen nichts ausrichten, so Wimmer. Sie plädierte an Verteidigungsministerin Tanner gemeinsam mit dem für den öffentlichen Dienst zuständigen Vizekanzler Werner Kogler, eine Besoldungsreform umzusetzen. Laut Mario Lindner (SPÖ) leidet die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres im In- und Ausland bereits unter der angespannten Personalsituation. Als „drastisch” bezeichnete er die Lage beim medizinischen Personal. Hier reiche es nicht, Geld auf das Problem „zu schmeißen”, sondern es müssten strukturelle Reformen zur Attraktivierung des Bundesheeres umgesetzt werden.
Trotz des grundsätzlich „vernünftigen” Heeresbudgets sah auch Gerhard Kaniak (FPÖ) das Heeressanitätswesen vernachlässigt. Es gelte, die Gehaltsschemata anzupassen und gezielte Rekrutierungsmaßnahmen in diesem Bereich zu setzen. Generell stelle die Personalfrage das größte Problem für das Bundesheer dar, erklärte Volker Reifenberger (FPÖ) unter Verweis sowohl auf die Berufs- als auch die Milizsoldaten. Er sah eine Ursache darin, dass Offiziere zwar als Akademiker ausgebildet würden, jedoch im Gegensatz zu anderen Ressorts nicht dementsprechend entlohnt würden. Auch Reifenberger plädierte an Tanner, diese „Ungerechtigkeit” gemeinsam mit Vizekanzler Kogler zu beseitigen. Zudem brachte er im Zuge der Debatte einen Entschließungsantrag ein, in dem Maßnahmen gefordert werden, um das Bundesheer als Arbeitgeber wieder attraktiv und am Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Außerdem müsse man den „erheblichen” Austritten im Unteroffizierscorps entgegenwirken und für ein besser funktionierendes Milizsystem sorgen, ergänzte Axel Kassegger (FPÖ). Mit einem weiteren Entschließungsantrag sprach er sich für Änderungen im Wehrgesetz aus, um Milizübungen vollumfänglich in den Grundwehrdienst zu integrieren.
Seitens der ÖVP warb Maria Smodics-Neumann angesichts der Personalsituation für den Dienst beim Militär und ebenso für ein „Abrüsten der Worte” im Hohen Haus. Romana Deckenbacher (ÖVP) brachte die am Vortag beschlossenen Gehaltserhöhungen für den öffentlichen Dienst ein, die einen Beitrag zur Verbesserung der Personalsituation leisten könnten. Es brauche jedoch weitere Schritte zur Personalgewinnung und -bindung. Deckenbacher verwies auf Projekte wie „Bataillon X” oder „24 Stunden MilAk”, die Interessenten einen Einblick in den Soldatenberuf gewähren würden. Mit dem „Girls‘ Day” würden gezielt Frauen für eine Karriere beim Bundesheer sensibilisiert, so Deckenbacher.
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