Anders als die britischen Hersteller Humber und Daimler, deren Panzerwagen Weltruf genießen, wird die Firma Crossley kaum mit Panzerfahrzeugen assoziiert – zu Unrecht, wie dieser Bericht zeigt.
Das 1867 von den Gebrüdern Francis und William Crossley als Maschinenfabrik gegründete Unternehmen wurde 1906 als Crossley Motors Ltd. ins Firmenregister eingetragen. Im Laufe eines Jahrhunderts wurden rund 100.000 Motoren produziert, 19.000 Pkw der gehobenen Klasse (bis 1938) und von 1926 bis 1958 auch noch 5.500 Busse, darunter befanden sich auch viele der berühmten roten Londoner Doppeldeckerbusse. Es gab aber auch eine Produktionslinie für Lkw, im Bereich der militärischen Nachschubfahrzeuge spielten Lastkraftwagen von Crossley eine große Rolle.
Die Produktion von Militärfahrzeugen hatte Crossley im August 1914 in großem Stile aufgenommen. Schon im Jahre 1913 hatte Crossley 53 Fahrzeuge an das Royal Flying Corps geliefert. Bis zum Zeitpunkt des Waffenstillstands 1918 konnte Crossley mehr als 6.000 Fahrzeuge an die britischen Streitkräfte ausliefern.
Ende der 1920er-Jahre entstanden bei Crossley zwei Prototypen eines 6×4-Panzerspähwagens, der D2E1 und der D2E2. Auf der Basis des D2E2 wurden drei Fahrzeuge für die Royal Air Force gebaut, die sie im Protektorat Aden einsetzte (der Panzeraufbau war von den Royal Ordnance Factories). Fünf ähnliche (nun Crossley Mk I) genannte Fahrzeuge liefen für das britische Heer vom Band. Gegenüber der fünfköpfigen Besatzung des D2E2 hatte der Mk I nur vier Mann Besatzung. Die beladen knapp fünf Tonnen schweren Fahrzeuge waren mit zwei wassergekühlten Vickers-MG im Kaliber .303 bewaffnet. Der Turm war identisch mit dem bei leichten Vickers-Panzern verwendeten und auf die Hinterräder konnten Ketten aufgezogen werden. Die Fahrzeuge wurden in Ägypten auf ihre Wüsteneignung getestet. Der Test fiel nicht sehr überzeugend aus. Trotz einiger sehr fortschrittlicher Merkmale (schußsicherer Reifen von Dunlop) war das sehr topplastige Fahrzeug für schweres Gelände nicht geeignet.
Die 11th Hussars, die als einzige Einheit den Crossley Mk I verwendete, ließen ihn zumeist in den Depots stehen. Die Crossley wurden als den alten Rolls-Royce Armoured Cars unterlegen betrachtet. Bei Anfang des Krieges liefen die Mk I als Ausbildungsfahrzeuge, ein Fahrzeug ist erhalten und steht im Bovington Tank Museum.
Ein sehr ähnliches Fahrzeug wurde als rein exportorientierte Entwicklung gefertigt und in sehr geringer Stückzahl in den 1930er-Jahren an den Irak verkauft. 14 Stück liefen bei der Unabhängigen mechanisierten Brigade der irakischen Armee, zwölf davon nahmen an der misslungenen Belagerung des RAF-Stützpunktes Habbaniyah 1941 teil.
Der Arsenal Crossley war ein in Estland aus Crossley-Motoren und in Schweden gefertigten Panzeraufbauten endmontierter Panzerwagen (die offizielle Bezeichnung lautete M.27/28), der in kleiner Stückzahl – es gab nur 13 Fahrzeuge – von 1924 bis zum Einmarsch der Sowjets in der estnischen Armee lief. Er erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h, war nur dünn gepanzert, wog 5,5 Tonnen und hatte eine Besatzung von vier Mann. Die Bewaffnung bestand aus einem Madsen-MG (bei sieben Fahrzeugen) oder einer 37-Millimeter-Puteaux-Kanone (bei sechs Fahrzeugen) im Drehturm. Die Fahrzeuge mit Kanonen gehörten zur Heimwehr („Keitseliit”), die anderen zur regulären Armee. Die Geländegängigkeit der Panzerwagen war sehr eingeschränkt, da sie keinen Allradantrieb hatten. Die Fahrzeuge fielen bei der Besetzung Estlands der Roten Armee in die Hände.
Der bekannteste Crossley-Panzerwagen war aber der Crossley Armoured Car, India Pattern.
Zum Verständnis muss man einen Blick auf die Geschichte der Panzerwagenverbände der britischen Armee werfen.
Die Panzerwagen der britischen Armee gehörten im Ersten Weltkrieg hauptsächlich zum Machine Gun Corps, das Tank Corps hatte nur einen einzigen Verband mit Panzerwagen, das 17th Armoured Car Battalion. Nach Kriegsende wurden innerhalb der Panzertruppe die Armoured Car Companies (ACC) aufgestellt und 1922 die Panzerwagen-Einheiten des Maschinengewehrkorps aufgelöst und in die Panzertruppe überführt.
Schon 1915 verwendete die britische Armee in Indien Panzerwagen. Sie erwiesen sich als so erfolgreich, dass die indische Regierung eine Reihe von Rolls-Royce-Panzerwagen beschaffte. Wie schon der Name vermuten lässt, war dieses Modell nicht gerade preiswert und man fand einen Ersatz bei der Firma Crossley in Manchester, die einen robusten (und bezahlbaren) Wagen produzierte. Hauptaufgabe war die Sicherung der Grenze zu Afghanistan im unzugänglichen und notorisch gesetzlosen North-West-Frontier-Territory. Die Mehrzahl der insgesamt zwölf aufgestellten Armoured Car Companies diente in der Zwischenkriegszeit in Indien. Der Crossley Armoured Car, India Pattern war speziell auf die Bedürfnisse in Indien eingerichtet. Ein Prototyp hatte bei den Erprobungsreihen überzeugt und war ausgedehnteren Tests ausgesetzt worden. Dabei wurde er mit vier Tonnen Zuladung 4.000 Meilen kreuz und quer durch Großbritannien gefahren, ohne Pannen. Crossley erhielt eine erste Bestellung über 32 Panzerwagen.
Der Panzeraufbau war von Vickers und wies einige spezifische Details auf. Charakteristisch ist der kuppelförmige Turm mit vier Maschinengewehrkugelblenden. Es wurde keine pneumatische Bereifung verwendet, sondern solide Räder (die tief in weichen Untergründen einsanken). Der Innenraum war mit Asbest verkleidet, um thermische Aufheizung abzumildern. Man konnte den ganzen Aufbau unter Strom setzen, um ein Daraufklettern zu verhindern. Sehr pfiffig waren die Türen angeordnet: auf der linken Fahrzeugseite öffneten sie nach hinten, auf der rechten nach vorne, dergestalt, dass die Besatzung jederzeit unter gewissem Panzerschutz ausbooten konnte. Die Bewaffnung bestand normalerweise aus zwei Vickers-MG. Das Gewicht des Wagens betrug rund 7,5 Tonnen.
Rund 100 Fahrzeuge wurden für die Streitkräfte in Indien beschafft, zwei wurden an die Südafrikanische Union geliefert und nahmen an einer abenteuerlichen Expedition gegen aufrührerische Stammesführer im Ovamboland teil. Kanada erhielt einige Fahrzeuge, die britische Armee eine ganze Reihe.
Ein Exportmodell wurde in geringer Stückzahl nach Argentinien geliefert (sechs Fahrzeuge, 1927 bis 1945 im Einsatz) und in etwas größerer Zahl nach Japan (zwölf), wo man das Fahrzeug Dowa nannte. Die japanische Marineinfanterie setzte den Crossley u.a. bei der Besetzung Shanghais 1937 ein, die japanische Armee nutzte diesen Fahrzeugtyp unter anderem in der Mandschurei. Die Gesamtzahl der produzierten Fahrzeuge liegt bei 451 (Fertigungsende war im Jahre 1925).
Von 1930 bis 1936 wurden alle ACCs in Indien auf leichte Panzer des Typs Vickers Mark IIB (India Pattern) umgerüstet. Aus den Armoured Car Companies wurden Light Tank Companies.
1939 übergaben die in Indien stationierten Verbände des Royal Tank Corps (nunmehr Royal Armoured Corps) alle ihre Crossleys an die indische Armee. Die Fahrzeuge waren inzwischen obsolet. 32 wurden noch 1939 durch Aufsetzen des Panzeraufbaus auf Chevrolet-Fahrgestelle wieder frontverwendungsfähig gemacht (und erhielten pneumatische Bereifung). Rund 20 gelangten 1941 gegen die Vichy-französischen Streitkräfte in Syrien zum Einsatz. 1942 wurden sie an Persien übergeben.
Ein Fahrzeug existiert noch, es steht im Bovington Tank Museum, England. Sehr ähnlich war der Vickers Guy Armoured Car, India Pattern, ein 6×4 Fahrzeug, das dem Crossley sehr ähnelte, was den Panzeraufbau betraf. Die Fahrzeuge dieses Typs bewährten sich überhaupt nicht (sie waren für den vorgesehenen Einsatzzweck zu schwer) und wurden zu Artillerietraktoren umgebaut.
Ende der 1930er-Jahre erhielt Crossley Aufträge zur Fertigung verschiedener Militärlastwagen, hauptsächlich für die Royal Air Force. Bei Kriegsausbruch erhielt Crossley Aufträge zur Fertigung seiner Four-Wheel-Drive Modelle (oder FWD): 506 Transporter und 228 Bergefahrzeuge. Nach Dünkirchen kam ein Auftrag über weitere 700 (nun für die Army) dazu. Auf der Basis des FWD entstand noch eine Zugmaschine. Zwischen 1939 und 1945 verließen 7406 Lastwagen und 2836 Zugmaschinen die Fertigungsanlagen von Crossley: Die größte Zahl in der ganzen Firmengeschichte.
Die hochspezialisierten britischen Panzerwagen der Zwischenkriegszeit blieben ein Randphänomen. Die Fahrzeuge von Crossley, Lanchester, Vickers Guy etc. waren viel zu aufwändig und teuer, dabei manchmal unzuverlässig und wartungsintensiv. Damit konnte man nur sehr schwer in die Massenproduktion, die nötig war, um die während des Zweiten Weltkriegs stark vergrößerte Aufklärtruppe auszustatten. Dafür standen dann aber die robusten und zuverlässigen Fahrzeuge von Daimler und Humber zur Verfügung.