In zwei offiziellen Videos vom 2. und 3. August (siehe weiter unten) zeigt die deutsche Luftwaffe, wie das Taktische Luftwaffengeschwader 74 die Flugversuche und Tragetests mit der Langstrecken-Luft-Luft-Lenkwaffe Meteor am EF2000 und am Eurofighter Taifun beginnt. Es ist geplant, die Einsatzprüfung der neuen Hauptwaffe noch diesen Sommer abzuschließen.
Die ersten Tragversuche mit Meteor dienten vor allem dazu, das allgemeine Flugverhalten und bezglich des Luftwiderstands den Treibstoffverbrauch des Eurofighters mit dem Luft-Luft-Lenkflugkörper ausgiebig zu testen. Dafür haben die Piloten verschiedene Szenarien in der Luft durchgespielt und sind in unterschiedlichen Höhen und mit verschiedenen Geschwindigkeiten geflogen. „Nach dem etwa eineinhalbstündigen Erstflug hatten wir alle Daten, die wir brauchten, um die vorab errechneten Werte mit den tatsächlichen, erflogenen vergleichen zu können”, so Major Michael Kruse vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74 (TaktLwG 74).
Überprüfung der Herstellerangaben
Die Verantwortung für den nunmehrigen Einführungs- und Truppentest von Meteor hat das Waffensystemunterstützungsteam Kampflugzeuge der WTD aus dem benachbarten Manching. Dort hat man die Grundlagen für die Einsatzprüfung geschaffen. So braucht es vorab festgelegte Parameter anhand deren die Ergebnisse der Erprobung gemessen und bewertet werden können. Dabei arbeitet die Prüfstelle eng mit seinem Geschwader in Neuburg a. d. Donau zusammen. Bevor Meteor in die Luftwaffe eingeführt werden kann, muss sein Team zunächst folgende Dinge prüfen: Ob die Herstellerangaben beim Eurofighter hinsichtlich der neuen Softwarestände (P2Eb, der modernste bei der britischen RAF ist derzeit P3E) den tatsächlichen Werten entsprechen, immerhin erfordert die Integration ein mehrstündiges Softwareupdate, um die Änderungen in der Flugkontrollsoftware zu hinterlegen. Und in Folge, welche Auswirkungen Meteor auf das Flugverhalten und den Treibstoffverbrauch des Eurofighters hat. Kruse weiter: „Und genau solche Verbrauchswerte haben wir in Simulationen mit unserer Missionsplanungssoftware vorab berechnet und nun mit den Flugtests überprüft.” Der Meteor wird laut Defense News in alle deutschen Eurofighter Typhoon-Flugzeuge integriert, mit Ausnahme der ältesten Tranche-1-Modelle.
Der Luftwiderstand im Vergleich zur bisherigen Hauptwaffe AIM120C AMRAAM ändert sich aber kaum. Denn die Parameter von Meteor mit einer Länge von knapp 3,70 Metern und einem Gewicht von etwa 180 Kilogramm ähneln denen der AMRAAM. „Wir brauchen aber die genauen Verbrauchswerte, um unsere Reichweite und maximale Flugzeit mit diversen Waffenbeladungen exakt zu kalkulieren”, so Kruse. Zudem wurden am Flugzeug mechanische Komponenten ersetzt, um Meteor aufnehmen zu können. Die Aufnahmepunkte am Flugzeug wurden aber so umgebaut, dass diese künftig sowohl die AMRAAM als auch Meteor transportieren und abfeuern können. Mit Meteor wird der Waffenmix des Taifun komplettiert, AMRAAM und IRIS-T bleiben aber im Bestand. Somit verfügt laut Luftwaffe „zukünftig jeder Eurofighter – mit Ausnahme der Tranche-1 Maschinen – je nach Erfordernis über die optimale Bewaffnung. Damit sind Pilotinnen und Piloten im Einsatz effektiver, flexibler und variabler in ihren Handlungsmöglichkeiten. Denn je nach Notwendigkeit können sie nun auch durch eine Kombination der verschiedenen Bewaffnungen individuell auf unterschiedliche Szenarien reagieren.”
Hochagil bis zum Endanflug
Militär Aktuell hat vor einigen Jahren in Schweden ein Briefing über Meteor erhalten, die Flygvapnet war der „Pionier” damit (auf Gripen-C/D MS20), Rafále und nun Eurofighter folgten. Man spricht auch über eine gekürzte Version für die Waffenschächte des F-35. Eine oder die Besonderheit des System ist sein Staustrahlantrieb, der sogenannte „Ramjet”. Mit ihm kann der Lenkflugkörper mehr Treibstoff transportieren – ohne zusätzlichen Oxidator. Denn der Antrieb nutzt Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Der Ramjet schafft den großen Vorteil, dass Meteor auch im Endanflug noch genug Leistung bund Agilität hat, um ein manövrierendes Ziel effektiv zu bekämpfen. „Hier kommen wir in Bereiche, in denen die Luftwaffe von der Reichweite her bis dato noch nicht vorgedrungen war. Mit der aktiv-radargelenkten Meteor erhöht sich im Gefecht die Durchsetzungs- und Überlebensfähigkeit des Eurofighters erheblich. Für die Piloten resultiert das in mehr Erfolgswahrscheinlichkeit sowie mehr Sicherheit im Luftkampf”, erklärt Major Kruse.
Für Meteor am Eurofighter wurde schon 2013 in Paris industrieseitig unterzeichnet. Formell bestellte Deutschland Meteor am 16. Dezembeer 2019. Entwickler und Hersteller ist das europäische „Raketenhaus” MBDA, gegründet im Dezember 2001 als Joint Venture der Flugkörperabteilungen von EADS (nun Airbus), Finmeccanica (nun Leonardo) and BAE Systems. Hinter der „Europarakete” stehen die Länder Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich, dazu NATO-Partnerland Schweden.
Die Sache mit dem „Probable Kill” über die Sichtweite hinaus
Nun klingen bis zu 200 Kilometer Reichweite beziehungsweise weit über den Sicht-Horizont hinaus (BVR) wohl nach immens viel (wobei Russen und Chinesen gegen westliche Hochwerteziele wie AWACS an bis zu 400 Kilometer arbeiten), aber mit den von Herstellern in diversen Folien behaupteten erfolgswahrscheinlichen Schußweiten („Probable Kill-Ratio”) ist es so eine Sache. In Unterhaltungen mit – die Russen sagen sowieso reflexartig „Dogfight will always be in the end” – westlichen Einsatzpiloten in den vergangenen Jahren (Luftwaffe, USAF, AMI, …), wird jener „lange Arm” in der Theorie zwar kaum angezweifelt und sogar herbeigewünscht, aber was die Praxis oder Realität anbelangt, besteht hörbar Skepsis über die Szenarien oder Gelegenheiten, in denen uneingeschränkt gewirkt werden kann. Einerseits, weil beispielsweise die Situationsübersicht in diesem oder jenem Szenario (Überwachung-Flugverbotszone / anderer Flugverkehr, …) nicht vollständig oder zufriedenstellend so sein kann, dass man eindeutig das Attribut „hostile” bestimmen kann. Oder/und weil der Gegner durch Maßnahmen neuerer elektronischer Kriegsführung seine Präsenz oder Identität möglichst lange hintanzuhalten versucht. Aus diesen Bedenken lässt sich auch ableiten, dass jene ausgetauschten „Salven” von BVR-Lenkwaffen über mehr als 100 Meilen wohl eher im großen Konflikt zwischen ähnlich starken Kräften und Plattformen („near-peer”) erwartbar sind. Also über dem Südchinesischen Meer oder beim Durchbruch durch das „Suwalki-Loch”, oder wenn Schweden und Finnland gemeinsam Skandinavien über die halbe Ostsee verteidigen müssten.
Zwar freut Piloten die hohe Agilität der Meteor gerade gegen Ende der respektablen Reichweite wo beispielsweise AMRAAM schon lange keinen Antrieb mehr haben und nur mehr – übertrieben gesagt – „so dahängen”. Sie glauben auch gern jenes 30 G Lastvielfache in der gegenüber AMRAAM dreimal größeren sogenannten „Zone unmöglichen Entkommens” („no escape”). Aber in Summe eher nüchtern, geben Praktiker über diese langen und überlangen Reichweiten gegen Ziele die in Marschgeschwindigkeit manövrieren eine Vernichtungswahrscheinlichkeit von nur 13 Prozent, gegen solche mit Höchstgeschwindkeit manovrieren sogar nur vier Prozent. Und das auch nur, wenn sich das Ziel nicht wehrt und die Erfassung nicht oder zu spät erkennt (was ja eines der ‚Konstrukte‘ von BVR ist). Schützt oder wehrt sich der gegnerische Pilot oder dessen Waffen- beziehungsweise Sensorverbund jedoch mit elektronischen Gegen- und Täuschmaßnahmen, würde das die eigene Vernichtungswahrscheinlichkeit über den Horizont hinaus (also jene eher pessimistischen vier bis 13 Prozent) wohl sogar nochmals bis zu halbieren. Gegenüber einer trotz EloKa verbleibenden geschätzten 25 Prozent Wahrscheinlichkeit innerhalb des Sichtbereichs (Infrarotgelenkt / sogenannt WVR).
Die „Allwetter-Radarlenkwaffe”
All das bleibt österreichischen Einsatzpiloten übrigens verwehrt, sozusagen wie der Aufstieg in die „nächste Klasse” höherer – aber für sie irrelevanter – Mathematik (die sie natürlich trotzdem verstehen). Denn die Halbbuchten unter dem Rumpf der 15 heimischen Maschinen blieben seit Einführung dauerhaft leer. Zwar wollte – so die Erinnerung des Autors – der zurzeit der Beschaffung amtierende Airchief in den Auftrag wenigstens vier Stück AIM-120C AMRAAM inkludiert haben, nur um in jenem technischen „Club” dabei zu sein und dort erstmals „die Nase in BVR reinzustecken”. Im finalen Vertrag von 2003 war davon aber keine Rede mehr, anders hätte man die Preisvorstellungen von knapp unter zwei Milliarden Euro nicht erreichen können. Heute geht es – hinter sehr vorgehaltener Hand – auch hier bei uns bereits um Meteor, welche übrigens Militär Aktuell in Warton auf Nachfrage explizit an einem britischen (Werks)-Tranche-1 zusammen mit dem frühen AESA-Radar gezeigt wurde („It can be done, George”). Freilich wird im heimischen Sprachgebrauch der Begriff „Allwetter-Radarlenkwaffe” verwendet. Denn – so ein ehemaliger Airchief zum Autor – die Attribute „Langstrecke” oder „über den Horizont” würden in der Öffentlichkeit und versus Nachbarn vielleicht zu offensiv klingen. Ein Airchief außer Dienst meinte, dass man ein solches System hierzulande nur erreichen können, „wenn man auf den Unterschied zur Infrarot-IRIS-T (die aber auch nur über eine analoge Schnittstelle betrieben wird) in Relevanz zum oft herrschenden Schlechtwetter und im Winter hochreichenden Wolken hin” argumentiere. Schließlich hätten „hierzulange auch im Heer schon Viele vergessen, dass jene AWRLW ja eigentlich die mit dem Radar konzeptionelle Hauptbewaffnung des Eurofighters darstellt – die er bei uns aber nie erhielt.”