Auf der Konya Airbase in der Türkei fand kürzlich die bereits 49. Auflage der multinationalen Luftwaffenübungsserie „Anatolian Eagle” statt. Wir haben vor Ort mit Oberstleutnant Hakan Girgin, dem Kommandanten des lokalen Luftwaffen-Übungsgeländes der türkischen Luftwaffe über die Geschichte der „Anatolian Tiger”, die Übungs- und Trainingseinrichtungen im AETC-Center und erste Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg gesprochen.

@Georg MaderHerr Oberst, auf der Konya Airbase befinden sich eines von nur wenigen voll instrumentierten Luftwaffen-Übungsgeländen weltweit. Wer sind eure „Mitbewerber” und kommt ebenfalls als Gastgeber derart großer multinationaler Manöver in Frage?
Die anderen sind das bekannte „Red Flag” in Nellis bei Las Vegas, sowie „Maple Flag” in Kanada und die ACE-Einrichtung in Pakistan. Das heißt, das AETC-Center hier ist die einzige derartige Einrichtung innerhalb NATO-Europas inklusive einem eigenen „roten” Aggressor-Element.

Warum wurde die Anlage gegründet und wie ist sie in den vergangenen Jahren gewachsen?
Manche Luftwaffen können oder wollen ihre Jets nicht einfach nach Nevada oder Kanada verlegen, also hat unsere Führung nach unserer ersten Teilnahme an „Red Flag” im Jahr 1997 begonnen, etwas Ähnliches hier bei uns aufzubauen. Im Jahr 2000 starteten dann die Bauarbeiten und bereits 2001 fand die erste Auflage von „Anatolian Eagle” statt. Mittlerweile halten wir bereits bei 49 Auflagen, in deren Rahmen insgesamt 25.640 Missionen mit 40.650 Flugstunden geflogen wurden. Dabei hatten wir Teilnehmer aus 15 NATO-Luftwaffen sowie so unterschiedlichen Nationen wie Saudi-Arabien, Israel, Jordanien, Katar, Pakistan oder Aserbaidschan zu Gast. Parallel zu dieser Großübungsserie finden hier auch immer wieder bilaterale Übungen der türkischen Luftstreitkräfte (THK) mit je einem Gastland statt, insgesamt 35 seit 2001.

@Archiv
Die beiden Übungsräume erstrecken sich jeweils über zehntausende Quadratkilometer.

Auf welche Übungseinrichtungen kann dabei zurückgegriffen werden?
Es gibt ein sogenanntes „weißes Hauptquartier” für die Übungsleitung, dort werden die Regeln und Abläufe festgelegt und überwacht. Die teilnehmenden „blauen” Kräfte haben bis zu drei Hauptquartiere und unsere zumeist „roten” Kräfte haben eines. Diese befinden sich in modern ausgerüsteten Gebäuden, die während der Übung wechselseitig nicht betreten werden dürfen. Damit ist es uns auch möglich, sowohl West-, also auch Ostgerät problemlos in unsere Strukturen zu integrieren. Beginnend mit 2003 haben wir hier auch sukzessive Elemente von Electronic Warfare und bodengestützter Luftabwehr aufgebaut, in diesem Bereich wachsen wir nach wie vor weiter auf. Unsere beiden Übungsräume (siehe Karte oben) umfassen übrigens 215 mal 180 nautische Meilen (rund 400 mal 335 Kilometer) über der Zentraltürkei sowie 140 mal 75 nautische Meilen (260 mal 140 Kilometer) über dem Mittelmeer nördlich von Zypern.

„Red Air“: Wenn der Feind ausgelagert wird

Welche Leitsätze oder -ziele verfolgen Sie dabei?
Oberstes Ziel ist es, dass wir ein maximal realistisches operationelles Trainingsumfeld bieten wollen. Die Piloten sollen ihre erlernten Taktiken möglichst „unlimitiert” ausführen können, sich dabei aber auch mit anderen Ebenen austauschen können. Hier geht es um Missionselemente die man international mit den Termini Composite Air Operations, Time Sensitive Targeting, Dynamic Targeting, High-Value Airborne Asset Protection und Air-to-Surface Operations bezeichnet. Das soll Piloten wie auch Radarführungspersonal helfen, den Status ihrer Einsatzbereitschaft und Kompetenz hochzuhalten. Und schließlich geht es im – hier möglichst gut simulierten – Konflikt natürlich immer darum, „am Leben zu bleiben” und am nächsten Tag wieder einzusteigen. Und das ist gar nicht so leicht: Im Durchschnitt erfolgen acht bis zehn „Kills” bei jeder Mission innerhalb von rund 15 Minuten Kampf. Dabei sind anfangs meist die „Roten” erfolgreicher, allerdings holen die Gäste stetig auf.

@Georg Mader
Militär Aktuell-Autor Georg Mader mit Oberst Hakan Girgin.

Inwieweit fließen dabei aktuell auch bereits Erkenntnisse aus dem laufenden Ukraine-Krieg in die Übungen ein?
Bei uns wird das natürlich ebenso wie bei der NATO und bei anderen Streitkräften analysiert. Allerdings können wir nicht alle unsere Rückschlüsse 1:1 an Nicht-NATO-Teilnehmer weitergeben. Ganz generell üben wir hier immer in rein fiktionalen Szenarien, beispielsweise haben wir dieses Mal einen Krieg zwischen zwei Ländern angenommen, der sich aus dem Konflikt um eine Pipeline entwickelt und droht, sich auch auf weitere Parteien auszudehnen.

Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.

Quelle@Georg Mader, Archiv