Russland liefert Öl und Gas und nun sogar modernste Waffensysteme nach China, Peking wiederum forciert die Zusammenarbeit beim Megaprojekt Neue Seidenstraße und unterstützt Moskau beim Aufbau seiner Technologie-Infrastruktur. Was ist von dieser immer intensiver werdenden Zusammenarbeit zu halten? Beobachten wir gerade das Entstehen einer neuen strategischen Allianz? Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.
Schon 1996 beschlossen Moskau und Peking eine strategische Partnerschaft und 2001 unterzeichneten die beiden Länder einen neuen Freundschaftsvertrag. Die Absichtserklärungen blieben aber meist formal und gewinnen erst seit einigen Jahren zunehmend an Substanz – und das vor allem in den Bereichen Geopolitik, in den Handelsbeziehungen sowie der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
„Moskau und Peking eint ein gemeinsames ziel: den einfluss des westens zu reduzieren.“
Dabei eint Moskau und Peking ein gemeinsames, übergordnetes Ziel: den Einfluss – aus ihrer Sicht Dominanz – des Westens zu reduzieren. Russland und China sind strikte Verfechter von nationaler Souveränität, lehnen eine Einmischung in innere Angelegenheiten kategorisch ab und vertreten die Idee einer mulitpolaren Weltordnung mit unterschiedlichen Wertesystemen. Mit den Absichten der USA ist das nur schwer unter einen Hut zu bringen, weshalb der Einfluss Washingtons in Europa, in Zentralasien und im Westpazifik weiter zurückgedrängt werden soll. Und auch bei der Erschließung der Arktis wollen Moskau und Peking ein Gegengewicht zum Westen bilden.
Einen enormen Schub für die bilateralen Beziehungen bedeuteten vor allem die Annexion der Krim durch Russland 2014 und die folgenden Sanktionen des Westens. China vermied eine Verurteilung Moskaus und stieg dadurch im Kreml nolens volens über Nacht zum „Partner erster Wahl“ auf. In der Folge stieg das bilaterale Handelsvolumen Jahr für Jahr, zuletzt 2018 um 25 Prozent – erstmals konnte damit die Grenze von 100 Milliarden US-Dollar (rund 89 Milliarden Euro) überschritten werden. Die Zahlen für 2019 sind zwar noch nicht veröffentlicht, alles andere als ein weiterer deutlicher Antstieg wäre aber eine Überraschung. Russlands Exportschlager sind Öl und Gas. Im Gegenzug ersetzt China vielfach europäische Technologielieferanten, Huawei baut in Russland beispielsweise gerade das 5G-Netz auf. Vor allem aber gibt es Kredite und Darlehen für Moskau, Peking investiert zudem massiv in Flüssiggasprojekte in der Arktis. Russland wiederum will China beim Aufbau eines Frühwarnsystems zur Raketenabwehr unterstützen und liefert seit 2018 modernste Militärtechologie wie das S-400-Luftabwehrsystem oder den Kampfjet Su35 an die chinesische Volksarmee. Mittlerweile gibt es sogar gemeinsame Militärmanöver zu Land, zur See und in der Luft. Noch 2020 möchte man ein rechtliches Rahmenwerk für sämtliche Militärkooperationen verabschieden.
„Trotz allem bestehen Zweifel an der Tragfähigkeit der strategischen Partnerschaft.“
Sicherheitspolitisch gab und gibt es zwar von beiden Seiten Bedenken vor einer noch engeren Zusammenarbeit, doch die Krim-Krise hat auch hier für Entspannung gesorgt. Man kooperiert in regionalen Foren wie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, stimmt die Positionen gegenüber Nordkoreas Atomwaffenprogramm ab und arrangiert sich beim Seidenstraßenprojekt und in UN-Gremien. Trotz allem bestehen aber Zweifel an der Tragfähigkeit der strategischen Partnerschaft. Denn Russland ist de facto nur Juniorpartner, während Chinas Einfluss zunimmt. Mittel- und langfristig könnten auch die politische Konkurrenz in Zentralasien oder der wirtschaftliche Wettkampf auf dem Rüstungsmarkt für Spannungen sorgen. Chinesische Beobachter zweifeln außerdem an der Zuverlässigkeit Moskaus – in Krisen könnte es sich für Europa und den Westen entscheiden. Solange daher die Auseinandersetzung mit dem „gemeinsamen Feind USA” das politische Geschehen in Peking und Moskau bestimmt, werden China und Russland ihre Kooperation zwar ausbauen, aber keine dauerhafte Allianz bilden. Das würde ihren strategischen Freiraum zu sehr einschränken.