Kürzlich reiste Militär Aktuell in den Norden Norwegens, um drei spannende militärhistorische Themen zu recherchieren. Den Auftakt unserer Serie bildet ein Bericht über die größten noch existierenden Geschütze der Welt – die legendären „Adolfkanonen” aus dem Zweiten Weltkrieg.

Auf der Halbinsel Trondenes, nur drei Kilometer nördlich von Harstad auf der Insel Hinnøy – der größten der Lofoten – befindet sich ein beeindruckendes Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg: eine überschwere Küstenbatterie, errichtet von den deutschen Besatzern in den Jahren 1942/43.

Das monumentale Bauwerk beherbergt vier Schnellladegeschütze des Typs C34 mit einem Kaliber von 40,6 Zentimetern. Diese gelten als die größten landgestützten Kanonen der Welt, die bis heute erhalten geblieben sind.

Zum Vergleich: Zwar übertrafen die deutschen Eisenbahngeschütze Dora (auch bekannt als „Schwerer Gustav”) mit einem unglaublichen Kaliber von 80 Zentimetern sowie die Hauptartillerie der japanischen Schlachtschiffe „Musashi” und „Yamato” mit ihren neun 46-Zentimeter-Rohren diese Geschütze in ihrer Schlagkraft. Doch eine der Dora-Kanonen wurden kurz vor Kriegsende 1945 gesprengt und die andere 1960 eingeschmolzen, die beiden japanischen Super-Schlachtschiffe wurden von US-Marineflugzeugen versenkt. Die „Adolfkanonen” auf Hinnøy haben hingegen die Zeit überdauert.

Ursprünglich waren die gewaltigen 40,6-Zentimeter-Geschütze für die deutsche Kriegsmarine vorgesehen. Sie sollten auf sechs geplanten Schlachtschiffen der „H-Klasse” installiert werden, die im Rahmen des NS-Marineplans „Z” Ende der 1930er-Jahre geplant wurden. Diese Schlachtschiffe, mit einer beeindruckenden Verdrängung von je 56.000 Tonnen, waren für den Zeitraum bis 1948 geplant.

Skizze von Schlachtschiff der „H-Klasse” – ©Archiv
Ursprünglich plante die Kriegsmarine den Bau von sechs Schlachtschiffen der „H-Klasse” – fertiggestellt wurde schlussendlich kein einziges.

Das erste Schiff der Klasse wurde am 15. Juli 1939 bei Blohm & Voss in Hamburg auf Kiel gelegt. Doch bereits einen Monat nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das ambitionierte Programm zugunsten der U-Boot-Rüstung eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits acht der mächtigen Geschütze bei Krupp gefertigt worden, und während des Krieges entstanden drei weitere.

Von den insgesamt elf produzierten Geschützen wurden drei in der Batterie „Lindemann” bei Calais installiert. Diese Geschütze feuerten rund 5.500 Granaten auf Südengland ab, bis die Anlage 1944 von US-Truppen erobert und zerstört wurde. Die übrigen acht Geschütze wurden nach Nordnorwegen verlegt, wo sie die Zufahrt zum strategisch wichtigen Erzhafen Narvik sichern sollten – eine Schlüsselregion für die deutsche Rüstungsindustrie. Während des Transports über See ging jedoch eines der Geschütze verloren, sodass schließlich nur sieben der Kolosse in Norwegen ankamen. Von diesen wurden vier auf der Halbinsel Trondenes als Teil der heute bekannten Küstenbatterie installiert.

Die deutsche Führung – allen voran Adolf Hitler – war nahezu besessen von der Vorstellung, dass die Alliierten im besetzten Norwegen eine groß angelegte Landung unternehmen würden. Diese Furcht, obwohl unbegründet und niemals Teil alliierter Pläne, führte zu einem enormen militärischen und logistischen Aufwand in der Region. Selbst abgelegene Orte wie Harstad und zahlreiche Inseln sowie Fjorde wurden in den deutschen Verteidigungsplänen zu strategischen Knotenpunkten umfunktioniert.

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Die Errichtung der überschweren Küstenbatterien, darunter auch die „Adolfkanonen”, wurde von der Organisation Todt geleitet. Unter dem Kommando von Eugen Ruff und mit der Expertise deutscher Ingenieure und Techniker von Unternehmen wie Krupp, Zeiss, AEG, MWM und Siemens entstand hier ein monumentales Weltkriegsrelikt. Die Bauarbeiten, die teils bis in mehrere Stockwerke tiefe unterirdische Anlagen reichten, wurden allerdings – wie so viele NS-Bauprojekte – unter Einsatz einer großen Anzahl von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen durchgeführt.

In Trondenes waren rund 3.200 russische Kriegsgefangene in einem Lager untergebracht, das sich in der Nähe der historischen Kirche befand. Die Arbeitsbedingungen waren brutal, und etwa 800 Gefangene fanden während der Bauarbeiten den Tod. Nach Kriegsende wurde das Lager 1946 niedergebrannt, doch ein Denkmal mit einem roten Stern erinnert heute an die Opfer dieser unmenschlichen Behandlung.

Neben den vier gewaltigen Geschützen der Batterie MAA 5./511 auf Trondenes wurden drei weitere in der Batterie „Dietl” (MAA 4./516) auf Engeløya am Südende des Vestfjords installiert. Diese beiden Standorte sollten strategisch wichtige Zufahrtswege wie den Zugang zum Erzhafen Narvik sichern.

Die Vorbereitungen für die Errichtung der Batterien begannen im Herbst 1941, doch bevor die gigantischen Kanonen aus Deutschland an ihren Bestimmungsort transportiert werden konnten, mussten zunächst steinene Kaianlagen gebaut werden. Diese ermöglichten das Entladen der mit beschlagnahmten Eisenbahnfähren transportierten Geschütze. Gleichzeitig entstanden an den bisher völlig naturbelassenen Standorten umfangreiche Bunkeranlagen, die unter anderem Munitionsdepots, Elektrizitätswerke, Versorgungseinrichtungen und Unterkünfte für die Mannschaften umfassten. Jede Geschützstellung wurde von einer 68 Mann starken Bedienungsmannschaft betreut, von denen 20 allein im Turm arbeiteten.

Die einzelnen Geschützrohre, die jeweils rund 110 Tonnen wogen, wurden mit 12-achsigen Anhängern und sieben gekoppelten 18-Tonnen-Zugmaschinen zu ihren Positionen transportiert. Über Rampen wurden sie anschließend in die speziell dafür errichteten Betontürme eingebracht. Noch heute kann man hinter dem Turm „Barbara” auf Trondenes die Betonfundamente sehen, die für diesen Zweck genutzt wurden.

Von den vier Kanonen auf Trondenes ist der Turm „Barbara” bis heute erhalten und wird vom norwegischen Militär als funktionstüchtiges Museumsstück instand gehalten – theoretisch wäre er sogar noch einsatzbereit. Auch zwei der übrigen drei Türme kann man von dort aus sehen.

Die gewaltigen Geschütze, die sowohl in Trondenes als auch auf Engeløya installiert wurden, werden heute unter dem Spitznamen „Adolfkanonen” zusammengefasst – ein Name, den schon die deutschen Besatzer verwendeten.

©Militär Aktuell

Bereits im Mai 1943 – innerhalb nur eines Jahres nach Baubeginn – wurden die ersten Probeschüsse der „Adolfkanonen” durchgeführt. Diese Tests erreichten beeindruckende Distanzen von bis zu 56 Kilometern. Um eine präzise Steuerung der Geschütze zu gewährleisten, wurde die gesamte Umgebung bis hinaus auf die Lofoten mit 4-Meter-Entfernungsmessernund einer Vielzahl von Meldestellen ausgestattet. Alle Messpunkte und Positionen wurden exakt eingemessen, wodurch die Batterie schließlich für den militärischen Einsatz bereit war.

Zusätzlich war eine direkte Peilung und Entfernungsmessung von der Leitstelle möglich, die sich auf einer Anhöhe etwa 150 Meter über dem Geschützturm „Barbara” befand. Nach Abschluss der umfangreichen Tests und Installationen wurde die Batterie offiziell an die Wehrmacht übergeben.

Interessanterweise blieb die Geschichte der Batterie auch nach Kriegsende lebendig: Eugen Ruff, der nach der Bauphase zwei Jahre lang das Kommando über die Batterie „Theo” hatte, besuchte Trondenes 1990 erneut. Während dieses Besuchs übergab er Fotos aus seinem persönlichen Kriegsdienst-Album, die wertvolle Einblicke in den damaligen Betrieb und den Bauprozess der Batterie geben.

Kein einziger Schuss im Gefecht

Trotz des gigantischen Aufwands und der immensen Ressourcen, die in die Errichtung der deutschen Küstenverteidigung in Norwegen investiert wurden, blieb sie ohne tatsächlichen Gefechtseinsatz. Eine alliierte Landung in Norwegen – wie von der deutschen Führung befürchtet – fand nie statt.

Die Zahlen sprechen für sich: Insgesamt 280 Küstenbatterien, bemannt von 65.000 Soldaten, umfassten 1.100 Geschütze mit Kalibern ab 10,5 Zentimeter – darunter auch schwerere Varianten wie 15,5 Zentimeter, 21 Zentimeter, 38 Zentimeter und die monumentalen 40,6-Zentimeter-Kanonen. Doch keines dieser Geschütze versenkte ein Schiff, und ihr Einsatz beschränkte sich auf regelmäßige Übungsschüsse.

Die Vorstellung einer tausendjährigen „Festung Norwegen”, wie sie von der NS-Führung propagiert wurde, erwies sich als illusorisch. Schon am 8. Mai 1945, nur drei Jahre nach der Installation dieser kolossalen Verteidigungsanlagen aus Beton und Stahl, war die Ära des Größenwahns vorbei – ein abruptes Ende für Hitler’s vermeintlich unbezwingbare Bastion.

Während in den Tagen nach Kriegsende NS-Marine- und Oberfeldrichter weiterhin Kriegsgerichtsurteile fällten – teils gegen österreichischstämmige Soldaten – und es noch zu standrechtlichen Erschießungen wegen angeblicher Desertion oder Kameradenmord kam, begannen die befreiten Norweger damit, die ungeliebte Hinterlassenschaft der deutschen Besatzung zu dokumentieren und zu bewerten.

Übungsschuss der „Adolfkanone” – ©Archiv
Bei Übungsschüssen bewiesen die „Adolfkanonen” außergewöhnliche Präzision auf extrem große Distanzen.

In Harstad hatte die deutsche Besatzung vor der Kapitulation allerdings sämtliche Handbücher, Bedienungsanleitungen und Schießtabellen verbrannt. Da alle Beschriftungen auf Deutsch waren, war es für die Norweger zunächst unmöglich, die damalige „High-Tech”-Anlage mit ihren zahlreichen Elektromotoren und dem hydraulischen System für das Richten und Laden zu bedienen. Ein Teil der internierten deutschen Besatzung wurde daraufhin von den Briten und Norwegern eingesetzt, um deren Soldaten in die Bedienung der Geschütze einzuweisen. Mit Beginn des „Kalten Krieges” entschieden die Norweger schließlich, einige der Anlagen zum Küstenschutz weiter zu nutzen. Dies wurde erleichtert, da die Deutschen bei ihrem Abzug große Mengen an Munition in drei Varianten zurückgelassen hatten. So blieb auch die Batterie „Theo” in Betrieb. Im Gegensatz dazu wurde die südlich gelegene Batterie „Dietl” auf Engeløya 1956 verschrottet und das Material eingeschmolzen.

„Aus dem verschrotteten Stahl wurden alle Nägel und Klammern in unseren Dachstühlen der 1950er- und 60er-Jahre gefertigt”, erzählt Herr Herman, der heute Besucher durch die Batterie führt. Es dauerte bis 1951, bis die Norweger mit der Anlage erste scharfe Schüsse durchführten. Laut Herman waren sie beeindruckt von der Treffergenauigkeit der mechanischen Feuerleitanlage, selbst über große Distanzen.

Die Geschütze erreichten eine maximale Reichweite von 56 Kilometern, wobei das Projektil im höchsten Punkt (Apogäum) eine Höhe von 21 Kilometern erreichte und für diese Strecke etwa 130 Sekunden benötigte. Bei einem Probeschießen soll es gelungen sein, einen Fischkutter, der 32 Kilometer entfernt vor Anker lag, mit dem zweiten Schuss zu treffen – der erste Schuss landete nur 150 Meter daneben.

Bemerkenswert war auch die hohe Feuergeschwindigkeit: Bis zu einer Rohrerhöhung von 20° konnte die Batterie einen Schuss pro Minute abfeuern. Dank des Ladesystems war das Nachladen in jeder Position möglich; lediglich zum Laden musste das Rohr abgesenkt werden.

Europas Luftstreitkräfte rüsten massiv auf

Die Kanonen im Fort Trondenes spielten ab 1949, als Norwegen Gründungsmitglied der NATO wurde, eine wichtige Rolle in der norwegischen Verteidigung. Der letzte Schuss wurde 1957 abgefeuert, aber erst 1961, im Zeitalter der Flugkörper, wurden sie aus dem Einsatz genommen. Ein Grund dafür war der starke Rohrverschleiß – pro Schuss gingen etwa 0,6 Kilogramm Material verloren. Um den Verschleiß zu verringern, wurde oft mit einem kleineren Einstecklauf geschossen.”

Zustand heute und Besuchsmöglichkeit

Das Museum ‚Adolfkanonen” befindet sich auf dem norwegischen Militärgelände in der Kaserne Harstad der Kystjegerkommandoen. Der Zugang ist nicht frei, Besucher müssen sich beim Tourismusbüro Harstad anmelden und einen Termin vereinbaren. Am Parkplatz, etwa drei Kilometer von der Stadt entfernt, trifft man seinen Guide, der die Anmeldung übernimmt, die Gäste an der Wache registriert und zum etwa einen Kilometer entfernten Turm „Barbara” führt. Zuerst werden die mehrstöckigen Versorgungseinrichtungen unter dem Turm gezeigt, darunter Generatoren, Munitionsaufzüge, Dieseltanks, Unterkünfte sowie Leit- und Messgeräte. Danach geht es an die Oberfläche und rund um das Geschütz.

Militär Aktuell-Autor Georg Mader vor einer der „Adolfskanonen” – ©Georg Mader
Militär Aktuell-Autor Georg Mader vor einer der „Adolfskanonen”.

Beeindruckende technische Daten:

  • Kaliber: 40,6 Zentimeter
  • Reichweite: 42.800 Meter mit Sprenggranaten und 56.000 Meter mit sogenannten „Adolfgranaten”
  • Sprenggranate: 1.020-1.030 Kilogramm, 87 Kilomgramm TNT
  • Rückstoßkraft: 580 Tonnen bei 0° Elevation und 635 Tonnen bei 20° Elevation.
  • Gewichts des Rohres: 158.664 Kilogramm
  • Gewicht des Verschlussblocks: 3.650 Kilogramm
  • Rohrlange: 21,5 Meter
  • Rückstoßlänge: 105 Zentimeter
  • Schusstakt: 1 Granate pro Minute bei 20° Elevation
  • Bahnhöhe: 21.800 Meter (mit „Adolfgranate”)
  • Flugdauer: 2 Minuten und 10 Sekunden (mit „Adolfgranate”)
Quelle©Georg Mader, Archiv