Mit Drohnen und Panzerhaubitzen ist das Aufklärungs- und Artilleriebataillon 4 (AAB4) des Österreichischen Bundesheeres ein Verband voller Technik. Viele Möglichkeiten für Manöver bietet der benachbarte Truppenübungsplatz Allentsteig.
Es ist ein No-Go, dass die Panzerhaubitze lange auf der großen Wiese steht. Würde sie doch ein allzu verlockendes Ziel für den Gegner abgeben. Sobald das markante Steilfeuergeschütz die geforderten Schüsse abgegeben hat, verschwindet es blitzschnell in der nächsten Buschreihe. Dort verweilt die „109er” wie ein Raubtier in der Lauerstellung, um auf Befehl wieder in die Feuerstellung zu flitzen.
Wie das trotz 28 Tonnen „leichtfüßig” vonstattengeht, zeigen die Soldaten der 2. Panzerhaubitzbatterie während des Besuchs von Militär Aktuell in Allentsteig beim Aufklärungs- und Artilleriebataillon 4. Freilich ohne echtem Schuss. Der legendäre Truppenübungsplatz im Waldviertel zeigt sich von seiner schönsten Seite. Doch Zeit zum Genießen bleibt im Geschütz keine. Gefechtsbereit sind die Luken dicht und die Temperatur steigt im Inneren über die Wohlfühltemperatur. Dazu kommt: Die Granaten – eine wiegt 40 Kilo – hebt der Kanonier händisch zum Rohr. Bei bis zu 80 Stück pro Scharfschießen sind das gut drei Tonnen; was dem Gewicht von rund zwei Pkw entspricht.
Ansonsten erfolgt in der Panzerhaubitze M-109 A5Ö ob der großen Gewichte in dieser Waffengattung fast nichts händisch: Das Ziel kommt digital per Feuerleitgerät herein, ein anderer Kanonier richtet das Rohr per Joystick. Bis zu 30 Kilometer weit schießt die Haubitze und trifft dabei Flächenziele bis 50 mal 50 Meter. Ganz State of the art ist das aber nicht mehr, Stichwort „Kollateralschaden”.
Bataillonskommandant Oberstleutnant Wimmer: „Artilleriesysteme anderer Armeen schaffen mit Präzisionsmunition Punktziele bis 70 Kilometer Entfernung”. Der Clou dahinter ist eine sogenannte „endphasengesteuerte” Munition. Solche Granaten sind nach dem Abschuss aus dem Rohr nicht mehr strikt an die vorab berechnete Flugbahn gebunden, sondern können ihren Kurs noch ändern – etwa um auf bewegliche Ziele zu wirken. Dass die Navigation einer Artilleriegranate per GPS störungsanfällig ist, zeigen aktuelle Fälle im Ukraine-Krieg (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg). Alternativ geht es auch per Laser, aber dazu braucht es entweder eine Drohne, die das Ziel anvisiert, oder einen Menschen, der weit vorne liegt und diese Aufgabe übernimmt. Künftig soll das Bundesheer Präzisionsmunition bekommen und wie Generalleutnant Bruno Hofbauer im Interview mit Miilitär Aktuell bestätigt ist auch schon der Ersatz der rot-weiß-roten Haubitzen in Planung und soll zusätzlich auch noch Raketenartillerie beschafft werden.
Apropos Ukraine: Seit Ausbruch des Krieges sind auch die Bestrebungen im Bundesheer, die Artillerietruppe zu verkleinern, endgültig passé. „Der Krieg demonstriert die Wichtigkeit der Artillerie. Damit steigt auch wieder das Ansehen dieser Waffengattung”, schildert Wimmer, der seit Juli 2024 das AAB4 führt. Aufgrund des Standortvorteils der Liechtenstein-Kaserne, die direkt an den Truppenübungsplatz Allentsteig grenzt, war sein Verband von bisherigen Kürzungen verschont geblieben.
Noch im Dunkeln tappen die Artilleristen, was die Nachfolge der „109er” betrifft, die mit Ende der 2020er-Jahre schön langsam in den Ruhestand wechseln wird. Rad versus Kette lauten die zwei Optionen.
Fix hingegen sind die ersten Learnings aus dem Ukraine-Krieg für die Einsatzführung: „Das Feuer schnell hinbekommen, damit sich die Geschütze sofort wieder aus der Stellung bewegen können”, erklärt Wimmer. Durch Echtzeitaufklärung aus der Luft sind Feuerstellungen nämlich schnell ausgekundschaftet. Auf Ebene Bataillon und Brigade bedeutet mehr Mobilität bei der Artillerie, dieser größere Räume zuzuweisen. Feuerstellungen sollten idealerweise nur ein Mal benutzt werden. Dies bringt auch in Sachen Logistik neue Herausforderungen mit sich.
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Wie schnell Aufklärung aus der Luft erfolgt, erprobt der Verband gerade selbst. Schließlich existieren neben den zwei Panzerhaubitzbatterien im Verband noch zwei Aufklärungskompanien. Beide mit Sitz in Horn, in der Radetzky-Kaserne. Filetstück, was die Digitalisierung des Gefechtsfeldes angeht, ist die technische Aufklärungskompanie mit ihrem Drohnenzug. Neben einigen Fluggeräten Modell Tracker sind unlängst auch kleinere Drohnen für Ausbildungszwecke in den Händen der Aufklärer gelandet. „Bald bekommen wir auch Gefechtstechnik-Drohnen, die dann auch bei zahlreichen anderen Verbänden zum Einsatz kommen sollen”, schildert Wimmer (-> Militär Aktuell-Podcast rund um die Drohnenpläne des Bundesheeres). Auch eine Drohne mit Reichweiten bis zu 100 Kilometer, die ein großflächiges Lagebild direkt für die Brigade liefert, könnte bald Realität werden. Aufgabe des ersten „A” des AAB4 ist nämlich Informationsgewinnung für das übergeordnete Kommando, die 4. Panzergrenadierbrigade („Schwere Bridgade”).
Bisher endet die Digitalisierung auf dem Display des Drohnen-Operators. Es fehlt nämlich an Vernetzung zu anderen Systemen. Daten müssen von den Aufklärungselementen erst aufbereitet und dann „händisch” weitergegeben werden. Echtzeitaufklärung für die Brigade ist also noch nicht Realität.
Und wie sieht es „am Boden” aus? Bei der 1. Aufklärungskompanie in Horn herrscht emsiges Treiben. Denn die Soldaten dieser Kaderpräsenzeinheit bereiten sich während unseres Besuchs gerade auf ihren Auslandseinsatz im Kosovo vor. Ein Blick ins Aufklärungsfahrzeug Husar zeigt, wie mächtig die Kombination Mensch-Technik ist. Der Aufklärer bedient per Joystick die Waffenstation samt Wärmebildgerät und erkennt auch auf über einen Kilometer Entfernung noch Details.
Das ist auch das Credo von Bataillonskommandant Wimmer: „Der Mensch als Sensor wird immer eine Rolle spielen. Denn Spähaufklärung ist ausfallsicher gegenüber elektronischer Kampfführung und funktioniert auch bei Schlechtwetter, wo etwa das Radar an seine Grenzen stößt.” So gehört seit Jahresanfang auch der im Rahmen der Reaktionsmiliz neu aufgestellte Aufklärungszug zum AAB4. Gemeinsam mit zwei Jägerkompanien in Kärnten sowie in Niederösterreich stellen sie die Miliz mit hohem Bereitschaftsgrad dar, sie können binnen 72 Stunden nach Mobilmachung einrücken. Eine Handlungsreserve zum Schutz Österreichs.
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