Militärisches Fallschirmspringen ist Nervenkitzel pur. Trotzdem hat Stefan Tesch den Sprung ins Leere gewagt und für Militär Aktuell einen Rundkappen-Basiskurs bei der International Military Airborne Training School absolviert.

Der Körper zittert. Ich bin hoch konzentriert. Zeit für Angst bleibt nur wenig, doch das Herz pocht ungewöhnlich stark. Was kommt auf mich zu? Wie fühlt sich der Schritt ins Leere an? 24 Springer sitzen angespannt im russischen Mil Mi-8. Der Jumpaster gibt das Zeichen, die Sicherheitsgurte zu lösen. Der Blick aus dem hinten offenen Hubschrauber zeigt Felder, Wiesen und in der Ferne den Plattensee. Plötzlich brüllt der Jumpmaster Kommandos mit eindringlicher Stimme: „Stand up!” „Check static line!” „Check equipment!” „Sound off for equipment check!” Die Absetzhöhe von 600 Metern ist erreicht, die erste Gruppe steht dicht gedrängt in der Maschine und wartet auf den Moment des Absetzens. „Stand by!” Der erste Springer geht in Position. „Go!“ und er verschwindet hinter dem Hubschrauber im Nichts.

Gedanken schießen wirr durch den Kopf. Umdrehen? Unmöglich. Wer jetzt in der Reihe zum Absprung bereit steht, muss raus. Noch ein Springer vor mir. In zwei Sekunden wird es für mich ernst. Worauf hab ich mich hier eingelassen? Der Kopf sagt „nein”. Zu spät. Der Springer vor mir stürzt sich hinaus. Ein Schritt vor bis zur Kante. Unter mir zieht die beschauliche Landschaft vorbei. „Go!” Der Jumpmaster unterstützt sein Kommando mit einem Schlag auf meine Schulter. Augen zu, raus. Ich falle zwei Sekunden ungebremst ins Leere. Über mir der Downwash des Rotors, Zischen, Pfeifen und Knattern. Alle Muskeln sind jetzt aufs Äußerste gespannt.

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Kein zurück!! Wer jetzt im Hubschrauber sitzt, muss springen. Die Nerven liegen auch deshalb vor dem Sprung bei allen blank.

Ein kräftiger Ruck, der sich öffnende Fallschirm bremst den freien Fall abrupt ab. Ich hänge in den Gurten und blicke nach oben. Erleichterung – die Kappe bildet einen schönen Kreis und die 30 Leinen, mit denen ich an der Rundkappe hänge, sind nicht verwickelt. Jetzt wird es ruhig, denn der Klang des Hubschraubers verliert sich in der Ferne. Auf einmal formt sich der Mund unweigerlich zum Lächeln. Freude sprüht durch den Körper. Man könnte schreien, die Welt umarmen. Für das bleibt aber keine Zeit, denn jetzt geht es ans Steuern. Schnell den Schirm drehen, damit man den Wind im Gesicht hat. Nur so kann man verhindern, weit abgetrieben zu werden. Durch die Löcher in der Kappe gleitet der Schirm etwa fünf Meter pro Sekunde nach vorne. Hat der Wind ungefähr die gleiche Geschwindigkeit, segelt man fast senkrecht nach unten. Vertikal sinkt man mit vier bis fünf Metern pro Sekunde und hängt damit knapp anderthalb Minuten bis zur Landung am Schirm.

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Rund eineinhalb Minuten dauert der Sprung aus 600 Metern Höhe. Um die Landezone zu treffen, muss man den Fallschirm gegen den Wind drehen.

Jetzt gilt es, die Landezone, eine circa 400 mal 600 Meter große Wiese am Flughafen, zu treffen. Hört sich leichter an, als es beim ersten Mal tatsächlich ist. Rundkappen lassen sich wesentlich schlechter lenken als Flächenschirme. Man kann sich damit lediglich drehen und so mithilfe des Windes steuern. Windböen verdrehen den Schirm immer wieder und man muss ständig nachkorrigieren. Es sieht gut aus. Zäune, Gebäude und Bäume sind zumindest keine im Weg. Unter mir nur ebene, gemähte Wiese. Ich sehe wie Springer vor mir landen und wie andere noch oberhalb von mir in der Luft sind. Der Hubschrauber dreht seine zweite Runde und setzt den Rest der Gruppe ab. Die vielen Fallschirme am Himmel ergeben ein majestätisches Bild. Noch 30 Meter bis zum Boden. Konzentriert prüfe ich den Fleck Wiese, wo ich voraussichtlich landen werde. Nun heißt es, das zu tun, was man in der Ausbildung davor drillmäßig verinnerlicht hat: Beine fest zusammen und leicht abwinkeln. Noch zehn Meter. Wird die Landung hart? Werde ich überknöcheln? Meine schweren Stiefel berühren den Boden, sofort rolle ich über die linke Seite bis über die Schulter ab. Geschafft! Der erste Gedanke: Absolut verrückt! Ich möchte sofort wieder springen. Im Gegensatz zum weit verbreiteten Freifallspringen mit Flächenfallschirmen aus mehreren Tausend Metern, beträgt die Absetzhöhe beim militärischen Automatensprung mit Rundkappe nur wenige Hundert Meter.

Hier geht es nicht um einen möglichst langen freien Fall oder Kunststücke in der Luft, sondern um das rasche und sichere Absetzen aus Flugzeugen oder Hubschraubern. Jeder Schirm ist mittels einer Leine (Static Line) mit dem Luftfahrzeug verbunden, welche ihn nach dem Absprung aus dem Packsack (D-Bag) reißt und damit automatisch öffnet. Der Vorteil: Man kann es alleine und ohne Fallschirmsprungschein absolvieren, lediglich die Anwesenheit eines Jumpmasters ist notwendig. Bis zum Sprung sind es aber viele Stunden intensiver Ausbildung, schriftliche Prüfung und unzählige Wiederholungen. Solch einen Basiskurs mit drei Sprüngen bietet zum Beispiel die International Military Airborne Training School (IMATS, www.imats.eu) am ungarischen Flughafen Siófok-Kiliti, nahe dem Plattensee, an. Zu Beginn steht dort das korrekte Ausführen der sogenannten Landerolle am Programm. Der tschechische Jumpmaster Lukas, ein ehemaliger Fallschirmjäger, bildet die Teilnehmer mit streng militärischem Ton aus.

@IMATS
Maßarbeit: Die Rundkappe selbst zu packen erfordert viel Übung, höchste Konzentration (Sicherheit geht schließlich vor) und eine kräftige Portion Geduld.

Nur wer sich perfekt über die gesamte Körperseite abrollt und gleichzeitig die Beine geschlossen hält, besteht unter seinem prüfenden Blick. Dies ist essenziell, um sich später bei der „echten“ Landung nicht zu verletzen. Weiter geht es in den Hangar, wo der Hubschrauber parkt. Ein US-amerikanischer Jumpmaster, der den Kurs unterstützt, führt die Teilnehmer mit scharfen Kommandos an die Abläufe im Hubschrauber heran. Jeder hat seinen fixen Platz in der Absprungreihenfolge. Jedes Kommando, jeder Check, muss schreiend wiederholt werden. Nachdem jeder im Gurtzeug vom Hangardach hängend „probegesessen” ist und Lukas‘ Verständnisfragen beantwortet hat, geht es ans Packen der Schirme.

Keine leichte Aufgabe, die unzähligen Handgriffe richtig auszuführen, falsch gepackte Schirme können zu missglückten Sprüngen führen. Mehrere Zwischenschritte des Packens muss man vom Jumpmaster kontrollieren lassen. Wenn alles passt, darf man weitermachen. Zum Einsatz kommen die einander sehr ähnlichen US-Modelle MC1-1D sowie SF-10A. Fertig. Der Schirm ist gepackt und es geht in Zweierreihe rasch zum Hubschrauber, der schon bereitsteht. Die tief stehende Abendsonne verspricht einen atemberaubenden Sunset-Jump.

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Quelle@IMATS