Russlands Vorgehen im Ukraine-Konflikt sorgt in ganz Europa für erhöhte Spannung. So auch in Schweden, das als Reaktion auf die aktuellen Ereignisse seinen Verteidigungshaushalt aufgestockt hat. Investiert wird vor allem in neue U-Boote, wie Autor Georg Mader bei einem Besuch bei der schwedischen Marine in Karlskrona herausfand.
Wohin steuert Russland? Diese Frage treibt derzeit Staatschefs von Washington über Berlin bis London um. Eine klare Antwort kann aber weder da noch dort jemand geben – Wladimir Putin ist in den Augen westlicher Regierungschefs alles zuzutrauen. Und aus Kalkül oder Weltmachtsfantasien heraus unterstreicht der russische Präsident diese Einschätzung in regelmäßigen Abständen: Seine Truppen könnten in zwei Wochen in Kiew sein, so Putin Ende August. Mitte September verschärfte er in einem Gespräch mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko seine Drohung und kündigte an, in nur zwei Tagen nicht nur Kiew, sondern auch Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest einnehmen zu können. Kein Wunder also, dass sich die dortigen Regierungen zunehmend Gedanken um ihre Sicherheit machen und eine Aufstockung ihres Verteidigungshaushalts diskutieren.
Eine entsprechende Entscheidung bereits getroffen hat vor Monaten die schwedische Regierung mit einer Erhöhung des Wehrbudgets um jährlich 600 Millionen Euro (zuletzt lag der Etat laut SIPRI bei 5,03 Milliarden Euro). Daran konnte auch ein zwischenzeitlicher Wechsel zu einer rot-grünen Minderheitsregierung nichts ändern. Im Gegenteil, die Grünen billigten im Gegenzug für die Einführung „humanitärer Visa“ für Flüchtlinge die Anschaffung von 60 Gripen-Kampfjets und zwei neuen U-Booten, mit denen Stockholm auf die neue Sicherheitslage regieren will. Und die ist mittlerweile allenthalben spürbar: Etwa durch die seit Monaten erhöhte Aktivität der russischen Balten-Flotte in Kaliningrad und Kronstadt. Oder durch die gestiegene Zahl russischer Schiffe und Flugzeuge vor den Küsten Finnlands und Polens. Auch die NATO-Luftraumüberwachung in Siauliai (Litauen) und Ämeri (Estland) meldete zuletzt mehr russische Flugzeuge, die – und das kommt verschärfend hinzu – meist ohne Transponder unterwegs sind, und die finnische Luftwaffe bestätigte jüngst gleich mehrere russische Luftraumverletzungen.
Zu den aktuellen Sicherheitsbedenken trug auch ein Vorfall vom Karfreitag 2013 entscheidend bei, als russische Tu-22M-Bomber nachts vor der Küste Gotlands einen Marschflugkörperangriff auf Ziele um Stockholm übten. Als Reaktion darauf wurden mittlerweile Gripen-Jäger auf die östlich der Hauptstadt gelegene Insel verlegt, und auch sonst haben die schwedischen Streitkräfte viele neue Vorsichtsmaßnahmen und Vorkehrungen getroffen. Als verantwortlicher Taktik-Offizier weiß natürlich auch Kommendörkapten (Commander) Fredrik S. Lindén über all das Bescheid. Nur sagen darf oder möchte der Operations-Chef der 1. U-Boot-Flottille dazu nicht viel. Ein paar wesentliche Details konnten wir ihm bei einem Interview während unseres Besuchs bei der schwedischen Marine in Karlskrona dennoch entlocken.
Herr Lindén, welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation in der Ukraine auf Schwedens Verteidigungspolitik?
Wir nehmen nicht erst seit Beginn des Ukraine-Konflikts eine deutlich veränderte Situation in unserem littoralen Operationsgebiet (Anm.: Im Wesentlichen handelt es sich dabei um das Baltikum und die Ostsee) wahr. Als Folge davon gibt es nun wieder eine erfrischende mediale sowie politische Diskussion, um die zuletzt stets sinkenden Verteidigungsausgaben und um eine Wiederaktivierung der Wehrpflicht. Im Unterschied zu noch vor fünf Jahren ist nun auch wieder eine offene Diskussion über einen NATO-Beitritt möglich. Und natürlich haben wir die Situation in der Marine und bei den U-Booten auch bereits auf die veränderte Sicherheitslage adaptiert.
Inwiefern reagiert?
Unsere politische Führung legt sehr viel Wert auf das strategische Asset der U-Boote. Man hat daher auch – ohne als Soldat in industriepolitische Details zu gehen – alles unternommen, um unsere Werft (Anm.: KOCKUMS) heuer im April vom deutschen Eigner zurückzukaufen, damit Schweden wieder eigenständig modernste U-Boote bauen kann. Das hat aktuell oberste Priorität. Dabei sind vorerst zwei sogenannte A26 (Anm.: auch NGU genannt, Abkürzung für Nästa Generations Ubåt; nächste U-Boot-Generation) für uns geplant. Die werden aber erst nach 2020 in Dienst gestellt. Inzwischen werden unsere drei Gotland-Klasse-Boote aus den 1990er-Jahren modernisiert.
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