Es war der Paukenschlag auf der Pariser Rüstungsmesse Eurosatory: Die deutsche Panzerschmiede Rheinmetall präsentierte dort einen völlig neuen Kampfpanzer, den ersten des Westens seit Ende des Kalten Krieges. Der Name Panther dürfte manchernorts für Schnappatmung gesorgt haben (damit wurde der Name Panther vom Panzer V der deutschen Wehrmacht aufgegriffen), tatsächlich ist der KF51 aber als erste Antwort des Westens auf Russlands – immer noch nicht eingeführten – T-14 Armata zu verstehen. Das angedachte deutsch-französische Main Ground Combat System (MGCS) dürfte damit wohl deutlich angezählt sein.
Die – wiederholt totgesagte – Panzerkriegsführung steht seit 24. Februar sichtlich wieder weit oben auf der rüstungstechnischen Tagesordnung. Experten warnen in Interviews davor, dass es viel zu früh sei, den Kampfpanzer „abzuschreiben”. Sie verweisen auf den überraschend stümperhaft-isolierten Einsatz und den kläglichen Zustand der russischen Kettenfahrzeuge und argumentieren, dass ein hochintensiver Landkrieg immer noch die beste Kombination aus Schutz, Feuerkraft und Manövrierfähigkeit erfordere. Der KF51 soll demnach allen Ländern und Armeen, die seit der Zeitenwende des Beginns des Ukraine-Kriegs meinen, rasch neue Panzer zu brauchen, als moderne Alternative dienen, wie Rheinmetall argumentiert.
Komplett neuer Turm
Der neue Panther sieht aus, als hätte man einen neuen futuristisch-flachen und ausladenden Turm auf eine modfizierte Leopard 2-Wanne gesetzt. Optisch lehnt er sich an den Schützenpanzer Lynx an, wie der Panther eine reine Industrieentwicklung ohne Beteiligung der Bundeswehr-Bürokratie. Der Panther ist natürlich schwerer, größer und stärker bewaffnet als der Lynx – oder der daraus abgeleitete Japgdpanzer-120. Der neue Kampfpanzer wiegt laut ersten Infos aus Paris rund 60 Tonnen und bliebt damit um rund zehn Tonnen unter dem Gewicht des Leopard 2A7V. Mit demselben 1.475-PS-Dieselmotor sollte der Panther im Vergleich somit eine verbesserte Mobilität aufweisen. Es ist vielleicht ein wenig überraschend, dass sich die Designer nicht für eine modernere Antriebsanordnung entschieden haben, wie beispielsweise einen Hybridantrieb, aber die gewählte Lösung sollte schneller und einfacher zu entwickeln und zu produzieren sein. Aber das Wichtigste: Das Fahrzeug ist mit einer gewaltigen Glattrohr-Kampfwagenkanone Rh-130 L/51 im Kaliber 130 Millimeter anstatt der heute üblichen und populären 120 Millimeter Rh-120 L/55 ausgerüstet. Laut Rheinmetall CEO Armin Papperger, sei das 130-mm-Geschütz – auch wegen der deutlich längeren Granate – um mehr als 50 Prozent effektiver als jenes des „Leo-2” und werde eine viel größere Reichweite bieten. Es wird sowohl sabotierte Projektile mit kinetischer Energie als auch programmierbare explosive Munition abfeuern können.
Während der Vorgänger eine vierköpfige Besatzung hat, ist diese beim Panther auf drei reduziert (Kommandant, Schütze und Fahrer). Bei Bedarf kann ein zusätzliches viertes Besatzungsmitglied aufgenommen werden, beispielsweise ein zusätzlicher Spezialist oder Zugführer. Jedes Besatzungsmitglied hat dabei Zugriff auf Daten aller Sensoren, Waffen, Powerpacks und anderer Subsysteme, jeder soll bei Bedarf Aufgaben von anderen übernehmen können. Am Horizont bilden sich – dank KI – noch weniger bis sogar gar keine Besatzungen ab.
Mit weiteren Details zur Entwicklung – wie auch zum Preis – hält sich Rheinmetall vorerst noch zurück. Es ist aber ersichtlich, dass sich der Panther von den veralteten Konzepten der Panzer aus dem Kalten Krieg löst und Innovationen übernimmt, wie sie bei den leichteren Schützenpanzern bereits gängig sind und die auch schon der russische Armata nutzt. Dazu gehört aber – zumindest vorerst – kein vollautonomer Turm ohne Besatzung, der Panther wird – wegen des Granatengewichts – lediglich einen Auto-Loader besitzen. Zudem sind – ungewöhnlich, aber man will offenbar 130 mm-Munition sparen – ein 12,7-mm-Koaxial-ÜsMG und die optionale ferngesteuerte Waffenstation Natter mit 7,62 mm MG geplant.
Ebenfalls optional in einem ausklappbaren Starter sind vier bordeigene Loitering-Drohnen Hero-120 in einer „Hard-Kill-Version” (40 Kilometer Reichweite, 4,5 Kilogramm Sprengladung, Tagsicht- und Wärmebildkamera) der Firma UVision aus Tel Aviv. Auch zum Schutz der Besatzung – vulgo Panzerung – ist noch wenig bekannt, Rheinmetall hat lediglich versichert, dass die Besatzung besser geschützt sein wird als im Leopard 2 und von aktiven, reaktiven und passiven Schutztechnologien profitiert. Zur Abwehr von Bedrohungen wie Panzerabwehrwaffen und Selbstmorddrohnen werde das hauseigene aktive Schutzsystem StrikeShield eingesetzt.
Viel schneller als Europa
Wie eingangs bereits erwähnt, hat der Panther auch eine Kehrseite – und zwar für die viel zitierte gesamteuropäische Zusammenarbeit und die geplante Konsolidierung der kontinentalen Rüstungspolitik. Wie berichtet entwickeln Deutschland und Frankreich bereits seit dem Jahr 2012 mit Entwicklungskosten von rund 1,5 Milliarden Euro einen europäischen „Super-Kampfpanzer” der ebenfalls als Antwort auf Russlands T-14 Armata gedacht war. Ob es den dann noch braucht, wenn der Panther bereits zu Kunden rollt? Und ob es überhaupt eine Antwort auf den Armata braucht, der bislang noch gar nicht bei der Truppe angelangt ist und bei dessen Hersteller Uralwagonzawod nach dem sanktionsbedingten Ausfall westlicher Elektronik–Zulieferteile gerade die Bänder stillstehen?
Warum Rheinmetall diesen Schritt gemacht hat? Weil das Main Ground Combat System (MGCS) und sein European Main Battle Tank wie das Luft-Equivalent FACS unter Verzögerungen leidet – und unter Rivalitäten. Unter anderem scheint sich Rheinmetall von seinen Partnern im Joint Venture aus 2015 KNDS (KMW und Nexter) bei der Führung des MGCS-Projektes ausgebootet gesehen zu haben, der Panther ist auch darauf eine – durchaus unterminierende – Antwort.
Und eine viel raschere noch dazu. Denn beim MGCS sollen die Studien bis 2023 abgeschlossen sein, um mit der Arbeit an einem Systemdemonstrator zu beginnen und schließlich bis 2035 ein System einzusetzen. Bei in derartigen Kooperationen üblichen Verzögerungen ist auch 2040 realistisch. Somit ergibt sich eine lange Wartezeit, in der die am MGCS beteiligten Firmen keinen adäquaten Panzer und diverse Modernisierungspakete – analog zum KNDS-Technologiedemonstrator Enhanced MBT von 2018 – anbieten können. Agesichts der Bedrohung durch Russland und China schlange stehende Kunden können damit nur auf teure Upgrades von aus dem Kalten Krieg stammende Designs vertröstet werden, was manchernorts für große Unzufriedenheit sorgt.
In diese Lücke wird der Panther stoßen. Es ist anzunehmen, dass er um 2025 ausgeliefert werden kann. Berichte in deutschen Medien deuten darauf hin, dass mindestens ein Land in Osteuropa bereits in Paris Interesse an dem neuen Panzer bekundet hat. Ähnlich wie beim Lynx ist die Produktion übrigens nicht an bestehende Rheinmetall-Fabriken gebunden, sondern kann – wie in Ungarn für den Lynx – zwecks rascherer Lieferung im Kundenland aufgebaut werden. Aber natürlich hofft man bei Rheinmetall auch auf die „wiedererweckte” Bundeswehr als Kunden, vielleicht in der Hoffnung, dass Berlin für einen rein deutschen Panzer standort- und beschäftigungspolitisch letztlich empfänglicher sein könnte. Der deutsche Analyst Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wird dazu wie folgt zitiert: „Das MGCS hat an Zugkraft verloren. Und Olaf Scholz hat eine andere Perspektive auf die Rüstungsindustrie – Angela Merkel hat sich nie dafür interessiert. Er versteht die Wirtschaft und es gibt langjährige Verbindungen zwischen seiner SPD und der Industrie.”
Weiters ist anzunehmen, dass es beim KF-51 nicht beim Kampfpanzer bleibt, sondern weitere Modelle auf derselben Plattform präsentiert werden. Rheinmetall strebt laut eigenen Angaben immer nach Best-Practice-Lösungen bei seinen Exportmodellen. Das heißt, es wird versucht, eine maximale Leistung mit vertretbarem Aufwand zu erreichen. Dadurch dürfte der Panther leichter zu bauen und zu warten sein als Modelle, die unter der Ägide (trans)nationaler Rüstungsbürokratien entwickelt werden. Damit dürfte er zudem auch deutlich günstiger werden. Jedenfalls kompliziert er für das KNDS-Projekt MGCS die Lage gewaltig. Es ist kaum anzunehmen, dass Länder, die in den nächsten Jahren den Panther bestellen, schon kurz darauf wieder das System wechseln. Somit nimmt der Panther dem MGCS potenzielle Kunden weg und muss das Konsortium nun einen besseren Panzer liefern, um seinerseits dem Panther Konkurrenz machen zu können.
Exkurs zum „Traditionsnamen“
Bei der Namensgebung bleibt Rheinmetall in einer Tradition, die im heutigen Deutschland von diversen Kommentatoren (beispielsweise bei der Bild Zeitung) bereits negativ konnotiert wurde: Seit dem Zweiten Weltkrieg werden deutsche Kampfpanzer nach Raubkatzen benannt – und dieser Linie blieb man auch danach bei Leopard, Marder und Puma (im Zweiten Weltkrieg der Achtrad-Spähwagen Sd.Kfz.234) treu. Andererseits schreckte man beim Projekt einer Panzerhaubitze vor „Nicht-Katzen-Namen” aus der NS-Zeit – wie Hummel oder Nashorn – zurück, so kam es etwa zum Verlegenheitsnamen Panzerhaubitze 2000. Jedenfalls hat Panther einen gewissen „Klang”, wie beispielsweise auch die Lightning (P-38, F-35) bei Jagflugzeugen.
Mit dem Sd.Kfz.171 oder Panzer-V reagierte die deutsche Industrie auf die unangenehme Überraschung des sowjetischen T-34 von 1941 und dessen abgeschrägten Konturen. Der erste Einsatz im Kursker Frontbogen im Sommer 1943 war aber verfrüht, die Besatzungen hatten mehr mit technischen Problemen zu kämpfen als mit den Sowjets. Als diverse Kinderkrankheiten behoben waren, zeigte sich, dass der Panther von den Leistungen her dem T-34 überlegen war, wenn man von Benzinmotor und Getriebe absieht. Der Maybach-Motor hatte eine durchschnittliche realistische Lebensdauer von nur 1.000 bis 1.500 Kilometer Fahrtstrecke und das insgesamt zu schwach ausgelegte Getriebe hatte manchmal schon nach wenigen Hundert Kilometern schwere Defekte. Andererseits war das Fahrzeug mit einer langen 7,5 Zentimeter Kanone überragend bewaffnet, herausragend geländegängig und bei seinen Besatzungen beliebt.
Aber eines konnten die deutschen Konstrukteure nicht aufwiegen: Der T-34 war auf einfache Produktion hin konzipiert und konnte auch von nur angelernten Arbeitern in großen Stückzahlen hergestellt werden. Aber noch bis 1944 ließ sich das deutsche Heereswaffenamt als zentrale Koordinierungsstelle der deutschen Rüstung von der Vision technischer Spitzenleistung leiten und auch der Panther war ein im Betrieb „heikles” Meisterwerk der mechanischen Handwerkskunst – in diesem Fall von MAN-Nürnberg. So konnte er mit 6.000 Stück nie die letztlich kriegsentscheidenden Produktionszahlen des russischen T-34 oder des US-amerikanischen Sherman (50.000) erreichen.
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