Seit der Außerdienststellung seiner MiG-29-Kampfjets sind tschechische, polnische und deutsche Kampflugzeuge für die QRA-Bereitschaft über der Slowakei zuständig – nun rückt aber das Ende dieses Interregnums näher. Vor wenigen Tagen wurden im Rahmen einer Zeremonie im Lockheed Martin-Werk in Greenville SC jedenfalls die ersten beiden neuen F-16C/D Block 70 dem slowakischen Verteidigungsminister Robert Kaliňák übergeben. Allerdings: Auf der Luftwaffenbasis in Sliač scheint noch nicht alles bereit für eine Verlegung der Maschinen in die Slowakei zu sein.
Laut Kaliňák markiert die Übergabe „den Beginn einer neuen Ära in der europäischen Luftverteidigung”. Zudem sei damit die Partnerschaft zwischen den beiden verbündeten Nationen „vertieft worden. Die 14 Jets werden der Slowakischen Republik helfen, den Schutz ihres Luftraums wieder mit eigenen Kapazitäten zu gewährleisten und wieder Kapazitäten in die Luftverteidigung der Allianz einzubringen.”
Aktuell zählt Lockheed Martin 133 Bestellungen
OJ Sanchez, Leiter der Integrated Fighter Group bei Lockheed Martin, betonte die strategische Bedeutung dieses Meilensteins: „Die Slowakei steht an vorderster Front bei der Einführung von Europas modernstem Kampfflugzeug der 4. Generation, der F-16 Block 70. Diese Jets stellen nicht nur eine Verstärkung des Bündnisses zwischen der Slowakei, den USA und den NATO-Verbündeten dar, sondern statten die slowakische Luftwaffe auch mit fortschrittlichen Fähigkeiten aus, um den Sicherheitsherausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen.”
Sanchez weiter: „Die Slowakei reiht sich damit in die Riege der Nationen ein, die die F-16, ein Referenz-NATO-Kampfflugzeug, betreiben, und stärkt ihre Verteidigungsfähigkeiten und ihre Bereitschaft für globale Operationen. Mit elf weiteren slowakischen F-16, die sich in der Produktion und Erprobung befinden, sind wir bestrebt, insgesamt 14 hochmoderne Jets zu liefern und damit unsere Partnerschaft weiter zu festigen.” Der Lockheed-Manager erwähnte auch, dass sein Unternehmen aktuell einen Auftragsbestand von 133 F-16 Block 70/72-Jets habe, die in Greenville produziert werden, insgesamt sieben Maschinen der neuen Version sind demnach auch bereits an internationale Partner ausgeliefert worden. Dabei dürfte es sich – neben der Slowakei – um Bahrain und Taiwan handeln, auch Bulgarien plant die Beschaffung von F-16-Jets.
Die F-16 Block 70-Jets sind mit dem Northrop Grumman APG-83 AESA-Radar, fortschrittlicher Avionik, einer verlängerten strukturellen Lebensdauer von 12.000 Stunden und wichtigen Sicherheitsfunktionen wie dem automatischen Bodenkollisionsvermeidungssystem (Auto-GCAS) ausgestattet. Seit seiner Integration in die USAF Ende 2014, war das Auto-GCAS maßgeblich an der Rettung von 13 Piloten bei zwölf F-16-Vorfällen beteiligt, was die hohen Sicherheits- und Leistungsstandards des Flugzeugs verdeutlicht.
Bis zur Überstellung heißt es „bitte warten”
2018 hatte die slowakische Regierung die Bestellung des FMS-Pakets im Volumen von rund 1,6 Milliarden Euro getätigt. Die ersten beiden Maschinen aus dem Auftrag, ein einsitziges C-Modell (taktische Nummer 1001, Seriennummer 20-4001) und ein zweisitziges D-Modell (taktische Nummer 1101), sollen nun aber noch einige Monate in Greenville bleiben. Die Zeit der Ausbildung auf dem Morris ANGB-Stützpunkt in Arizona beim 162. Geschwader der Arizona ANG hat bereits 2019 begonnen und ist für das Personal der slowakischen Luftwaffe von entscheidender Bedeutung, um die reibungslose Integration und den effektiven Betrieb der F-16-Flotte zu gewährleisten. Bis Ende 2025 sollen die weiteren Jets fertiggestellt werden, die erste Gruppe soll Mitte 2024 in der Slowakei eintreffen. Das zweite D-Modell (Nummer 1102) flog bereits am 20. Februar.
Aber es lief auch nicht alles rund beim slowakischen Projekt. Der gesamte Prozess hatte sich beträchtlich hingezogen, zuerst vor allem aufgrund erheblicher Verzögerungen seitens des Herstellers. Dies war verursacht nicht nur durch Schwierigkeiten bei der Verlagerung der Montagelinie vom texanischen Fort Worth nach South Carolina, und der Ausbildung der notwendigen Anzahl neuer Mitarbeiter, sondern auch durch – teils mit Einschränkungen durch die Corona-Pandemie begründeten – Problemen bei der Lieferung von Komponenten von Subunternehmern unter anderem aus Israel.
Infrastrukturell hat sich die Slowakei schwer verschätzt
Nun spießt es sich auch auf Seiten des Abnehmers. Obwohl bis Ende 2025 alle Maschinen gebaut und übergeben werden sollen, dürften die Maschinen noch länger nicht in der Slowakei zu sehen sein – zumindest nicht auf die designierte Hauptbasis. Diese hätte eigentlich bereits Mitte 2024 für die neuen Kampfjets bereits sein soll, laut Informationen von Militär Aktuell aus der Slowakei ist das mittlerweile aber mehr als unrealistisch, scheint ein regulärer Betriebsbeginn möglicherweise sogar erst 2026 möglich zu sein. Man habe die verfahrenstechnischen und legislativen Schritte der Modernisierung ebenso unterschätzt wie den Aufwand und die Kosten der insgesamt 33 Planungs- und Bauvorbereitungsprojekte für die nötigen Betriebs-, Wartungs-, Ausbildungs- und Logistikinfrastruktur gemäß NATO- und US-Richtlinien sowie -Anforderungen auf dem Stützpunkt Sliač in der Mittelslowakei (südlich von Zvolen). Nun soll die Gesamtsanierung und -adaptierung – sehr ambitioniert – Ende 2025 fertig sein.
Dabei geht es um die Errichtung neuer gehärteter Flugzeug-Unterstände, eines QRA-Bereichs gemäß NATINAMDS, um den Ausbau bestehender Rollwege und den Bau neuer Rollwege, den Bau einer neuen zentralen Fläche für Transportflugzeuge mit großer Kapazität, um eine neue Anlage zum Entladen und Manipulieren von Munition, den Bau einer neuen Einfahrt vom Dorf Sielnica aus, den Bau einer Waschstraße für Flugzeuge, die Errichtung eines geschützten Logistiklagers oder eines Platzes für die Lagerung von giftigem Hydrazin (für den Notstart der F-16-Elektrik bei Triebwerksausfall).
Kuchyňa, Aviano oder Łask ?
Vor diesem Hintergrund werden nach den jüngsten Parlamentswahlen und der Rückkehr der SMER-Partei mit Verteidigungsminister Robert Kaliňák Überlegungen gewälzt, wonach „die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, den Standort der F-16-Flugzeuge vom Stützpunkt Sliač auf den Flugplatz Kuchyňa (nördlich Malacky, nahe der österreichischen March-Grenze) zu verlegen. Dorthin wurde wegen der Baurarbeiten in Sliač zuletzt auch die jährlich stattfindende slowakische Airshow SIAF verlegt. Denkbar wäre alternativ aber auch der vorübergehende Betrieb von einem Stützpunkt im Ausland aus, zur Diskussion stehen der italienische Stützpunkt Aviano oder die polnische Basis Łask (30 Kilometer südwestlich von Łódź). Eine Entscheidung dürfte wohl demnächst fallen.
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