Im Juli unterzeichnete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner eine Absichtserklärung für einen Beitritt Österreichs zu der von Deutschland initiierten European Sky Shield Initiative. Doch wie würde sich die Teilnahme mit der rot-weiß-roten Neutraltität vertragen? Ein Gastkommentar von Ex-Verteidigungsminister Werner Fasslabend, Präsident des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES).

Am 12. September erklärten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Bundesheer-Luftwaffenchef Gerfried Promberger, dass Österreich plant, gemeinsam mit Deutschland das Luftabwehrsystem Iris-T anzuschaffen und die Ausbildung im Rahmen der deutschen Bundeswehr vorzunehmen. Sowohl in der Politik wie auch in der Zivilgesellschaft wurde die kritische Frage aufgeworfen, inwieweit dies mit der österreichischen Neutralität vereinbar sei.

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Dieser Initiative sind insgesamt 19 Staaten beigetreten, darunter auch die neutrale Schweiz. Dies ist bereits ein erster Indikator für die grundsätzliche Neutralitätsverträglichkeit. In Österreich erfolgte schon anlässlich des Endes des Kalten Krieges eine Neuinterpretation der Neutralität zu einer „Kernneutralität”, die sich auf drei Wesensmerkmale beschränkt: keine Teilnahme an einem Schießkrieg, keine Mitgliedschaft in einer Militärallianz und keine permanente fremde Militärbasis auf österreichischem Territorium. Dazu kamen im Rahmen des EU-Beitritts wesentliche Veränderungen der Bundesverfassung. Diese ermöglichten eine umfangreiche und intensive Kooperation mit der NATO in Form einer aktiven Teilnahme an der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP) oder an NATO-geführten Einsätzen in Bosnien und im Kosovo.

Die bedeutendste rechtliche Änderung erfolgte 2010 bei der Transformation des sogenannten Lissabonner Vertrages in die Bundesverfassung, wodurch die Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU in vollem Umfang möglich wurde. Das Neutralitätsgesetz wurde durch den Art. 23j. B-VG für den Bereich GASP/GSVP derogiert. Österreich kann an Rüstungsprojekten und militärischen Einsätzen der EU im vollen Umfang teilnehmen. Österreichs Neutralität umfasst seither den Bereich außerhalb der EU, innerhalb der Union gilt das Prinzip der Solidarität gemäß Art. 5. EUV. Für das Österreichische Bundesheer bestehen bei Ankauf, Ausbildung, Betrieb und geplantem Einsatz des Systems Iris-T keine rechtlichen Einschränkungen.

„Österreich kann an Rüstungsprojekten und militärischen Einsätzen der EU im vollen Umfang teilnehmen.“

Im Gegenteil: Österreich wird dadurch erstmals in die Lage versetzt, seinen Luftraum in vollem Umfang zu schützen. Dies zählt übrigens zu den Ge­boten eines neutralen Staates, da ansonsten im Konfliktfall der gänzliche Verlust der Neutralität droht. Die Teilnahme Österreichs an Iris-T wurde daher bisher von keinem namhaften Verfassungs- und Völkerrechtsexperten in­frage gestellt. Sie stellt einen Quantensprung der österreichischen Landes­verteidigung dar, der die Sicherheit des Landes und seiner Bevölkerung wesentlich erhöht.

Quelle@Diehl Defence