Am 3. Juni fand im Logistikzentrum der Post in Wien-Inzersdorf die Übung „European Guardian 24” statt. In deren Rahmen trainierten sieben internationale militärische Expertenteams (unter anderem aus Österreich, Deutschland, Tschechien und Irland) das Entschärfen von Sprengkörpern per Hand. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner machte sich vor Ort persönlich ein Bild. Militär Aktuell war dabei.

Ob der rechtsextreme Briefbombenattentäter Franz Fuchs (mehrere Bomben von 1993 bis 1997), die islamistischen Terroranschläge von Istanbul (2003), London (2005), Mumbai (2008) oder auf dem Flughafen Brüssel 2016 – die Bedrohung durch selbstgebaute Bomben von Terroristen nimmt stetig zu. In den vergangenen Jahren konnten europäische Sicherheitsbehörden zudem mehrfach erst in letzter Sekunde Bomben von Attentätern ausfindig machen und entschärfen.  Nicht immer ist das mittels ferngesteuerten Robotern möglich. In einigen Fällen müssen sich menschlich Experten in den unmittelbaren Gefahrenbereich begeben, die sogenannten Handentschärfer.

Österreich hat auf diesem Gebiet eine besondere Expertise und bildet europaweit entsprechende Fachleute aus. In Kooperation mit der Österreichischen Post AG wurde im Logistikzentrum Inzersdorf nun das Aufspüren, Identifizieren und Entschärfen verschiedener Sprengkörper demonstrier. 30 bis 40 Handentschärfer aus sieben Nationen stellten dabei ihr Können unter Beweis. Der Name der Übung: „European Guardian 24”.

„Das Österreichische Bundesheer hat mit dem Handentschärfungszentrum ECMAN (European Centre for Manual Neutralization Capabilities) eine Fähigkeit zur Entschärfung von Spreng- und Brandvorrichtungen. Ziel ist, durch regelmäßige Übungen die Einsatzbereitschaft von Handentschärfern in Europa zu stärken”, heißt es aus dem Verteidigungsministerium dazu.

Österreich leitet ECMAN, weiters sind Belgien, Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Schweden, Schweiz und Tschechien Teil des Programms, das wiederum ein Teil der europäischen Verteidigungsagentur ist.

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Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ließ es sich nicht nehmen, der Übung beizuwohnen und sich Details ausführlich erklären zu lassen: „Das ECMAN-Programm ist für das Österreichische Bundesheer von entscheidender Bedeutung: Durch die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist es möglich, Fachwissen aus unterschiedlichen Nationen zu bündeln und einzusetzen, auch im Rahmen von Assistenzeinsätzen. Umso mehr freut es mich, dass das Programm unter österreichischer Leitung steht und das Bundesheer seine Expertise an internationale Handentschärfer weitergeben kann.”

Im Rahmen der Übung am Montag wurden realistische Szenarien in unterschiedlichen urbanen Umgebungen durchgespielt – von Industriekomplexen oder U-Bahnen bis hin zu kritischer Infrastruktur, zu der auch das Post-Logistikzentrum zählt. Auch Post-Vorstandsdirektor Peter Umundum unterstrich dabei die Notwendigkeit professioneller Entschärferteams und betonte die langjährige gute Zusammenarbeit mit dem Bundesheer auf vielen Ebenen.

Als Höhepunkt der Übung demonstrierte ein Team der tschechischen Streitkräfte die Entschärfung einer Paketbombe, die (fiktiv) neben „klassischem” Sprengstoff auch chemischen Kampfstoff enthielt. ECMAN-Kommandant, Oberst Jürgen Pirolt (-> Interview mit Militär Aktuell), kommentierte die Vorführung und wies dabei unter anderem darauf hin, wie wichtig für die Arbeit eines Handentschärfers eine ruhige Hand und Stressresistenz sind.

Realistisches Übungsszenario

Das tschechische Entschärferteam bestand aus zwei fachkundigen Soldaten. Die beiden Männer fixierten das verdächtige Paket zunächst auf einer Metallkiste, um in einer für sie möglichst „angenehmen” Körperhaltung arbeiten zu können. Danach untersuchten sie die Postsendung vorsichtig umfassend und unter Einsatz modernster Technik, darunter auch eine Endoskopkamera. Erst dann legten die Entschärfer ihre weitere Vorgehensweise fest. Nachdem sie wussten, wie das Innenleben aussah, schnitten sie das Päckchen mit einem Skalpell auf. Anders als in Hollywood-Acitionfilmen, standen ihnen dabei keine Schweißperlen auf der Stirn, denn Ruhe und Besonnenheit sind das Fundament, auf dem die Kompetenz der Handentschärfer fußt.

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Als letzten Arbeitsschritt der primären Entschärfung entfernten die tschechischen Fachleute den Sprengstoff sowie den Behälter mit dem chemischen Kampfstoff und lagerten beide Bestandteile des (fiktiven) Sprengsatzes an verschiedenen Orten. Im Realfall wären die Stoffe anschließend fachkundig entsorgt worden.

Die fachkundige Entschärfung von Bomben durch Handentschärfer dient in vielen Fällen auch der weiteren juristischen Verfolgung der Attentäter. Denn somit bleiben wertvolle Hinweise wie Konstruktionsmerkmale der Bombe und womöglich auch Fingerabdrücke sowie DNA-Spuren für die Ermittler von Exekutive und Justiz erhalten.

Ausgebildet wurden übrigens auch die tschechischen Entschärfer, die extra für die Übung nach Wien gereist waren, von ihren österreichischen Kameraden des Bundesheeres.

Quelle©Patrick Huber