In Österreich hat das Bundesheer das Konzept – damals in anderer Sicherheitslage als heute – im Oktober 1986 auch einmal getestet: Kampfflugzeuge abseits von Airbases von Schnellstraßen und Autobahnen aus zu betreiben. In Schweden wird der Ansatz nun aber regelmäßig geübt, das Land sieht sich als „NATO-Frontstaat”, wie Militär Aktuell bei einem Besuch im hohen Norden in Erfahrung bringen konnte.
Im Ernstfall würden auf den Basen nur noch Dummies verbleiben, so der schwedische Air Chief General Tommy Petersson im Gespräch mit Militär Aktuell, die Jets irgendwo im Lande entlang unterschiedlichster Straßenabschnitte stationiert. Schweden habe das Konzept demnach „schon seit Draken-Zeiten immer wieder geübt”, so Petersson, seit 2017 habe man die Bemühungen aber intensiviert und trainiere das nun bis zu vier Mal jährlich.
Warum all der Aufwand? Weil im Kriegsfall – Russland wird nach seinem Angriffskrieg auf die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) im Unterschied zu noch vor ein paar Jahren eindeutig als potenzieller Gegner benannt – die regulären Einsatzplätze von Marschflugkörpern, Drohnen oder ballistischen Kurzstreckenraketen (SRBM) bedroht wären, die Hangars, Start- und Landebahnen wohl rasch unbenutzbar wären. Bei der Realisierung der geplanten Ausweichplätze profitiert die Luftwaffe des Landes von der Konstruktion ihrer Saab Gripen-Kampfjets (bald laufen auch die E-Versionen zu), die Starts und Landungen auf einer Fläche von nur 800 x 17 Metern möglich machen.
Trainiert wurden beim Besuch von Militär Aktuell praktisch alle Abläufe, die für den Betrieb von Kampfjets auf Straßenabschnitten notwendig sind. Dabei kamen auch viele Wehrpflichtige (und auffallend viele Soldatinnen – seit 2017 werden in Schweden ja beide Geschlechter gemustert und eingezogen) in den Geschwadern zum Einsatz, sind sie es doch, die mit „ihrem” Kader-Unteroffizier im Ernstfall die Hauptlast der auf 15 Minuten getakteten Treibstoff- und Bewaffnungs-Turnarounds tragen würden. Dabei geht es beispielsweise um das Handling mit Werkzeugen, Bühnen und Kränen, aber auch um das Verhalten in der Peripherie und insbesondere um den schnellen „Stellungswechsel”, die Jets würden von rasch wechselnden Plätzen aus bedient und serviciert werden.
Auch bei Gripen-Hersteller Saab in Linköpping sieht man sich übrigens nun als „kritische Schlüsselindustrie hinter der Front”, mit entsprechend gegenüber früher deutlich gesteigerten (und für den Besucher mühsamen) Sicherheitsvorkehrungen.
Und auch im schwedischen TV ist die geänderte Sicherheitslage deutlich zu sehen: Auf dem staatlichen TV-Kanal-2 läuft die Sendung „Folk et Färsvarets” mit dem Untertitel „Krigsförbanden” live. Darin erklärt unter anderem der Armeechef der Bevölkerung die Lage in Osteuropa und welche Bedrohung davon für die kritische Infrastruktur und die Ballungszentren des „NATO-Frontstaats” ausgehen. Man stelle sich Vergleichbares in Österreich vor, wenn der Generalstabschef einen ganzen Nachmittag lang auf ORF2 den Zusehern die veränderte Sicherheitslage und die neuen, weit überregionalen Zusammenhänge erklären würde – (momentan noch?) undenkbar. Mit Blick auf das geplante Revival der Geistigen Landesverteidigung hierzulande, sollte man vielleicht auch in Österreich Ähnliches wie im schwedischen TV andenken.