Flottillenadmiral Axel Schulz ist Kommandeur der Einsatzflottille 2 und Commander Task Group 500.01 – Einsatzverband Indo-Pacific Deployment (IPD) mit der Fregatte „Baden-Württemberg” und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main”. Ein Gespräch über die Notwendigkeit von Übungen am anderen Ende der Welt, den akuten Personalbedarf der Bundeswehr und wichtige Learnings durch die Zusammenarbeit mit internationalen Marinen.
Herr Admiral, vor wenigen Tagen hat mit der RIMPAC eine der größten maritimen Übungen der Welt begonnen. Geübt wird dabei in Gewässern, in denen normalerweise eher keine deutschen Schiffe im Einsatz sein werden. Warum beteiligt sich die deutsche Marine (-> aktuelle Meldungen rund um die deutschen Streitkräfte) trotzdem an der Übung?
Ein fröhliches „Aloha”, wie man auf Hawaii in der Tat zu sagen pflegt. Wir befinden uns mit der Fregatte „Baden-Württemberg” und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main” gerade im Übungsgebiet der US Navy (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte) vor Hawaii und üben derzeit mit alliierten Nationen sowie internationalen Partnern und Freunden die mehrdimensionale Seekriegsführung in allen Facetten. Die US geführte Exercise „Rim of the Pacific” oder kurz RIMPAC findet alles zwei Jahre statt und wir haben das Privileg, auf unserer verteidigungspolitischen Weltumrundung, an dem weltweit größten Marinemanöver teilnehmen zu dürfen. Die deutsche Marine war schon häufiger hier zu Gast mit Spezialisten, wie Minentauchern oder Schifffahrtsleitung, aber eben noch nicht so prominent mit Schiffen, oder mit einem ganzen Verband, wie in diesem Jahr.
Es ist natürlich kein Zufall, dass diese Übung in das zweite Indopazifische Deployment der deutschen Marine eingebettet wurde. Die deutsche Bundesregierung hat sich 2020 mit den „Indopazifischen Leitlinien der Bundesregierung” einen Rahmen für die Kooperation mit unseren Partnern in der Region gegeben. Es geht darum Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass Deutschland auf der Seite seiner internationalen Partner und Freunde, insbesondere unserem größten und wichtigsten Verbündeten, den USA, für die Freiheit der Seewege und die Einhaltung des Völkerrechts in der Region eintritt. Und eben das können wir, hier in diesem internationalen Umfeld mitten im Pazifik, hervorragend unter Beweis stellen.
„Es geht darum Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass Deutschland auf der Seite seiner internationalen Partner und Freunde, insbesondere unserem größten und wichtigsten Verbündeten, den USA, für die Freiheit der Seewege und die Einhaltung des Völkerrechts in der Region eintritt.“
Was wird konkret geübt?
RIMPAC unterscheidet sich, außer in der Dimension, nicht wesentlich von anderen großen Marineübungen. Dank des riesigen Übungsgebiets, das nur wenig von ziviler- oder Sportschifffahrt befahren wird, finden wir hier absolut optimale Bedingungen vor, um mit 40 Schiffen, drei U-Booten und einer großen Zahl von Kampfflugzeugen und Hubschraubern zu operieren.
Nach einer intensiven Hafenphase, die den Teilnehmern zur Vorbereitung der Übung diente, stehen wir jetzt in See und üben die mehrdimensionale Seekriegsführung. Das Programm beinhaltet Schießübungen vom Flugkörper bis zur Artillerie, U-Boot Jagd (ASW), Fliegerabwehr (AAW), gemeinsame seemännische Übungen, aber auch das innere Gefecht, wie Brand- und Leckabwehr. In dieser „Force Integration Phase”, der sogenannten FIT-Phase, sollen die Verbände „zusammenwachsen”, die operative Kooperation im Verband üben und damit ihre Einsatzfähigkeit steigern. Diese Phase läuft anhand eines recht komplexen Zeitplans ab, in dem alle teilnehmenden Einheiten Berücksichtigung finden und koordiniert werden müssen. Danach gehen wir alle zusammen in ein taktisches Szenario, der sogenannten Freeplay-Phase und müssen unter Beweis stellen, dass wir in einem vielschichtigen operativen Szenario mit unserem Verband den Auftrag durchführen und uns letztlich erfolgreich durchsetzen können.
Welche Learnings erhoffen Sie sich gerade auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit fast 30 anderen Marinen weltweit?
Wir treffen mit den Teilnehmern aus der US Navy, Niederlande, Kanada und Frankreich auf alte Bekannte. Partner aus Indonesien oder Mexiko, Peru, Brunei und Chile sind für uns in der Zusammenarbeit relativ neu und sehr spannend. Aber dank des ohnehin sehr ausgeprägten „mutual Understanding” unter Marinesoldaten und den bewährten NATO Standards, die auch außerhalb des Bündnisses von befreundeten Marinen angewendet werden, hat man schnell eine professionelle Basis gefunden. Wir erleben hier gerade eine großartige internationale Marinefamilie. Das ist für alle Angehörigen meines Verbandes, auch außerhalb der operativen Erfahrungen, ein tolles Erlebnis der Verbundenheit – meine Männer und Frauen tauschen am laufenden Band Coins und Patches mit ihren internationalen Kameradinnen und Kameraden aus.
Die Bundeswehr kämpft wie fast alle anderen westlichen Armeen mit Personalknappheit und diese macht auch vor den Schiffsbesatzungen nicht halt. Inwiefern erschwert das einerseits den Einsatz der Schiffe, gerade aber auch die Teilnahme an einer Übung am anderen Ende der Welt, für die die beiden eingesetzten Schiffe monatelang unterwegs sind?
Mein Inspekteur, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, bringt es mit einer Formel auf den Punkt: „We are regionally routed, but globally committed”. Natürlich liegt unser Schwerpunkt mit den begrenzten Mitteln, über die wir verfügen, auf Nordeuropa. Und das gilt besonders, seitdem wir in Europa einen schrecklichen Krieg erleben müssen (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg). Unabhängig davon sind wir aber letztlich natürlich auch ein Instrument der Politik beziehungsweise Verteidigungsdiplomatie und wollen durch unsere Präsenz unseren Freunden in der Region unser Eintreten für „regelbasierte internationalen Ordnung” und die Freiheit der See- und Handelswege demonstrieren.
Wir vertiefen durch gemeinsame Übungen die Kooperation mit unseren Partnern und steigern gleichzeitig auch unsere eigene Einsatzfähigkeit. Vor allem aber zeigen wir, dass wir trotz der angespannten Lage in Europa, nicht unsere Freunde im Pazifik aus den Augen verlieren. Als deutsche Marine demonstrieren wir mit dem Indo-Pacific Deployment, dass wir ein verlässliches, weltweit einsetzbares politisches Instrument sind.
Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Beabsichtigt sich die Bundeswehr, und im speziellen die deutsche Marine, in Zukunft öfter und verstärkt an internationalen Übungen zu beteiligen?
Internationale Übungen sind tief in unserer DNA verwurzelt, auch im tiefsten Frieden und das bereits seit Jahrzehnten. Die deutsche Marine ist immer, insbesondere im Nordflankenraum fest im Bündnis eingebettet. Wenn es um den Präsenz im Indo-Pazifik geht, hat sich die Bundesregierung für eine Verstetigung der Initiative in allen Politikfeldern ausgesprochen. Der militärpolitische Auftakt war 2021 die sehr erfolgreiche Reise der Fregatte „Bayern” in die Region. Seitdem ist die Bundeswehr jährlich vertreten. Sozusagen ein „Allemannsmanöver” – das Heer, die Luftwaffe und auch das Kommando Cyber Informationsraum war schon in der Region präsent.
Das verstetigte Engagement in Indo-Pazifik zeigt sich dieses Jahr durch die erneute Entsendung dieses maritimen Einsatzverbandes, mit dem wir auch die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Bundeswehr darstellen. Die Reise der „Bayern” durfte ich schon als Kommandeur der Einsatzflottille 2 verfolgen. Ich war schon sehr bewegt von dem sehr freundlichen Empfang, der großen Wertschätzung und dem medialen Echo bei unseren Hafenaufenthalten, von denen die Besatzung der „Bayern” berichtete. Wir werden als ehrlicher Makler aber auch verlässlicher Verbündeter wahrgenommen und ich persönlich bin mehr als überzeugt, dass auch unser Einsatz die gewünschte Wirkung entfaltet.
Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an” und hier zu weiteren Berichten rund um die Bundeswehr.