Noch nie standen beim Bundesheer so viele neue Luftfahrzeuge vor dem Zulauf wie jetzt. In welchen Bereichen wird vor allem investiert? Und wie geht es mit unseren Eurofightern weiter? Ein Gespräch mit Rüstungsdirektor Generalmajor Harald Vodosek und den Brigadieren Jörg Freistätter und Josef Juster von der Direktion 5 Beschaffung.
Herr Generalmajor, wenn Sie an den Zustand der österreichischen Luftstreitkräfte vor fünf Jahren denken, welches Bild sehen Sie da?
Generalmajor Harald Vodosek: Da sehe ich eine in die Jahre gekommene Flotte an Hubschraubern, die vor allem auch deshalb einsatzfähig sind, weil die Materialerhaltungseinrichtungen sehr gut arbeiten. Ich sehe außerdem ein in die Jahre gekommenes Lufttransportsystem, bei dem wir schon damals über einen Nachfolger nachdachten und ich sehe mit dem Eurofighter einen zwar modernen Kampfjet, dem aber mit einem Raketenwarngerät, der Nachtsichtfähigkeit sowie einer weitreichenden Lenkwaffe wesentliche Ausstattungen fehlen.
In Summe kein besonders schönes Bild?
Brigadier Jörg Freistätter: Definitiv nicht, nein. Ich bin vor ein paar Jahren gefragt worden, wo im Falle einer geringfügigen Budgeterhöhung im Luftbereich die Prioritäten zu setzen wären. Die Antwort war sehr einfach: Überall. Der Bedarf war in allen Bereichen riesig, die modernste Flotte war vor fünf Jahren der Eurofighter, und den haben wir auch bereits 2007 eingeführt.
Vodosek: Wenn man es salopp formulieren will, sind wir damals am Boden herumgegrundelt. Jetzt setzen wir zu einem Steigflug an …
… der in den nächsten zehn Jahren wohin führen soll?
Freistätter: Wenn man den von Bundesministerin Klaudia Tanner eingeläuteten Modernisierungsprozess betrachtet, dann wird im Luftbereich kein Stein auf dem anderen bleiben. Wir werden in zehn Jahren unsere Alouette III und OH-58 durch neue leichte Mehrzweckhubschrauber vom Typ Leonardo AW169 und unsere AB212-Helikopter (-> das Bundesheer investiert aktuell noch in neue Flugmanagement-Systeme) durch eine neue Staffel UH60-M komplett ersetzt haben. Wir werden dann in der Einführungsphase eines neuen Advanced Jet Trainers Fighter Attack als Nachfolger der Ende 2020 abgestellten Saab 105OE sein und mit der C-390 beim Nachfolgesystem der C-130 Hercules bereits Full Operational Capability erreicht haben.
„Ich bin vor ein paar Jahren gefragt worden, wo im Falle einer geringfügigen Budgeterhöhung im Luftbereich die Prioritäten zu setzen wären. Die Antwort war sehr einfach: Überall.“
Brigadier Jörg Freistätter
Da sollen die ersten Flieger voraussichtlich 2027 zulaufen.
Freitsätter: In zehn Jahren werden wir weiters über zahlreiche Drohnen verfügen, von kleinen gefechtstechnischen Systemen, die bereits in Beschaffung sind, bis hinauf zu MALE-Drohnen (Anmerkung: Medium Altitude Long Endurance). Außerdem werden wir einen Ersatz für unsere PC-7-Trainer haben, bei denen wir nun ein avionisches Minimal-Update machen, um sie bis dahin weiterbetreiben zu können.
Welche Varianten sind als Nachfolger denkbar?
Freistätter: Das können reine Trainer sein, wenn die Aufgabe des Close Air Supports an den Advanced Jet Trainer übergeben wird. Es können aber auch bewaffnete Trainer sein, um der Trainingsstaffel eine zweite Aufgabe zuzuteilen. Ähnlich verhält es sich beim geplanten Ersatz unserer PC-6. Da denken wir abhängig von den Vorgaben der Planung und der gewünschten Sensorik und Flugdauer langfristig an ein MALE-System, zunächst aber an ein bemanntes System. Die Größenordnung ist dabei noch völlig offen, von kompakten Modellen bis hin zu Multi-Domain-Systemen.
Lassen Sie uns beim Advanced Jet Trainer ins Detail gehen. Wann ist mit einem Typenentscheid zu rechnen?
Freistätter: Wir haben im vergangenen Sommer einen Request for Information (RFI) an alle infrage kommenden Hersteller gesendet und im Herbst die Antworten bekommen. Wir werten diese nun aus, bewerten sie und entwickeln eine Budgettangente. Anschließend werden wir die Ergebnisse der Frau Bundesminister zur Entscheidung vorlegen.
„Wir stehen vor einem vollständigen Paradigmenwechsel: Unsere Aufgabe war bislang die Luftraumüberwachung, in Zukunft geht es aber um Luftraumverteidigung.“
Generalmajor Harald Vodosek
Stimmt es, dass mit der L-39NG von Aero Vodochody, der M-346FA von Leonardo und dem T-7 von Boeing und Saab prinzipiell drei Typen im Rennen sind?
Vodosek: Lassen Sie es mich so formulieren: Wir haben im Wesentlichen zwei große Fähigkeiten für uns definiert. Einerseits die Fähigkeit zum Luft-Boden-Kampf und andererseits eine Trainerfähigkeit. Damit sind wir auf den Markt getreten und haben alle Typen identifiziert, die unsere Anforderungen mit Blick auf verschiedene Leistungsparameter wie Steigleistung oder Waffensystemoptionen erfüllen.
Können Sie etwas zur geplanten Stückzahl sagen? Geht es um den Ankauf der ursprünglich geplanten zwölf Maschinen? Oder um mehr?
Vodosek: Es geht um zwölf Flugzeuge mit unterschiedlichen Bewaffnungsoptionen.
Einen Schritt weiter als beim Advanced Jet Trainer sind Sie bereits beim neuen C-390-Lufttransportsystem von Embraer als Nachfolger für die C-130 Hercules. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sprach bei der Verkündung des Typenentscheids von einer geplanten Vertragsunterfertigung im ersten Halbjahr 2024. Ist dieser Zeitplan noch aktuell?
Freistätter: Absolut. Wir sind dahingehend seit Wochen in intensiven Verhandlungen mit den Niederlanden, die wiederum vor dem Abschluss ihrer Verhandlungen mit Hersteller Embraer sind. Ziel ist es, gemeinsam mit den Niederländern in Summe neun Luftfahrzeuge – fünf für die Niederländer und vier für Österreich – in einem kooperativen Beschaffungsverfahren zu kaufen.
Sie haben zuvor den AW169-Helikopter als Nachfolger unserer Alouette III und AB212 erwähnt. Hersteller Leonardo hat kürzlich eine Erhöhung des Leistungslimits auf 5.100 Kilogramm Bruttogewicht bekanntgegeben.
Freistätter: Wir haben diese Ankündigung schon erwartet, die Entwicklung hatten wir bereits beim Typenentscheid auf dem Radar, wir haben uns nicht ohne Grund für das Kufenfahrgestell entschieden …
… aber auch für nur vier Bewaffnungspakete. Ist das für 36 Helikopter ausreichend?
Freistätter: Wir warten jetzt die Zertifizierung der Waffenstation ab und dann werden wir die Zahl voraussichtlich deutlich aufstocken. Es geht dann um gelenkte und ungelenkte Raketen sowie einen Kanonenpod.
Beim Black Hawk läuft aktuell die Modernisierung unserer bestehenden Flotte bei der Firma Ace Aeronautics in den USA …
Freistätter: … und dabei kommen wir auch gut voran. Fünf unserer neun Maschinen haben die Modernisierung bereits durchlaufen, zwei sind gerade in den USA und zwei dann noch ausständig. Ace liefert uns auch die drei von uns zur Komplettierung unserer Staffel bestellten UH-60L, die aus Beständen der US Army stammen und auf unsere Bedürfnisse hin modifiziert werden. Da dürften nächstes Jahr die ersten zwei Maschinen kommen.
Und die zwölf neuen Black Hawks?
Freistätter: Geplant wäre, diese über Foreign Military Sales (FMS) direkt bei den Amerikanern zu beschaffen. Dabei geht es um UH-60M-Modelle, also die Standardversion der Amerikaner. Da ist mit Lieferung der ersten Maschinen 24 Monate nach Vertragsabschluss zu rechnen.
Apropos Vertragsabschluss: Das Bundesheer bekommt in den kommenden Jahren zwar deutlich mehr Geld, es werden nun aber innerhalb kurzer Zeit auch viele teure Anzahlungen für Beschaffungen fällig. Wie schwierig ist es, diese aufeinander abzustimmen und am Ende des Tages trotzdem im Budgetrahmen zu bleiben?
Brigadier Josef Juster: Natürlich brauchen Firmen Anzahlungen, um selbst Zulieferteile beschaffen und die Produktion hochfahren zu können. Aber wie hoch diese Anzahlungen ausfallen und wann sie konkret zu erfolgen haben, ist Verhandlungs- und auch Planungssache. Wir versuchen unsere Vorhaben so zu staffeln, aufeinander abzustimmen und Zahlungspläne anzupassen, dass sich am Ende des Tages alles ausgeht. Das ist natürlich nicht immer einfach und viel Zahlenspielerei – wir bemerken diesbezüglich aber schon auch großes Entgegenkommen der Industrie.
Inwiefern?
Juster: Sie sehen am eingeschlagenen und gesetzlich abgesicherten Budgetpfad, dass wir über das benötigte Geld verfügen werden.
Kommen wir zum Eurofighter: Aktuell verfügt das Bundesheer über 15 Jets, die nun Raketenwarngeräte, Pods für die Nachtsichtfähigkeit sowie weitreichende AIM-120 C-8 AMRAAM-Lenkwaffen erhalten sollen. Das ändert aber nichts am Plan, die Maschinen spätestens 2037 außer Dienst zu stellen, oder?
Vodosek: Es war beim Zulauf in den Jahren 2007 bis 2009 beabsichtigt, das System 30 Jahre zu fliegen und in der Ministerschaft von Klaudia Tanner wurde auch klargestellt, dass wir den Eurofighter bis dahin weiter betreiben wollen. Dafür werden wir die erwähnten Modifikationen vornehmen und dann sollte idealerweise noch in den 2020er-Jahren eine Entscheidung über die Nachfolge getroffen werden – und dabei stehen wir vor einem vollständigen Paradigmenwechsel. Unsere Aufgabe war bislang die Luftraumüberwachung, in Zukunft geht es aber um Luftraumverteidigung.
Wann beginnt man mit Blick auf die Nachfolge mit der Sondierung des Marktes?
Freistätter: Das machen wir permanent – das ist unsere ureigenste Aufgabe. Deshalb fahren wir zu Rüstungsmessen, deshalb halten wir Kontakt zu den Herstellern und deshalb analysieren wir auch die Entwicklungen im europäischen Umfeld und bei anderen Streitkräften. Damit haben wir stets einen Überblick über das Angebot, Innovationen, Neuentwicklungen und Produktvariationen. Im Detail mit der Thematik beschäftigen werden wir uns aber erst dann, wenn es dafür einen Auftrag gibt und wir von der Planungsabteilung die benötigten Vorgaben bekommen.
Und welche Systeme sind dabei aktuell denkbar?
Vodosek: Es wäre unseriös, jetzt schon eine Aussage zu treffen. Im Wesentlichen wird es wohl um die „üblichen Verdächtigen” gehen, die aktuell bei praktisch allen Kampfjet-Beschaffungsverfahren in Europa zur Auswahl stehen.
„Wir versuchen unsere Vorhaben so zu staffeln, aufeinander abzustimmen und Zahlungspläne anzupassen, dass sich am Ende alles ausgeht.“
Brigadier Josef Juster
Ist neben dem Umstieg auf andere Modelle auch eine Fortführung unserer Eurofighter Tranche 1 über 2037 hinaus denkbar?
Freistätter: Das wird technisch nur schwer oder gar nicht möglich sein. Dafür müsste man das Flugzeug mit enormem Aufwand vollständig entkernen und im Wesentlichen neu aufbauen. Das wäre vollkommen unwirtschaftlich und am Ende des Tages hätte man wieder nur eine Kompromisslösung …
Vodosek: … und genau das wollen wir aktuell in allen Bereichen um jeden Preis vermeiden. Wir wollen die Kapazitäten in der Luft neu aufbauen und dabei helfen uns Kompromisslösungen nicht weiter.
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